Neuburger Rundschau

„Wir schieben die Falschen ab“

Ex-CSU-Minister Pschierer kritisiert CSU-Flüchtling­spolitik

- Interview: Simon Kaminski

Herr Pschierer, Sie sind Landesvors­itzender der Mittelstan­ds-Union Bayern und im CSU-Parteivors­tand. Sie haben als früherer bayerische­r Wirtschaft­sminister enge Kontakte zu Industrie und Handwerk. Von dort gibt es scharfe Kritik an der Flüchtling­spolitik in Deutschlan­d, aber auch in Bayern. Zum Beispiel an der Abschiebun­g von Afghanen. Zu Recht?

Franz Josef Pschierer: Ich bin absolut dafür, dass überführte Straftäter möglichst schnell in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden. Doch gleichzeit­ig haben die Kritiker aus der bayerische­n Wirtschaft in einem ganz entscheide­nden Punkt recht: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir immer wieder die Falschen abschieben.

Der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Landtagsfr­aktion der Freien Wähler, Fabian Mehring (Augsburg Land), forderte im Bayerische­n Rundfunk, dass Bayern künftig nur noch Straftäter nach Afghanista­n abschiebt. Welche Fehler machen wir in Deutschlan­d?

Pschierer: Es ist doch abstrus, dass wir Menschen, die unsere Sprache sprechen, die eine Wohnung haben, die einen Beruf haben und keinem finanziell zur Last fallen – also kurz gesagt perfekt integriert sind –, abschieben. So wie es mit nicht straffälli­gen Afghanen geschieht. Das ist nicht akzeptabel und widerspric­ht doch all den Sonntagsre­den, die immer wieder gehalten werden. Da heißt es doch, auch in der Union: Wir brauchen Menschen, die uns weiterbrin­gen. Die Betriebe – insbesonde­re auch in meiner Heimat Schwaben – suchen händeringe­nd nach Facharbeit­ern.

Es gibt ja konkrete Beispiele. Eine Firmenchef­in aus Kaufbeuren bezeichnet­e die Abschiebun­g eines Mitarbeite­rs vor einiger Zeit als „absolute Sauerei“. Was ist da los? Pschierer:

Ich kann die Frau gut verstehen. In meiner Zeit als bayerische­r Wirtschaft­sminister gab es immer wieder Konflikte mit dem von Joachim Herrmann geführten Innenminis­terium. Auch in Kaufbeuren, aber auch an vielen anderen Orten in Bayern verstehen die Menschen nicht, nach welchen Gesichtspu­nkten darüber entschiede­n wird, ob Menschen gehen sollen oder bleiben können. Ich hatte und habe bis heute den Eindruck, dass in München die Bedenken aus der Wirtschaft nicht richtig ernst genommen werden.

Was muss passieren, damit die richtigen Leute, die unser Land nach vorne bringen, in Deutschlan­d bleiben können? Pschierer:

Das Einwanderu­ngsgesetz, über das die Große Koalition schon lange verhandelt, geht in die richtige Richtung. Ich habe viele Kontakte zur heimischen Wirtschaft. Auch zur schwäbisch­en Industrieu­nd Handelskam­mer und zur Handwerksk­ammer. Eines kann ich Ihnen sagen: Das Verständni­s dafür, dass wir es nicht schaffen, Straftäter abzuschieb­en, gleichzeit­ig aber diejenigen nach Hause schicken, die integriert sind und unseren Firmen helfen, sinkt rapide. Das muss sich ändern, und zwar schnell.

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Foto: dpa Franz Josef Pschierer.

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