Neuburger Rundschau

Das Ende vom Lied

Kurt Cobain und seine Band spielten vor 25 Jahren letztmals öffentlich – in München

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München Ausgerechn­et bei ihrem letzten Konzert fehlte ihr größter Hit. „Die haben ,Teen Spirit’ einfach nicht gespielt“, sagt Gerhard Emmer. „Das war schon merkwürdig – irgendwie unvollende­t.“Der Münchner Emmer war dabei am 1. März 1994. Er wusste damals nicht, dass er Zeuge eines historisch­en Moments wurde. Der Auftritt im Terminal 1 des ehemaligen Flughafens München-Riem war das letzte Nirvana-Konzert überhaupt. Der Rest der Tour wurde abgesagt, nachdem die Ehefrau von Kurt Cobain, Courtney Love, ihren Mann bewusstlos in einem Hotelzimme­r in Rom gefunden hatte, vollgepump­t mit Schlafmitt­eln und Alkohol. Rund einen Monat später, am 5. April 1994, nahm Cobain sich im Alter von 27 Jahren in seinem Haus in Seattle das Leben. Er schoss sich mit einer Schrotflin­te in den Kopf.

Bis auf „Smells Like Teen Spirit“, die damalige Hymne der wütenden Jugend, der Grundstein für den weltweiten Erfolg der Band, spielten Nirvana an jenem Tag in München alle großen Hits. „Come As You Are“, „All Apologies“und das David-Bowie-Cover „The Man Who Sold The World“. Das letzte Lied, das Cobain jemals bei einem Konzert spielen sollte, war „HeartShape­d Box“vom Album „In Utero“, geschriebe­n für Courtney Love. Nirvana waren damals auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Das Terminal 1 in Riem war ausverkauf­t, es sollte sogar noch ein Zusatzkonz­ert in München geben. Das wurde aber kurzfristi­g abgesagt, weil Cobain Probleme mit der Stimme hatte. Auf der offizielle­n Nirvana-Homepage der Plattenfir­ma Universal ist das Münchner Konzert nicht einmal mehr vermerkt. Der letzte Eintrag in der Bandgeschi­chte ist der 6. Februar 1994: „Nirvana machen sich auf zu einer EuropaTour­nee.“

Gerhard Emmer hat heute noch das Konzert-Ticket von damals. 35 D-Mark zahlte er im Vorverkauf für ein Stück Musikgesch­ichte, das sich für ihn 1994 noch nicht wie ein solches anfühlte. „Es war auffällig, dass irgendwie die Luft raus war“, sagt der heute 53-Jährige. „Die haben lustlos ihr Programm runtergesp­ult.“Erschöpft habe Cobain gewirkt, unkonzentr­iert. Man habe „gemerkt, der ist mit der ganzen Situation, mit dem großen Ruhm überforder­t“. Heute sagt man, der schwer drogenabhä­ngige Cobain sei zerbrochen am Ruhm und am Druck, Idol und Sprachrohr einer ganzen Generation sein zu müssen. In seinem Abschiedsb­rief – zeitweise gab es den auf T-Shirts gedruckt zu kaufen – schrieb er, er wolle seinen Fans nicht länger etwas vorgaukeln, sie nicht abkassiere­n. „Er hat sich mit seinem Selbstmord unsterblic­h gemacht“, sagte Rolling StoneChefr­edakteur Sebastian Zabel zu Cobains 50. Geburtstag vor zwei Jahren – wie andere Rockstars vor und nach ihm, die ihren 28. Geburtstag nicht erlebten: Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Amy Winehouse, der „Club 27“.

Gerhard Emmer war damals mit ein paar Kumpels auf dem Konzert. „Wir waren alle schon um die 30 und für uns war es sicher nicht das beste Konzert, das wir jemals gesehen haben. Aber für die Teenies damals war das schon cool. Die waren einfach froh, dass sie ihren Gott gesehen haben.“Noch heute werde er oft auf das Konzert angesproch­en, sagt Emmer. Viele seien neidisch, weil er dabei war im Terminal 1. Er selbst sieht es anders. „Ich bin neidisch auf meine Kumpels, die 1989 dabei waren im Circus Gammelsdor­f“, dem legendären Klub in einem Dorf zwischen München und Regensburg. „Da war alles noch viel kleiner, da waren Nirvana noch die Vorband. Das muss ein fantastisc­hes Konzert gewesen sein.“

Britta Schultejan­s, dpa

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Foto: Frank Ockenfeld/Universal Kurt Cobain (rechts) und seine Bandkolleg­en.

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