Berlin und Paris legen Gas-Streit bei
Energie Die umstrittene Pipeline durch die Ostsee kann weitergebaut werden. Eine Frage aber ist damit noch nicht beantwortet: Wie abhängig macht sich Deutschland von russischem Gas?
Mit einem Kompromiss in letzter Minute haben Deutschland und Frankreich einen diplomatischen Eklat vermieden und die Weichen für den Weiterbau der umstrittenen Gas-Pipeline aus Russland nach Deutschland gestellt. Die Einigung sieht nach Angaben von Diplomaten strengere Auflagen für Bau und Betrieb der 1200 Kilometer langen Leitung durch die Ostsee vor. Zugleich soll aber sichergestellt werden, dass das Milliarden-Projekt dadurch nicht bedroht wird.
„Diesen Tag finde ich gut“, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel anschließend. „Er wäre ohne die deutsch-französische Zusammenarbeit so nicht erfolgt.“Zu den Gegnern des Projektes Nord Stream 2 gehören vor allem die Ukraine und Polen, die an den Durchleitungsgebühren der bisherigen Pipeline gut verdienen. Die Vereinigten Staaten hatten das Vorhaben ebenfalls scharf kritisiert. Zum einen, weil damit die Abhängigkeit Europas von russischem Gas verstärkt werde. Zum
sieht Washington in dem Projekt auch eine Konkurrenz zum eigenen Gas-Geschäft mit der EU.
Nachdem die französische Regierung sich zuletzt offen gegen Deutschland gestellt und sich ebenfalls gegen Nord Stream 2 ausgesprochen hatte, war bis Freitag unklar, ob die Pipeline überhaupt weitergebaut werden kann. Mit ihr sollen jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas durch die Ostsee in die Bundesrepublik transportiert werden. Der nun getroffene Kompromiss sieht vor, dass für Leitungen aus Nicht-EU–Ländern wie Russland der Staat zuständig ist, in dem die Rohre auf das Gebiet der EU treffen – im konkreten Fall also die Bundesrepublik. Sie muss die Einhaltung der Gesetze für den Energiebinnenmarkt sicherstellen.
Die Kritik an Nord Stream verstummt deshalb allerdings nicht. „Das ist ein ganz fauler Kompromiss“, betonte der außenpolitische Experte der Union im Europaparlament, Elmar Brok, gegenüber unserer Redaktion. „Wir müssen doch sehen, dass wir künftig zu 50 Prozent von russischem Gas abhängig
sind. Wenn wir dann noch aus der Braunkohle aussteigen, wird diese Abhängigkeit eher noch größer als kleiner. Und dabei rede ich noch nicht davon, dass wir ja auch beim Öl von Russland abhängig sind.“Der staatliche Konzern Gazprom, so Brok, habe auf dem europäischen Markt mehr Rechte als jedes andere europäische Unternehmen. „Er darf produzieren, liefern, vermarkten und verkaufen – und Europa schneidet seine Regeln auf diesen Konzern zu. Das ist nicht zu akzeptieren.“
Die Wirtschaft dagegen begrüßt die Entscheidung für die Pipeline.
„Aus Klimaschutzgründen wird Europa für eine Übergangszeit auf mehr Gasimporte angewiesen sein“, betonte der Hauptgeschäftsführer des Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, gegenüber unserer Redaktion. „Während die Gasförderung in Europa zurückgeht, wird der Bedarf der Industrie und der Haushalte eher steianderen
gen.“Der Kohleausstieg hierzulande verschärfe diese Entwicklung noch. „Projekte wie Nord Stream 2 können hier einen Beitrag leisten, langfristig eine günstige und sichere Versorgung mit Erdgas zu gewährleisten.“Nun müsse sich die EU darauf konzentrieren, den Wettbewerb zu stärken. Wansleben wörtlich: „Gas sollte im Binnenmarkt frei fließen. Dies trägt am meisten zur Versorgungssicherheit bei.“
Kritik am europäischen Kompromiss übt der frühere Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). „Was jetzt passiert, ist, dass diese Vorschriften im Nachhinein geändert werden sollen, um Russland ins Unrecht zu setzen“, sagte er. „Ich finde das ehrlich gesagt empörend.“Die Änderung der Gas-Richtlinie komme „ja auch nur zustande, weil die USA massiven Druck auf viele EUMitgliedstaaten machen, damit sie nicht das preiswerte russische Gas kaufen, sondern das deutlich teurere Flüssiggas aus den USA“. Lesen Sie dazu auch den Leitartikel von Gregor Peter Schmitz. Was sich hinter dem Projekt Nord Stream verbirgt, steht in der
Polen und die Ukraine fühlen sich übergangen
Berlin Für den britischen Kollegen James Bond wäre ein eigener Stellplatz reserviert. Jedenfalls gibt es im Parkhaus der Zentrale des deutschen Auslandsgeheimdiensts in Berlin einen Platz mit der berühmten Nummer 007. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat das neue Hauptquartier des Bundesnachrichtendiensts (BND) am Freitag offiziell seiner Bestimmung übergeben.
