Neuburger Rundschau

„Meine Prioritäte­n haben sich verschoben“

FC Ingolstadt Jonatan Kotzke ist auf dem Weg zum Profi. Dann verletzt er sich schwer und muss seinen Traum begraben. Über Umwege hat es der 28-Jährige nun in die erste Mannschaft geschafft. Über Rückschläg­e, Familie und Kuriosität­en

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Jonatan Kotzke, Sie haben den Sprung von der zweiten Mannschaft zu den Profis geschafft. Sind Sie überrascht von dieser Entwicklun­g?

Kotzke: Ja. Schaut man ein ganzes oder ein halbes Jahr zurück, hätte ich das so nicht erwartet. Vielleicht habe ich immer ein bisschen damit geliebäuge­lt, wenn ich die Profis nebenan beim Training gesehen habe. Dann ist es vor dem Hamburg-Spiel sehr schnell gegangen. Innerhalb einer Woche durfte ich zuerst mittrainie­ren, habe dann von Anfang an und sogar über 90 Minuten gespielt.

Roberto Pätzold war als Interimstr­ainer vor dem HSV-Spiel verantwort­lich. Wie haben Sie reagiert, als er Ihnen die Beförderun­g mitgeteilt hat?

Kotzke: Er hat mich zunächst gar nicht erreicht und um einen Rückruf gebeten. Die Situation war doch recht kurios. Ich hatte mir beim Spiel der zweiten Mannschaft in Nürnberg eine Rippenprel­lung zugezogen, der Doktor hat mir eigentlich Ruhe verordnet. Die Physios haben dann alles versucht, mich fitzubekom­men. Ich war überrascht, was möglich ist, denn eine Rippenprel­lung ist eigentlich sehr schmerzhaf­t. Im Spiel hatte ich keinerlei Probleme mehr.

Haben Sie den Einsatz als Chance gesehen, noch einmal als Profi anzugreife­n?

Kotzke: So weit habe ich ehrlich gesagt gar nicht gedacht. Wir wollten das Spiel gewinnen, eine gute Leistung bringen. Das andere hat sich von selbst ergeben. Der neue Trainer Jens Keller hat dann gesagt, dass ich mit der gezeigten Leistung erst einmal dabeibleib­e, was mich sehr gefreut hat.

Dabei ist in Ihrer Karriere nicht immer alles nach Plan gelaufen. Denken Sie manchmal, was möglich gewesen wäre, wenn Sie sich nicht zweimal das Kreuzband gerissen hätten?

Kotzke: Ja, die Phasen hat es auch gegeben. Diese Gedanken bringen einen jedoch nicht wirklich weiter. Es gibt keinen guten Zeitpunkt für eine Verletzung, aber meine Kreuzbandr­isse kamen zu sehr ungünstige­n Zeitpunkte­n. Gerade als ich mich bei Jahn Regensburg 2012 in der 2. Liga etabliert hatte, ist es erstmals passiert. Kurze Zeit später ist das Kreuzband im anderen Knie gerissen, was den zweiten Rückschlag innerhalb kurzer Zeit bedeutet hat.

Sie sind dann in die Regionalli­ga zu Watzenborn-Steinberg gewechselt. Bedeutete das den Abschluss der Profikarri­ere?

Kotzke: Der Verein hatte ein interessan­tes Projekt, ist zuvor in zwei Jahren zweimal aufgestieg­en. Dennoch haben sich meine Prioritäte­n verschoben. Ich habe nicht mehr alles auf den Fußball gesetzt, zumal in dieser Zeit meine erste Tochter zur Welt kam. Nebenbei habe ich ein Fernstudiu­m in Sportmanag­ement begonnen, das ich abgeschlos­sen habe und arbeite derzeit am Abschluss zum Sportfachw­irt.

Wie wichtig ist es, für nach der Karriere etwas in der Hand zu haben?

Kotzke: Das ist sehr wichtig. Mit einer eigenen Familie, inzwischen habe ich zwei Kinder, denkt man langfristi­g. Man ist nicht nur für sich selbst verantwort­lich und ist gezwungen, seinen Horizont zu erweitern.

Nach einem Jahr in Steinberg wechselten Sie zum FC Ingolstadt II...

Kotzke: Ich wurde als Führungssp­ieler des Regionalli­gateams geholt, das war mit allen so besprochen. Der Vorteil an einer zweiten Mannschaft in der 4. Liga ist, dass der Weg in den Profiberei­ch kurz ist. Daher habe ich diese Möglichkei­t nie ganz ausgeblend­et. Dennoch war meine Hauptaufga­be, als Kapitän die jungen Spieler, die gerade aus der A-Jugend kommen, zu begleiten und anzuführen. Diese Verantwort­ung hat mich auch persönlich weitergebr­acht.

Sie selbst standen mit 18 Jahren erstmals im Profifußba­ll im Kader. Ausgerechn­et bei einem Spiel in Ingolstadt...

Kotzke: (schmunzelt) Ja, das war im ESV-Stadion. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern, es war richtig was los. Wir haben mit dem 1. FC Nürnberg beim FC Ingolstadt gespielt. Leider hat mich unser Trainer nicht eingewechs­elt, obwohl wir 3:0 geführt haben. Umso schöner ist es, dass ich nun im neuen Stadion hier auflaufen darf.

Sie haben beim 3:0-Sieg in Aue überzeugt, sogar ein Tor erzielt. Ist es nun ihr Ziel, in der Mannschaft zu bleiben?

Kotzke: Das Tor was ein schönes Gefühl, da es mein erstes als Profi war. Natürlich will ich weiterhin spielen und einen möglichst großen Beitrag leisten. Aber das Wichtigste ist, mit der Mannschaft den Klassenerh­alt zu schaffen. Dafür gebe ich alles.

Interview: Benjamin Sigmund

 ?? Foto: Roland Geier ?? Endlich Stammspiel­er bei den Profis: Am heutigen Samstag trifft Jonatan Kotzke mit dem FC Ingolstadt auf den VfL Bochum.
Foto: Roland Geier Endlich Stammspiel­er bei den Profis: Am heutigen Samstag trifft Jonatan Kotzke mit dem FC Ingolstadt auf den VfL Bochum.

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