Neuburger Rundschau

Der ewige Gaudi-Bursch

Sepp Maier hat im Fußball alles gewonnen. In den 70er Jahren war er einer der besten Torhüter der Welt und für jeden Spaß zu haben. Er konnte aber auch ganz anders sein

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Mitunter lässt einen das Leben weite Umwege gehen, ehe man den Ort seiner Bestimmung erreicht. Im Fall von Sepp – bürgerlich Josef Dieter – Maier, geboren 1944 im niederbaye­rischen Metten, war es so, dass er seine Fußball-Karriere als Mittelstür­mer beim TSV Haar begann. Auf dem Spielfeld also in maximaler Entfernung zum Torhüterpo­sten der eigenen Mannschaft, mit dem er nichts zu tun haben wollte. Torhüter waren im damaligen Verständni­s keine Fußballer. Beim Wiesenbolz mussten die übrig Gebliebene­n, denen keiner einen Zweimeterp­ass zutraute, ins Tor. Der dürre Sepp, der mittlere dreier Brüder, wollte da nicht hin. Eines Tages musste er doch. Der Stammtorhü­ter war ausgefalle­n und Sepp schien mit seinen 1,85 Metern groß genug für den Posten.

Es war der Beginn einer der glanzvolls­ten deutschen FußballKar­rieren. Hier hatte einer seine Bestimmung gefunden. Der FC Bayern lockte den dürren Kerl in seine A-Jugend, 1962 unterschri­eb Maier einen Vertrag bei den Münchnern. Tagsüber hat er als Maschinens­chlosser gearbeitet, abends trainiert. Maier hat nie für einen anderen Klub gespielt. 17 Jahre FC Bayern, 699 Partien für die Roten, Rekordspie­ler. 95 Einsätze in der Nationalel­f. Weltmeiste­r, Europameis­ter, vielfacher deutscher Meister und Pokalsiege­r, Europacups­ieger der Pokalsiege­r und Landesmeis­ter. Maier war in den 70er Jahren einer der besten Torhüter der Welt. Irgendwann hat er dafür das Prädikat „Die Katze von Anzing“erhalten, was ein geografisc­her Hinweis auf seinen Wohnort im Landkreis Ebersberg ist, seiner Spielweise allerdings nur am Rande entsprach. Maiers Spiel war nicht katzenhaft und selten spektakulä­r – abgesehen vom WM-Finale 1974, als er die deutsche 2:1-Führung gegen Holland mit atemberaub­enden Reflexen ins Ziel brachte. Maier wusste, wo er zu stehen hatte. Einen Ball, an dem er seine Finger hatte, ließ er nicht mehr los. Dabei halfen ihm Handschuhe mit Frotteebes­atz, die er zu Recht seine Erfindung nennen durfte und die später, in modifizier­ter Form, serienmäßi­g in Produktion gingen. Was Maier über Fußball hinaus Popularitä­t verschafft­e, war sein komödianti­sches Talent. Er hat den Gaudibursc­hen im Profi-Fußball eingeführt. Wenn sich irgendwo etwas auf den Kopf stellen lässt, greift Maier zu. Da scheut er auch keinen Altherren- Gaudi machen, wie er es nennt, war für ihn immer so wichtig wie Leistung abliefern und hart dafür arbeiten. Sosehr er ein Spaßvogel ist, was ihm auch eine Rolle in einem Thoma-Lausbubenf­ilm beschert hat, so sehr ist er auch Grantden ler, dem man nicht versuchen sollte, einen Scherz zu entlocken. Einer, der die vermeintli­ch so guten alten Fußball-Zeiten preist, in denen Spieler noch miteinande­r befreundet waren und am Ende der Karriere die Lotto-Toto-Annahmeste­lle warwitz. tete. Als Maier 1979 seine Karriere beendete, gehörte ihm eine glänzende florierend­e Tennisanla­ge, die er selbst betrieb. Etwa 1200 Mark hat er nach eigenen Worten anfangs als Profi beim FC Bayern verdient. Die Millioneng­ehälter kamen später. Aus dem Tor, in das er anfangs nie wollte, hat er sich später schweren Herzens verabschie­det. Ein Verkehrsun­fall auf dem Heimweg nach Anzing leitete das Ende ein. Die Bayern hatten zuvor ein Testspiel in Ulm haushoch gewonnen. Maier unterhielt das Publikum, baute im Strafraum eine Sandburg. Auf dem Heimweg gab’s noch ein Pils. Maier rauscht zu schnell in ein Gewitter. Aquaplanin­g. Kracht in ein entgegenko­mmendes Fahrzeug. Was zunächst niemand ahnt: Er ist lebensgefä­hrlich verletzt. Milz- und Lungenriss, schwere innere Blutungen. Uli Hoeneß, Jung-Manager des FC Bayern, veranlasst seine Verlegung ins Klinikum Großhadern. Maier sagt später: „Der Uli hat mir das Leben gerettet.“

Doch Maier macht danach kein Spiel mehr für den FC Bayern. Es ist ein bitteres Ende. Trainer Pal Csernai setzt auf den jungen Walter Junghans. Immerhin: Maier wird Torwarttra­iner. Erst beim Rekordmeis­ter, dann in der Nationalma­nnschaft. Oliver Kahn ist sein Schützling. Er ergreift offen Partei für ihn, nachdem der neue Teamchef Jürgen Klinsmann offenbar darüber nachdenkt, Jens Lehmann für die WM 2006 als Nummer 1 zu installier­en. Darauf feuert Klinsmann den Alten durch die Hintertür. Wie in solchen Fällen, in denen einer dem Maier Sepp vors Schienbein tritt, kam direkt und ohne diplomatis­che Verrenkung­en der Konter. „Eine linke Tour, linke Bazille und linker Schleimer“, urteilt er sich in Rage.

Heute, einen Tag vor seinem 75. Geburtstag, hat Sepp Maier deutlich Abstand vom Fußball genommen. Er kommt, wenn der FC Bayern ruft. Darüber hinaus verbringt der Vater einer erwachsene­n Tochter aus erster Ehe viel Zeit auf dem Golfplatz. Eine große Party wird es morgen nicht geben. Maier feiert schon seit Jahren keinen Geburtstag mehr. Auf die große Gaudi wird er also verzichten. Wer Glück hat, trifft ihn mit seiner zweiten Frau Monika in Südtirol „bei einem Wiener Schnitzel mit Kartoffels­alat“.

 ?? Fotos (3): dpa ?? Hauptsache etwas auf dem Kopf: Sepp Maier mit der WM-Trophäe 1974 in München und später als Torwarttra­iner und Hütchenspi­eler in der Nationalma­nnschaft.
Fotos (3): dpa Hauptsache etwas auf dem Kopf: Sepp Maier mit der WM-Trophäe 1974 in München und später als Torwarttra­iner und Hütchenspi­eler in der Nationalma­nnschaft.
 ??  ?? Sepp Maier bevorzugte als Torhüter einen nüchternen Stil. Wenn es die Umstände aber erforderte­n, wurde er auch zum Flieger.
Sepp Maier bevorzugte als Torhüter einen nüchternen Stil. Wenn es die Umstände aber erforderte­n, wurde er auch zum Flieger.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany