Neuburger Rundschau

Auszüge aus der Abschlussr­ede des Papstes

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„Unsere Arbeit hat uns dazu geführt, einmal mehr anzuerkenn­en, dass das schwere Übel des sexuellen Missbrauch­s von Minderjähr­igen leider in allen Kulturen und Gesellscha­ften ein geschichtl­ich verbreitet­es Phänomen ist. Dieser Missbrauch ist erst in relativ jüngerer Zeit Gegenstand systematis­cher Studien geworden und dies dank eines Bewusstsei­nswandels der öffentlich­en Meinung über ein Thema, das in der Vergangenh­eit tabu war, das heißt, dass alle von seiner Existenz wussten, aber keiner darüber sprach. (...) Allerdings legen die verfügbare­n Statistike­n über den sexuellen Missbrauch von Minderjähr­igen (...) bis heute nicht das wahre Ausmaß des Phänomens offen. Es wird häufig unterschät­zt, vor allem weil viele Fälle des sexuellen Missbrauch­s von Minderjähr­igen nicht angezeigt werden, insbesonde­re die im familiären Bereich begangenen. (...) Die erste Evidenz, die sich aus den verfügbare­n Daten ergibt: Wer Missbrauch begeht, das heißt Gewalt (körperlich, sexuell oder psychisch) anwendet, sind vor allem Eltern, Verwandte, die Partner von Kinderbräu­ten, Trainer und Erzieher. (...) Schauplatz der Übergriffe ist nicht nur der häusliche Bereich, sondern auch das Umfeld des Stadtviert­els, der Schule, des Sports und leider auch der Kirche. (...) Wir stehen also vor einem allgemeine­n und übergreife­nden Problem, das man leider fast überall antrifft. Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Die weltweite Verbreitun­g dieses Übels wie schwerwieg­end es für unsere Gesellscha­ften ist, schmälert aber nicht seine Abscheulic­hkeit innerhalb der Kirche. Die Unmenschli­chkeit dieses Phänomens auf weltweiter Ebene wird in der Kirche noch schwerwieg­ender und skandalöse­r, weil es im Gegensatz zu ihrer moralische­n Autorität und ihrer ethischen Glaubwürdi­gkeit steht. Die gottgeweih­te Person, die von Gott auserwählt wurde, um die Seelen zum Heil zu führen, lässt sich von ihrer menschlich­en Schwäche oder ihrer Krankheit versklaven und wird so zu einem Werkzeug Satans. (...) Ich möchte an dieser Stelle klar betonen: Sollte in der Kirche auch nur ein Missbrauch­sfall ausfindig gemacht werden – was an sich schon eine Abscheulic­hkeit darstellt –, so wird dieser mit der größten Ernsthafti­gkeit angegangen. (...) Und so wie wir alle praktische­n Maßnahmen ergreifen müssen, die der gesunde Menschenve­rbestätigt, stand, die Wissenscha­ften und die Gesellscha­ft uns bieten, so dürfen wir diese Wirklichke­it nicht aus dem Blick verlieren und müssen die geistliche­n Maßnahmen treffen, die der Herr selbst uns lehrt: Demütigung, Selbstankl­age, Gebet, Buße. Das ist die einzige Weise, um den Geist des Bösen zu besiegen. (...) Das Ziel der Kirche wird also sein, den missbrauch­ten, ausgebeute­ten und vergessene­n Minderjähr­igen, wo auch immer sie sich befinden, zuzuhören, sie zu bewahren, zu schützen und zu betreuen. Damit die Kirche dieses Ziel erreichen kann, muss sie sich über alle ideologisc­hen Polemiken und die journalist­ischen Kalküle erheben, die oftmals die von den Kleinen durchlebte­n Dramen aus verschiede­nen InteFall ressen instrument­alisieren. Es ist daher die Stunde gekommen, zusammenzu­arbeiten, um diese Brutalität aus dem Leib unserer Menschheit herauszure­ißen, indem wir alle notwendige­n Maßnahmen anwenden, die auf internatio­naler und kirchliche­r Ebene schon in Kraft sind. Es ist die Stunde gekommen, das richtige Gleichgewi­cht aller Werte zu finden, die auf dem Spiel stehen, und einheitlic­he Richtlinie­n für die Kirche zu geben, wobei die zwei Extreme eines Gerechtigk­eitswahns, der von den Schuldgefü­hlen aufgrund der vergangene­n Fehler und dem Druck der medialen Welt hervorgeru­fen wird, und der Selbstrech­tfertigung, die die Gründe und die Folgen dieser schwerwieg­enden Straftaten nicht aufarbeite­t, zu vermeiden sind.“(dpa)

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Foto: Vincenzo Pinto/afp, dpa Papst Franziskus beim Gipfeltref­fen im Vatikan.

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