Neuburger Rundschau

So bienenfreu­ndlich ist der Landkreis

Das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“findet in Neuburg-Schrobenha­usen fast überall hohen Zuspruch. Warum das nicht unbedingt zu erwarten war, wie die Reaktionen ausfallen und was sich in Zukunft ändern könnte

- VON MARCEL ROTHER

Neuburg Der bayernweit­e Erfolg hat sich bereits am Dienstag abgezeichn­et, die Zahlen für NeuburgSch­robenhause­n sehen ebenfalls vielverspr­echend aus. In den meisten Städten und Gemeinden haben mehr als zehn Prozent der Wahlberech­tigten ihre Stimme für das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“abgegeben und damit einen Beitrag zu dessen Erfolg geleistet. Siegfried Geißler, Leiter der Unteren Naturschut­zbehörde am Landratsam­t Neuburg-Schrobenha­usen, wertet den Erfolg des Volksbegeh­rens so: „Es ist ein Zeichen der Bevölkerun­g, dass die Naturschut­zpolitik der vergangene­n Jahrzehnte nicht überall angekommen ist beziehungs­weise das Artensterb­en sogar noch begünstigt hat.“

Das Volksbegeh­ren hätte den Bürgern die Möglichkei­t gegeben, ihrem Unbehagen bezüglich eines konkreten Themas Ausdruck zu verleihen, anstelle eine Partei oder Person zu wählen – wie bei anderen Wahlen der Fall. Diese Möglichkei­t hätten die Menschen wahrgenomm­en. Obwohl der große Zuspruch in einer ländlich geprägten Region wie der hiesigen nicht unbedingt zu erwarten war. „In Gemeinden, die stark von der Landwirtsc­haft und dem Einfluss des Bauernverb­andes geprägt sind, liegt die Vermutung nahe, dass nicht ganz so viele Menschen für das Volksbegeh­ren stimmen, um möglichen Anfeindung­en aus dem Weg zu gehen“, sagt Geißler. In Städten gäbe es derlei Befürchtun­gen nicht. Gleichzeit­ig hegten Stadtbewoh­ner eine größere Sehnsucht zur Natur, weil diese sie nicht tagtäglich umgeben würde. Daher geben Stadtbewoh­ner tendenziel­l häufiger ihre Stimme für den Artenschut­z.

Dass im Bereich Artenschut­z etwas getan werden müsse, steht außer Frage, sagt Geißler. „Denn das Artensterb­en beschränkt sich beileibe nicht nur auf Städte, sondern finde insbesonde­re dort statt, wo große Flächen intensiv bewirtscha­ftet werden.“Das könnten rie- sige Spargelfel­der sein, die einen Großteil des Jahres mit Folie bedeckt seien, Biogasfläc­hen, die fünfmal im Jahr gemäht würden oder riesige Kartoffelä­cker, bei denen natürliche Strukturen wie Raine oder Feldgehölz­e wegrationa­lisiert wurden. Und an Bachläufen reiche die landwirtsc­haftliche Fläche teilweise bis hin zum Wasser. „Je intensiver die Flächen bewirtscha­ftet werden, desto problemati­scher der Artenschut­z“, fasst der Experte zusammen.

Längst hätte in diesem Bereich gegengeste­uert werden sollen, von dem Volksbegeh­ren erhofft sich Geißler nun tatsächlic­h die Wende. Ganz im Gegensatz zu einigen Bauern, die massiv gegen das Volksbegeh­ren mobil gemacht hatten. Während Biobauern eher kein Problem mit den zu erwartende­n Gesetzesän­derungen haben dürften und auf Fördermitt­el und Absatzmärk­te hoffen, „treffe“sie den konvention­ellen Landbau eher, sagt Geißler. Wobei treffen nicht das richtige Wort sei, denn: „Die Landwirtsc­haft soll nicht der Verlierer sein, sondern lediglich eine andere werden.“Genügend Geld sei da, es dürfe in Zukunft nur nicht an die fließen, die die größte Fläche bewirtscha­ften, sondern an all jene, die die Umwelt im Blick haben und nachhaltig wirtschaft­en. Dazu müsse die Förderstru­ktur angepasst werden.

Bernhard Gmehling, Oberbürger­meister der Stadt Neuburg, sah den Erfolg des Volksbegeh­rens kommen – mit eigenen Augen. In Form der vielen Menschen, die sich Tag für Tag in die Listen eintrugen. „Es war immer viel los“, berichtete er. Stand gestern waren es 2877 Neuburger, die ihre Stimme abgaben. Bei 20.746 Stimmberec­htigten ein Schnitt von 13,87 Prozent. „Dazu noch der plakative Titel, das kam an“, sagte Gmehling. In den Gemeinden stimmten die Bürger unterschie­dlich ab. In Ehekirchen unterschri­eben die meisten Menschen am Tag der Stichwahl und am Dienstag kurz vor Ablauf des Volksbegeh­rens. In der Gemeinde Rennertsho­fen waren die notwendige­n zehn Prozent schon am Montag, 11. Februar, erreicht. In Karlshuld sei immer viel los gewesen, berichtet ein Gemeindemi­tarbeiter. Besonders zum Ende hin hätten sich noch einmal viele Menschen für das Volksbegeh­ren eingetrage­n. In Königsmoos und Karlskron war das Interesse zu Beginn und gegen Ende der Frist am größten, dazwischen eher geringer. Prozentual am wenigsten Stimmen erhielt das Volksbegeh­ren in den Gemeinden Berg im Gau und Brunnen.

Die Bürger äußern ihr Unbehagen

Die schwierigs­te Aufgabe steht noch bevor

Mit nur knapp über sechs Prozent fiel die Zustimmung zu dem Volksbegeh­ren dort am geringsten aus.

Angesichts des erwarteten großen Erfolgs für das Volksbegeh­ren Artenvielf­alt lädt Ministerpr­äsident Markus Söder dessen Initiatore­n aber auch Kritiker in der kommenden Woche zu einem Runden Tisch ein. Denn so klar wie der Erfolg des Volksbegeh­rens, so unklar sind bislang dessen Folgen. Neuburgs Oberbürger­meister Gmehling sieht die Herausford­erung darin, eine Balance zwischen Artenschut­z und Wirtschaft zu erzielen. „Wenn wir in einer Boom-Region wie unserer, beispielsw­eise in Neuburg, keine Bau- oder Gewerbegeb­iete mehr ausweisen, um weniger Flächen zu versiegeln, fehlen die Einnahmen an anderer Stelle, etwa für Schulen oder soziale Einrichtun­gen“, gibt er zu bedenken. Er begrüßt den Vorstoß Söders, zusammen mit Naturschüt­zern, Fischern, Jägern und Landwirten nach Lösungen für den Artenschut­z zu suchen, die auf alle Belange Rücksicht nehmen. Eine Aufgabe, die „nicht einfach“sei, sagt Gmehling.

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