So bienenfreundlich ist der Landkreis
Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“findet in Neuburg-Schrobenhausen fast überall hohen Zuspruch. Warum das nicht unbedingt zu erwarten war, wie die Reaktionen ausfallen und was sich in Zukunft ändern könnte
Neuburg Der bayernweite Erfolg hat sich bereits am Dienstag abgezeichnet, die Zahlen für NeuburgSchrobenhausen sehen ebenfalls vielversprechend aus. In den meisten Städten und Gemeinden haben mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme für das Volksbegehren „Rettet die Bienen“abgegeben und damit einen Beitrag zu dessen Erfolg geleistet. Siegfried Geißler, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen, wertet den Erfolg des Volksbegehrens so: „Es ist ein Zeichen der Bevölkerung, dass die Naturschutzpolitik der vergangenen Jahrzehnte nicht überall angekommen ist beziehungsweise das Artensterben sogar noch begünstigt hat.“
Das Volksbegehren hätte den Bürgern die Möglichkeit gegeben, ihrem Unbehagen bezüglich eines konkreten Themas Ausdruck zu verleihen, anstelle eine Partei oder Person zu wählen – wie bei anderen Wahlen der Fall. Diese Möglichkeit hätten die Menschen wahrgenommen. Obwohl der große Zuspruch in einer ländlich geprägten Region wie der hiesigen nicht unbedingt zu erwarten war. „In Gemeinden, die stark von der Landwirtschaft und dem Einfluss des Bauernverbandes geprägt sind, liegt die Vermutung nahe, dass nicht ganz so viele Menschen für das Volksbegehren stimmen, um möglichen Anfeindungen aus dem Weg zu gehen“, sagt Geißler. In Städten gäbe es derlei Befürchtungen nicht. Gleichzeitig hegten Stadtbewohner eine größere Sehnsucht zur Natur, weil diese sie nicht tagtäglich umgeben würde. Daher geben Stadtbewohner tendenziell häufiger ihre Stimme für den Artenschutz.
Dass im Bereich Artenschutz etwas getan werden müsse, steht außer Frage, sagt Geißler. „Denn das Artensterben beschränkt sich beileibe nicht nur auf Städte, sondern finde insbesondere dort statt, wo große Flächen intensiv bewirtschaftet werden.“Das könnten rie- sige Spargelfelder sein, die einen Großteil des Jahres mit Folie bedeckt seien, Biogasflächen, die fünfmal im Jahr gemäht würden oder riesige Kartoffeläcker, bei denen natürliche Strukturen wie Raine oder Feldgehölze wegrationalisiert wurden. Und an Bachläufen reiche die landwirtschaftliche Fläche teilweise bis hin zum Wasser. „Je intensiver die Flächen bewirtschaftet werden, desto problematischer der Artenschutz“, fasst der Experte zusammen.
Längst hätte in diesem Bereich gegengesteuert werden sollen, von dem Volksbegehren erhofft sich Geißler nun tatsächlich die Wende. Ganz im Gegensatz zu einigen Bauern, die massiv gegen das Volksbegehren mobil gemacht hatten. Während Biobauern eher kein Problem mit den zu erwartenden Gesetzesänderungen haben dürften und auf Fördermittel und Absatzmärkte hoffen, „treffe“sie den konventionellen Landbau eher, sagt Geißler. Wobei treffen nicht das richtige Wort sei, denn: „Die Landwirtschaft soll nicht der Verlierer sein, sondern lediglich eine andere werden.“Genügend Geld sei da, es dürfe in Zukunft nur nicht an die fließen, die die größte Fläche bewirtschaften, sondern an all jene, die die Umwelt im Blick haben und nachhaltig wirtschaften. Dazu müsse die Förderstruktur angepasst werden.
Bernhard Gmehling, Oberbürgermeister der Stadt Neuburg, sah den Erfolg des Volksbegehrens kommen – mit eigenen Augen. In Form der vielen Menschen, die sich Tag für Tag in die Listen eintrugen. „Es war immer viel los“, berichtete er. Stand gestern waren es 2877 Neuburger, die ihre Stimme abgaben. Bei 20.746 Stimmberechtigten ein Schnitt von 13,87 Prozent. „Dazu noch der plakative Titel, das kam an“, sagte Gmehling. In den Gemeinden stimmten die Bürger unterschiedlich ab. In Ehekirchen unterschrieben die meisten Menschen am Tag der Stichwahl und am Dienstag kurz vor Ablauf des Volksbegehrens. In der Gemeinde Rennertshofen waren die notwendigen zehn Prozent schon am Montag, 11. Februar, erreicht. In Karlshuld sei immer viel los gewesen, berichtet ein Gemeindemitarbeiter. Besonders zum Ende hin hätten sich noch einmal viele Menschen für das Volksbegehren eingetragen. In Königsmoos und Karlskron war das Interesse zu Beginn und gegen Ende der Frist am größten, dazwischen eher geringer. Prozentual am wenigsten Stimmen erhielt das Volksbegehren in den Gemeinden Berg im Gau und Brunnen.
Die Bürger äußern ihr Unbehagen
Die schwierigste Aufgabe steht noch bevor
Mit nur knapp über sechs Prozent fiel die Zustimmung zu dem Volksbegehren dort am geringsten aus.
Angesichts des erwarteten großen Erfolgs für das Volksbegehren Artenvielfalt lädt Ministerpräsident Markus Söder dessen Initiatoren aber auch Kritiker in der kommenden Woche zu einem Runden Tisch ein. Denn so klar wie der Erfolg des Volksbegehrens, so unklar sind bislang dessen Folgen. Neuburgs Oberbürgermeister Gmehling sieht die Herausforderung darin, eine Balance zwischen Artenschutz und Wirtschaft zu erzielen. „Wenn wir in einer Boom-Region wie unserer, beispielsweise in Neuburg, keine Bau- oder Gewerbegebiete mehr ausweisen, um weniger Flächen zu versiegeln, fehlen die Einnahmen an anderer Stelle, etwa für Schulen oder soziale Einrichtungen“, gibt er zu bedenken. Er begrüßt den Vorstoß Söders, zusammen mit Naturschützern, Fischern, Jägern und Landwirten nach Lösungen für den Artenschutz zu suchen, die auf alle Belange Rücksicht nehmen. Eine Aufgabe, die „nicht einfach“sei, sagt Gmehling.