Sie sprach von einem „Meilenstein in der Entwicklung des BND“auf historischem Boden an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Nach dem Ende des Kalten Krieges sei der Neubau mit Platz für 4000 Geheimdienstler Zeichen einer „Neuerfindung des BND“. Der werde in Zeiten einer zunehmend instabilen Weltordnung dringender denn je gebraucht. Es sei „essenziell für die deutsche Außenpolitik“, so Merkel, dass der Geheimdienst mit seinen 6500 Mitarbeitern in aller Welt stets belastbare Erkenntnisse gewinne – besonders über die Lage in Krisenherden wie Syrien. Im „beeindruckenden Serverraum“würden zudem die weltweiten Datenströme nach relevanten Informationen durchsucht.
Für BND-Chef Bruno Kahl steht der neue Bau auch für den Versuch des Dienstes, eine neue Kultur der Offenheit einzuführen: „Wir rücken näher an das bundespolitische Geschehen heran.“
Mehr Transparenz strahlt der riesige Neubau – die Bruttogrundfläche beträgt 260000 Quadratmeter, was 36 Fußballfeldern entspricht – indes beim besten Willen nicht aus. Der riesige Baukörper wirkt streng und abweisend wie eine Burg mit 14000 schießschartenartigen Fenstern. Ein hoher Stahlzaun mit dreieckigen Spitzen schirmt die Anlage ab, Kameras registrieren jede Bewegung in der Umgebung. Wahrzeichen ist eine Palme aus Metall, die an einen Morgenstern erinnert. An die mittelalterliche Waffe, nicht an den Himmelskörper. Die Botschaft eines sich öffnenden Geheimdiensts, der sein Schlapphut-Image nach diversen Skandalen loswerden will, liegt nicht in der Architektur. Sondern in der Lage mitten in der Hauptstadt, die dafür sorgen soll, dass sich der Austausch zwischen BND und den Politikern, die ihn kontrollieren, verbessert. Bereits jetzt, so berichten Parlamentarier, habe sich die Zahl der Anfragen und Unterrichtungen deutlich erhöht. Bald soll sogar ein Besucherzentrum für Bürger eröffnen.
Dagegen stand Pullach bei München, der bisherige Standort der Zentrale, für Abschottung und mitunter auch für ein bedenkliches Eigenleben des BND. Auf dem Areal einer ehemaligen Nazi-Siedlung bei München herrschte jahrzehntelang strengste Geheimhaltung rund um die offiziell lange als „Beamtenwohnungen“deklarierten Gebäude. Rund 1000 „Geheime“mussten nun aus Pullach, wo eine BND-Außenstelle mit 1500 Mitarbeitern bleibt, nach Berlin umziehen.
Ihr neuer Arbeitsplatz befindet sich an der Chausseestraße, wo zu DDR-Zeiten das Stadion der Weltjugend stand. Dort kickte einst der Stasi-Klub Dynamo Berlin. 1992 wurde es abgerissen und sollte durch eine neue Arena für die geplanten Olympischen Spiele 2000 in Berlin ersetzt werden. Die Spiele fanden dann aber in Sydney statt, das Stadion wurde nie gebaut. 2006 begann der Bau der BND-Zentrale, der von Pannen und Rückschlägen geprägt war. So demolierten 2015 Unbekannte auf der strengstens bewachten Baustelle fünf Wasserhähne und fluteten große Teile des Neubaus. Die ursprünglich veranschlagten Baukosten von 720 Millionen Euro kletterten am Ende auf knapp 1,1 Milliarden Euro.
Hinter verschlossenen Türen feierten am Freitag hunderte Agenten den Einzug. Ob Kollege Bond vorbeigeschaut hat? Die Gästeliste blieb natürlich streng geheim.