Hat ein Betreuer das Vertrauen missbraucht?
Justiz In Neuburg muss sich ein 55-Jähriger vor Gericht verantworten, weil er 1700 Euro seines Klienten veruntreut haben soll. Im Landkreis stehen derzeit mehr als 1000 Menschen unter Betreuung. Wie das System funktioniert
Neuburg Eine Vorstellung, die vielen Menschen Angst macht: Man kann seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln und ist auf die Unterstützung anderer angewiesen. Laut der Betreuungsbehörde am Landratsamt werden im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen derzeit 1200 bis 1300 Menschen betreut. Nun steht ein Berufsbetreuer aus der Region vor dem Amtsgericht, weil er einen seiner Klienten um rund 1700 Euro betrogen haben soll. Zwischen Mai 2015 und Juli 2017 soll der 55-Jährige sechs Abhebungen vom Girokonto seines Betreuten getätigt, das Geld aber in die eigene Tasche gesteckt haben. Nun muss er sich wegen Untreue vor dem Neuburger Amtsgericht verantworten. In dem Prozess geht es um seine berufliche Existenz – und gleichzeitig um die Glaubwürdigkeit eines Systems, von dem viele Hilfsbedürftige abhängig sind.
Wie der Angeklagte vor Gericht erzählt, habe er die Betreuung des inzwischen trockenen Alkoholikers 2005 übernommen. Als Betreuer sollte er sich um die Gesundheitsversorgung, den Umgang mit Behörden und die Vermögensangelegenheiten kümmern. Ungefähr 2014 habe der Mann dann angefangen, Bargeld von ihm zu verlangen. Das habe er ihm auch gegeben, betont der Angeklagte. Nachgefragt, wofür der Mann das Geld brauche, habe er allerdings nicht. Sein Taschengeld bekam dieser eigentlich von einem Sozialdienst, an den der Betreuer ohnehin monatlich 300 Euro vom Girokonto seines Klienten überwies.
Die meisten Abhebungen gab es laut Staatsanwaltschaft im Jahr 2015. Der Angeklagte rechtfertigt die hohe Gesamtsumme damit, dass er davon auch 2016 noch Bargeld an seinen Klienten ausgezahlt habe. Manchmal würden Betreuer auch in Vorleistung gehen, sagt der 55-Jährige. Es sei also ganz normal, dass Abhebung und Auszahlung nicht immer am gleichen Tag stattfänden.
Die Aussage der ersten Zeugin, eine Sozialpädagogin aus der Einrichtung, in der der Mann lebt, zeichnet ein ganz anderes Bild des Betreuten. Dieser sei bescheiden und gewissenhaft. Habe schon lange keinen Alkohol mehr angerührt. „Er sagt immer, wofür er das Geld braucht und bringt das Restgeld wieder zurück, sodass es von uns wieder eingebucht werden muss.“
Genauer nach ging den Unregel-
bei den Abbuchungen und Auszahlungen schließlich ein pensionierter Lehrer aus Neuburg, der ehrenamtlich als Betreuer arbeitet. Er übernahm die Betreuung im November 2017, nachdem das Landratsamt bei ihm angefragt hatte. Er sollte nicht nur dieselben Angelegenheiten für den zu Betreuen-
regeln wie sein Vorgänger, sondern darüber hinaus auch eventuelle Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Betreuer geltend machen, so der Pensionär. Der Betreute habe ihm von Bargeldabhebungen erzählt, die er einst quittieren sollte und von anderen Papieren, die er angeblich blanko unterschreiben musste. Aumäßigkeiten
ßerdem habe er von Kollegen und Anwälten gehört, berichtet der Ehrenamtliche weiter, dass der Angeklagte in Neuburg 100 Fälle oder mehr betreuen würde, weitere in Ingolstadt.
Dass Betreuer ihre Verantwortung missbrauchen, sei die absolute Ausnahme, sagt Georg Berger, zuden ständig für Betreuungssachen am Neuburger Amtsgericht und stellvertretender Direktor. Denn Betreuer würden vom Gericht regelmäßig kontrolliert (siehe Infokasten). Im Gegensatz zu Menschen, die durch eine Vorsorgevollmacht „für den Fall der Fälle“eingesetzt werden. Diese unterliegen keiner gerichtlichen Kontrolle. „Eine Vollmacht sollte man nur erteilen, wenn man vollstes Vertrauen zu einer Person hat“, rät Berger.
Eine Betreuung werde nicht generell beschlossen, sondern lediglich für die bestimmten Bereiche, die der volljährige Betroffene nicht mehr selbstständig regeln kann, weil er in körperlicher oder geistiger Hinsicht krank ist, erklärt Berger. Eine Betreuung könne auch wieder aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr erforderlich ist.
Das Gericht versucht zunächst, einen ehrenamtlichen Betreuer zu finden, meist aus dem AngehörigenKreis, fährt Berger fort. Dieser werde anhand von Merkblättern und Kursen durch die Betreuungsbehörde des Landratsamts angelernt. Kann kein ehrenamtlicher Betreuer gefunden werden, muss ein Berufsbetreuer eingeschaltet werden. In Neuburg gibt es, so Berger, einen Pool von circa 15 Berufsbetreuern, die vom Landratsamt als solche bestellt und vom Gericht im konkreten Fall zugeordnet werden. Wie der Betreuungsrichter erklärt, handle es sich zum Beispiel um Rechtsanwälte, Pflegekräfte oder Sozialpädagogen, die ihren eigentlichen Beruf aufgegeben haben, nur noch in Teilzeit arbeiten oder in Rente gegangen sind. Sogar ein Handwerker sei im Neuburger Pool dabei. Vergütet werden Berufsbetreuer – abhängig von ihren Vorkenntnissen – mit einem Stundensatz zwischen 27 und 44 Euro, erklärt Sebastian Hirschberger, Pressesprecher des Amtsgerichts. Sie erhalten eine Pauschale pro Person, je nachdem, wie viele Stunden für den Betreuten veranschlagt werden.
Richter Marius Lindig, der die Strafsache verhandelt, konnte sich am Donnerstag noch kein endgültiges Urteil bilden. Die Verhandlung wird am Freitag, 1. März, fortgesetzt. Dann soll der Betreute selbst aussagen, obwohl er einem Gutachten zufolge geistig zurückgeblieben und leicht beeinflussbar sei. Sollte der 55-jährige Angeklagte am Ende schuldig gesprochen werden, wird er wohl seinen Job verlieren. So ist es im Gesetz geregelt.