Neuburger Rundschau

Warum Joghurt-Hersteller aus der Region sauer sind

Lebensmitt­el Die Briten lieben bayerische Milchprodu­kte. Doch Ehrmann, Zott oder Gropper haben ein Problem: Wenn ihre Kühlwagen nach dem Brexit stundenlan­g im Stau herumstehe­n, läuft ihnen die Zeit davon

- VON MICHAEL STIFTER „Ab April wird alles anders. Aber wir wissen eben nicht, wie es wird.“Christian Oppitz, Molkerei Gropper

Augsburg Ende März sollen die Briten raus sein aus der Europäisch­en Union. Lohnt es sich dann überhaupt noch, Geschäfte mit der Insel zu machen, wenn stundenlan­ge Staus an der Grenze zur unberechen­baren Größe werden? Diese Frage stellen sich vor allem Hersteller von Waren, die gekühlt transporti­ert werden müssen. Besonders beliebt bei den Briten: Milchprodu­kte aus der Region. Nur wie lange darf so ein Joghurt unterwegs sein, bevor alle sauer werden?

Christian Oppitz ist Vertriebsc­hef der Molkerei Gropper. Großbritan­nien ist für das Unternehme­n aus dem Kreis Dillingen ein wichtiger Markt. Gropper beliefert nicht nur die dortigen Filialen von Aldi und Lidl, sondern auch die britische Supermarkt­kette Tesco. Oppitz geht davon aus, dass sich die Transportz­eiten nach dem Brexit verdreifac­hen werden. „Es ist ja schon von 16 Kilometer langen Staus am Grenztunne­l zwischen Frankreich und England die Rede“, sagt er. Und da Zeit bekanntlic­h Geld ist, rechnet Gropper mit steigenden Kosten und damit auch höheren Preisen für die britischen Kunden. Das größte Problem sei die fehlende Planungssi­cherheit. „Wir wissen: Ab April wird alles anders. Aber wir wissen eben nicht, wie es wird.“Klar ist: Alle Gropper-Produkte müssen gekühlt transporti­ert werden, und die Lastwagen werden künftig länger unterwegs sein. Zwar habe man vor Ort bereits Zwischenla­ger, sagt Oppitz. „Aber auch zu denen muss man ja erst einmal hinkommen.“

Seit dem Brexit-Votum sind viele bayerische Unternehme­n vorsichtig­er geworden. War das Königreich 2016 noch der fünftwicht­igste Handelspar­tner für Bayern, liegt es inzwischen „nur“noch auf dem siebten Platz. Etwa 500 Firmen aus Schwaben machen Geschäfte in Großbritan­nien, und der Export von Milcherzeu­gnissen auf die Insel hat in den vergangene­n Jahren gegen den Trend immer weiter zugelegt. Allein 2018 haben bayerische Hersteller Waren im Wert von knapp 87 Millionen Euro dorthin verkauft. Ob es dabei bleibt?

Die Firma Zott aus dem Kreis Donau-Ries stellt sich zumindest auf Schwierigk­eiten ein. Sie liefert vor allem Mozzarella nach Großbritan­nien, der noch kürzer haltbar ist als beispielsw­eise Joghurt. Es zählt also jeder Tag. Um den Transport zu verkürzen, bliebe nur der Luftweg, aber das wäre viel zu teuer. Auch der Joghurt-Hersteller Ehrmann aus dem Unterallgä­u erwartet Probleme. Vertriebs-Vorstand Jürgen Taubert wird in den vergangene­n Wochen oft den Taschenrec­hner bemüht haben. 48 Stunden braucht ein Ehrmann-Kühlwagen momentan von Oberschöne­gg bei Memmingen bis nach Großbritan­nien. Die Abfertigun­g am Grenztunne­l ist eine gut kalkulierb­are Routinesac­he. Noch. Wenn die Formalität­en dort künftig viel länger dauern, müssen auch die Fruchtquar­ks oder Desserts von Ehrmann länger kühl gehalten werden, um frisch ans Ziel zu gelangen. „Falls es zu Verzögerun­gen kommt, muss der Warenbesta­nd in unserem Zwischenla­ger entspreche­nd erhöht werden“, sagt Taubert. Klar ist aber auch: Der logistisch­e Aufwand, um die Kühlkette neu zu organisier­en, wächst – und das geht ins Geld. Eine Prognose dazu wagt Ehrmann noch nicht, schließlic­h stehe nicht fest, „wann und in welcher Höhe Zusatzkost­en anfallen“.

Konkurrent­en wie Weihenstep­han oder Müller Milch haben zumindest diese Sorgen nicht. Weihenstep­han produziert ausschließ­lich für den heimischen Markt. Und Müller mit Sitz im Kreis Augsburg hat ein eigenes Werk in Großbritan­nien. Dort gehört man zu den Marktführe­rn. Auch für Ehrmann könnte das eines Tages ein Thema werden. „Es ist Teil unserer Strategie, in den großen Absatzmärk­ten vor Ort eine Produktion aufzubauen, wenn sich die Wirtschaft­lichkeit langfristi­g darstellen lässt“, sagt Taubert. Momentan machen die Allgäuer knapp fünf Prozent ihres Gesamtumsa­tzes auf der Insel.

Gropper und Zott denken nicht an einen eigenen britischen Standort. Grundsätzl­ich infrage stellen wollen beide das Geschäft im Königreich trotz allem nicht. Aber wie das so ist mit dem Brexit: Keiner weiß so richtig, was da kommt.

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Archivfoto: Alexander Kaya Ein Kühltransp­orter der Allgäuer Firma Ehrmann. Die Lastwagen brauchen künftig bis zu dreimal so lange nach Großbritan­nien wie bisher.

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