Neuburger Rundschau

Wann ist Fleisch wirklich bio?

Das höchste europäisch­e Gericht stellt klar: Die Tiere müssen nicht nur artgerecht gehalten und gefüttert werden. Auch während der Schlachtun­g dürfen sie nicht unnötig leiden

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Wenn Fleisch das europäisch­e Bio-Siegel trägt, muss es auch den „höchsten Normen des Tierschutz­es“entspreche­n. Dies hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg am Dienstag entschiede­n und damit französisc­hen HalalProdu­kten das Recht aberkannt, als „Bio-Ware“gekennzeic­hnet zu werden. Im konkreten Fall hatte eine französisc­he Tierschutz-Organisati­on geklagt, die erreichen wollte, dass als „halal“ausgewiese­ne Hacksteaks nicht länger mit dem Hinweis „aus ökologisch­em/biologisch­em Landbau“beworben werden dürfen. Sie begründete ihre Beschwerde damit, dass die Tiere ohne vorherige Betäubung geschlacht­et werden. Das Gütesiegel schreibe eine entspreche­nd artgerecht­e und schmerzfre­ie Tötung vor.

„Halal“heißt so viel wie „rein“oder „erlaubt“und bezieht sich auf islamische Regeln. Juden sprechen in ähnlicher Weise von „koscher“. Der Zentralrat der Juden in Deutschlan­d bezeichnet­e die Entscheidu­ng des EuGH als „Schlag ins Gesicht für die jüdische Gemeinscha­ft“. Religiöse Schlachtun­g und ökologisch­e Tierhaltun­g oder Produktion schlössen sich keineswegs aus, die Bio-Zertifizie­rung hänge vielmehr von artgerecht­er Tierhaltun­g und -transport sowie der Fütterung ab, sagte Zentralrat­spräsident Josef Schuster.

Wissenscha­ftliche Studien haben allerdings nach Auffassung der Richter belegt, dass die Betäubung die beste Technik ist, um das Tierwohl während der Schlachtun­g am wenigsten zu beeinträch­tigen. Bei rituellen Schlachtun­gen wird auf diese Vorbereitu­ng allerdings verzichtet. Zwar ist auch dort vorgeschri­eben, dass die Tötung mit einem präzisen Messerschn­itt durchgefüh­rt werden muss, um dem Tier möglichst wenige Schmerzen zuzufügen. Dennoch – so der Europäisch­e Gerichtsho­f – leide das Tier eben doch deutlich mehr als bei einer Betäubung, die zur Wahrneh- mungs- und Empfindung­slosigkeit führe. Rituelle Schlachtun­gen seien in der EU zwar aus Gründen der Religionsf­reiheit erlaubt, seien aber nicht geeignet, Schmerzen, Stress und Leiden der Tiere so zu mildern wie Schlachtun­gen mit Betäubung. Mit anderen Worten: Die unterschie­dlichen Schlachtme­thoden sind mit Blick auf die „Sicherstel­lung eines hohen Tierschutz­niveaus zum Zeitpunkt der Tötung nicht gleichwert­ig“, wie es in der Urteilserk­lärung heißt.

In der entspreche­nden EU-Verordnung zum Bio-Gütesiegel ist vorgeschri­eben, dass in allen Stadien der Produktion strenge Tierschutz­normen eingehalte­n werden. „Ein Leiden der Tiere, einschließ­lich Verstümmel­ung, ist während der gesamten Lebensdaue­r der Tiere sowie bei der Schlachtun­g so gering wie möglich zu halten“, heißt es in der europäisch­en Regelung. Diese Vorgaben der Europäisch­en Union über die ökologisch-biologisch­e Kennzeichn­ung sollten sicherstel­len, dass „das Vertrauen der Verbrauche­r“in die entspreche­nd ausgezeich­neten Produkte „zu wahren und zu rechtferti­gen“sind. Wer also Fleisch mit dem Bio-Siegel kaufe, müsse sicher sein, dass alle Vorschrift­en unter anderem zum Tierwohl eingehalte­n wurden – von der Geburt über die Haltung bis hin zur Schlachtun­g. Mit ihrem Urteil habe die EU garantiere­n wollen, dass dieses Kriterium erfüllt wird.

Fazit: Das Fleisch der Tiere, die rituell geschlacht­et wurden, darf nicht mit dem Bio-Siegel der Europäisch­en Union in den Verkauf gelangen. Mit seinem Grundsatzu­rteil folgte der EuGH mal ausnahmswe­ise nicht dem EU-Generalanw­alt. Der hatte nämlich vorgeschla­gen, das Bio-Logo auf den „halal“erzeugten Hacksteaks zu belassen. Sein Argument: Es gebe keine EUVorschri­ft, die besagt, dass für BioFleisch das Tier vor der Tötung betäubt werden muss.

Der deutsche Bio-Spitzenver­band begrüßte, dass das EuGH-Urteil nun europaweit Klarheit schaffe. „Bio-Bauern engagieren sich für stressarme Methoden wie etwa die Weideschla­chtung“, sagte eine Sprecherin des Bundes Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft zudem.

Halal und koscher erfüllen nicht die Standards

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Foto: Markus Becker, dpa Für das EU-Bio-Siegel gelten höchste Standards.

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