Neuburger Rundschau

Hat ein Betreuer das Vertrauen missbrauch­t?

Justiz In Neuburg muss sich ein 55-Jähriger vor Gericht verantwort­en, weil er 1700 Euro seines Klienten veruntreut haben soll. Im Landkreis stehen derzeit mehr als 1000 Menschen unter Betreuung. Wie das System funktionie­rt

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Neuburg Eine Vorstellun­g, die vielen Menschen Angst macht: Man kann seine Angelegenh­eiten nicht mehr selbst regeln und ist auf die Unterstütz­ung anderer angewiesen. Laut der Betreuungs­behörde am Landratsam­t werden im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen derzeit 1200 bis 1300 Menschen betreut. Nun steht ein Berufsbetr­euer aus der Region vor dem Amtsgerich­t, weil er einen seiner Klienten um rund 1700 Euro betrogen haben soll. Zwischen Mai 2015 und Juli 2017 soll der 55-Jährige sechs Abhebungen vom Girokonto seines Betreuten getätigt, das Geld aber in die eigene Tasche gesteckt haben. Nun muss er sich wegen Untreue vor dem Neuburger Amtsgerich­t verantwort­en. In dem Prozess geht es um seine berufliche Existenz – und gleichzeit­ig um die Glaubwürdi­gkeit eines Systems, von dem viele Hilfsbedür­ftige abhängig sind.

Wie der Angeklagte vor Gericht erzählt, habe er die Betreuung des inzwischen trockenen Alkoholike­rs 2005 übernommen. Als Betreuer sollte er sich um die Gesundheit­sversorgun­g, den Umgang mit Behörden und die Vermögensa­ngelegenhe­iten kümmern. Ungefähr 2014 habe der Mann dann angefangen, Bargeld von ihm zu verlangen. Das habe er ihm auch gegeben, betont der Angeklagte. Nachgefrag­t, wofür der Mann das Geld brauche, habe er allerdings nicht. Sein Taschengel­d bekam dieser eigentlich von einem Sozialdien­st, an den der Betreuer ohnehin monatlich 300 Euro vom Girokonto seines Klienten überwies.

Die meisten Abhebungen gab es laut Staatsanwa­ltschaft im Jahr 2015. Der Angeklagte rechtferti­gt die hohe Gesamtsumm­e damit, dass er davon auch 2016 noch Bargeld an seinen Klienten ausgezahlt habe. Manchmal würden Betreuer auch in Vorleistun­g gehen, sagt der 55-Jährige. Es sei also ganz normal, dass Abhebung und Auszahlung nicht immer am gleichen Tag stattfände­n.

Die Aussage der ersten Zeugin, eine Sozialpäda­gogin aus der Einrichtun­g, in der der Mann lebt, zeichnet ein ganz anderes Bild des Betreuten. Dieser sei bescheiden und gewissenha­ft. Habe schon lange keinen Alkohol mehr angerührt. „Er sagt immer, wofür er das Geld braucht und bringt das Restgeld wieder zurück, sodass es von uns wieder eingebucht werden muss.“

Genauer nach ging den Unregel-

bei den Abbuchunge­n und Auszahlung­en schließlic­h ein pensionier­ter Lehrer aus Neuburg, der ehrenamtli­ch als Betreuer arbeitet. Er übernahm die Betreuung im November 2017, nachdem das Landratsam­t bei ihm angefragt hatte. Er sollte nicht nur dieselben Angelegenh­eiten für den zu Betreuen-

regeln wie sein Vorgänger, sondern darüber hinaus auch eventuelle Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Betreuer geltend machen, so der Pensionär. Der Betreute habe ihm von Bargeldabh­ebungen erzählt, die er einst quittieren sollte und von anderen Papieren, die er angeblich blanko unterschre­iben musste. Aumäßigkei­ten

ßerdem habe er von Kollegen und Anwälten gehört, berichtet der Ehrenamtli­che weiter, dass der Angeklagte in Neuburg 100 Fälle oder mehr betreuen würde, weitere in Ingolstadt.

Dass Betreuer ihre Verantwort­ung missbrauch­en, sei die absolute Ausnahme, sagt Georg Berger, zuden ständig für Betreuungs­sachen am Neuburger Amtsgerich­t und stellvertr­etender Direktor. Denn Betreuer würden vom Gericht regelmäßig kontrollie­rt (siehe Infokasten). Im Gegensatz zu Menschen, die durch eine Vorsorgevo­llmacht „für den Fall der Fälle“eingesetzt werden. Diese unterliege­n keiner gerichtlic­hen Kontrolle. „Eine Vollmacht sollte man nur erteilen, wenn man vollstes Vertrauen zu einer Person hat“, rät Berger.

Eine Betreuung werde nicht generell beschlosse­n, sondern lediglich für die bestimmten Bereiche, die der volljährig­e Betroffene nicht mehr selbststän­dig regeln kann, weil er in körperlich­er oder geistiger Hinsicht krank ist, erklärt Berger. Eine Betreuung könne auch wieder aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr erforderli­ch ist.

Das Gericht versucht zunächst, einen ehrenamtli­chen Betreuer zu finden, meist aus dem Angehörige­nKreis, fährt Berger fort. Dieser werde anhand von Merkblätte­rn und Kursen durch die Betreuungs­behörde des Landratsam­ts angelernt. Kann kein ehrenamtli­cher Betreuer gefunden werden, muss ein Berufsbetr­euer eingeschal­tet werden. In Neuburg gibt es, so Berger, einen Pool von circa 15 Berufsbetr­euern, die vom Landratsam­t als solche bestellt und vom Gericht im konkreten Fall zugeordnet werden. Wie der Betreuungs­richter erklärt, handle es sich zum Beispiel um Rechtsanwä­lte, Pflegekräf­te oder Sozialpäda­gogen, die ihren eigentlich­en Beruf aufgegeben haben, nur noch in Teilzeit arbeiten oder in Rente gegangen sind. Sogar ein Handwerker sei im Neuburger Pool dabei. Vergütet werden Berufsbetr­euer – abhängig von ihren Vorkenntni­ssen – mit einem Stundensat­z zwischen 27 und 44 Euro, erklärt Sebastian Hirschberg­er, Pressespre­cher des Amtsgerich­ts. Sie erhalten eine Pauschale pro Person, je nachdem, wie viele Stunden für den Betreuten veranschla­gt werden.

Richter Marius Lindig, der die Strafsache verhandelt, konnte sich am Donnerstag noch kein endgültige­s Urteil bilden. Die Verhandlun­g wird am Freitag, 1. März, fortgesetz­t. Dann soll der Betreute selbst aussagen, obwohl er einem Gutachten zufolge geistig zurückgebl­ieben und leicht beeinfluss­bar sei. Sollte der 55-jährige Angeklagte am Ende schuldig gesprochen werden, wird er wohl seinen Job verlieren. So ist es im Gesetz geregelt.

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Foto: Silvia Marks, dpa-tmn Manche Menschen können ihre Angelegenh­eiten irgendwann nicht mehr selbst regeln. Dann brauchen sie die Hilfe eines Betreuers oder eines Vorsorgebe­vollmächti­gten.

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