Das langsame Smorzando
Von Laura Freilinger
Die Kindheit ist durch diejenigen Jahre definiert, in denen das morgendliche Aufstehen Freude bereitet und ein Großteil der nahezu unbeschränkten Energievorräte dazu aufgewendet wird, beim Thema „ins Bett gehen“Widerwillen zu demonstrieren.
So jedenfalls erinnere ich mich sehr gerne zehn Jahre zurück, als ich gerade einmal wenige Monate eingeschult war. Da hatte ich schon viele Gedanken, viele Träume, die mich bewegt haben. Irgendwann träumte ich auch vom Klavierspielen. Als Sechsjährige war mein Interesse groß genug, das Klavier meines Vaters nicht nur auszuprobieren, sondern auch verstehen zu lernen. Ich schaute zu meinen über die Jahre wechselnden Klavierlehrern auf und ließ mich gerne inspirieren. Ein ganzes Jahrzehnt verbrachte ich mit mal mehr und mal weniger Engagement, aber doch stets mit dem Ziel der Verbesserung. Musik versüßte mir nicht nur die letzten Kindheitstage, sondern auch einen Großteil meiner Jugend. Musik war zu mancher Zeit wie eine beste Freundin, die mich von Traurigkeit und Ärger ablenkte und es zuließ, meiner Freude durch Lautstärke und Geschwindigkeit freien Lauf zu lassen. Doch vor ziemlich genau eineinhalb Jahren schrumpfte meine Bereitschaft für regelmäßiges Üben zu einem Minimum. Andere, weitaus nichtigere und kurzweilige Interessen traten in den Vordergrund. Tief in meinem Herzen wusste ich auch da schon, dass ich die Kündigung meiner Klavierstunden bereuen werde. Aber ich hörte nicht auf mein Herz. Ein ganzes Jahr lang rührte ich das Piano meines Vaters zum großen Erstaunen von Freunden und Familie nicht mehr an. Es schien mir nichts mehr zu bedeuten. Doch jetzt, wo es wieder kalt geworden ist und ich an die vielen melodischen Chopin-Walzer denke, die ich doch immer so gerne gespielt habe…
Einer meiner Musiklehrer meinte einmal, dass die Motivation nach ein paar Jahren in der Regel zurückkäme. Vielleicht passiert das gerade mit mir, ich hoffe es. Denn die Musik gab mir etwas Besonderes, das sich nur schwer in Worte fassen lässt und mir niemand nehmen konnte.