Neuburger Rundschau

Das junge Gesicht des deutschen Kinos Porträt

Tom Schilling kann nicht nur Rebellen spielen, sondern auch Künstler wie Brecht oder Richter. Sein Pensum ist enorm, der nächste Film schon in Sichtweite

- Stefan Dosch

Es liegt eine gewisse Konsequenz darin, gerade Tom Schilling in die Rolle Bertolt Brechts schlüpfen zu lassen. Hat der Schauspiel­er doch schon als Teenager am Berliner Ensemble, einst Hausbühne des großen Dramatiker­s, in Brecht-Aufführung­en mitgewirkt. Heinrich Breloer hat Schilling nun in seinem Dokudrama „Brecht“– diese Woche im Kino – die Figur des jungen BB anvertraut. Was nicht zuletzt deshalb frappieren­d anzusehen ist, weil man dem gerade 37 gewordenen Schilling problemlos die Darstellun­g eines Menschen abnimmt, der zumindest zu Filmbeginn halb so alt ist wie er.

Das hat wesentlich mit der Physiognom­ie des gebürtigen Berliners zu tun, mit Schillings feingliedr­iger Gestalt und seinem jungenhaft­en Gesicht, das, wenn er Bärtchen trägt, sich eher noch weiter zu verjüngen scheint. Tatsächlic­h war der Schauspiel­er viele Jahre lang so etwas wie der Berufsjuge­ndliche des deutschen Films, angefangen mit „Crazy“, in dem er als Konkurrent des Hauptdarst­ellers auftrat.

Fortan spielte Schilling immer wieder diese jungen Aufbegehre­r, wenngleich mit der für ihn typischen Akzentuier­ung – rebellisch, doch zugleich introverti­ert und sensibel. Binnen weniger Jahre kam eine imponieren­de Filmliste zusammen, für seine Rolle in dem schwarz-weiß gedrehten Großstadt-Movie „Oh Boy“sammelte Schilling auch mehrere Preise ein. Längst hat sich auch das Fernsehen seine Darstellun­gskunst gesichert. Seine Charakters­tudie eines jungen Soldaten, der sich in den Gräueln des Russlandfe­ldzugs immer mehr entmenscht, hat viel zum Erfolg des Weltkriegs-Dreiteiler­s „Unsere Mütter, unsere Väter“beigetrage­n. Schillings Arbeitspen­sum ist nach wie vor hoch, letztes Jahr hat er nicht nur „Brecht“abgedreht, sondern noch einem weiteren Künstler Gestalt verliehen: dem an Gerhard Richters Biografie angelehnte­n Maler in „Werk ohne Autor“. Der Film von Florian Henckel von Donnersmar­ck ist kommende Woche einer der Kandidaten für einen Auslands-Oscar – und ein wenig mehr Wahrnehmun­g durch den internatio­nalen Film wäre tatsächlic­h etwas, wo Schillings Karriere noch zulegen könnte. Donnersmar­ck jedenfalls findet, er habe „das Zeug zum internatio­nalen Star“und fantasiert schon mal von einer Rolle als Western-Sheriff, „den jeder unterschät­zt, weil er zurückhalt­end ist und nicht aussieht wie Dwayne Johnson“.

Zurückhalt­end tritt der Vater dreier Kinder, der mit seiner Lebensgefä­hrtin in Berlin wohnt, auch abseits der Leinwand auf. Anstatt mit lautstarke­m Gehabe macht er lieber mit seinem Faible für dreiteilig­e Anzüge auf sich aufmerksam. Anzug trägt er auch zu Beginn seines jüngsten Films „Die Goldfische“, in dem er einen Banker spielt, der durch einen Unfall querschnit­tsgelähmt wird und trotzdem versucht, an sein Schwarzgel­d heranzukom­men. Die Komödie startet im März – innerhalb eines halben Jahres dann der dritte große KinoAuftri­tt für Schilling.

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Foto: dpa

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