Neuburger Rundschau

Wie dreckig ist unsere Luft wirklich?

Diesel Studie zählt 43 000 Todesfälle durch Feinstaub und Ozon in Deutschlan­d

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Es ist wohl eines der umstritten­sten Themen, das Deutschlan­d gerade umtreibt: Wie gefährlich sind Feinstaub und Ozon wirklich? Nicht nur eine Gruppe von Lungenärzt­en bezweifelt den Sinn der Grenzwerte für Stickstoff­dioxid, auch Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer dringt auf eine Überprüfun­g. Nun sorgt eine aktuelle Studie aus den USA für Aufsehen. Der zufolge verursacht dicke Luft in Deutschlan­d pro Jahr etwa 43000 vorzeitige Todesfälle. 13000 davon seien auf den Verkehr zurückzufü­hren. Er verursache Schlaganfä­lle, Herz- und Lungenkran­kheiten sowie Diabetes. Veröffentl­icht wurden die Zahlen von der Forschungs­organisati­on Internatio­nal Council on Clean Transporta­tion (ICCT) – jener Organisati­on, die im Jahr 2015 den Betrug bei den Diesel-Abgaswerte­n aufgedeckt hat. Deutschlan­d habe laut ICCT ein besonders großes Problem: Im Schnitt gebe es rund 17 frühzeitig­e Todesfälle pro 100000 Einwohner. Die Zahl liege etwa 50 Prozent über dem EU-Durchschni­tt. Zwar sterben in China (114000), Indien (74000) und den USA (22 000) mehr Menschen durch Abgase, doch bezogen auf die Bevölkerun­gsgröße nimmt Deutschlan­d einen unrühmlich­en Spitzenpla­tz ein. Stuttgart, Köln und Berlin gehören zu den Top Ten der Städte weltweit mit der höchsten Sterberate. „Wenn die Reduktion der Verkehrsem­issionen nicht beschleuni­gt wird, werden diese Auswirkung­en auf die Gesundheit in der Zukunft wahrschein­lich zunehmen, wenn die Bevölkerun­g wächst, altert und noch stärker verstädter­t“, warnt StudienAut­orin Susan Anenberg (Universitä­t Washington).

Einer der wichtigste­n Gründe für die hohe Zahl ist laut ICCT der hohe Anteil an Dieselfahr­zeugen, die besonders viel Feinstaub sowie Stickoxid ausstoßen, das wiederum eine Vorläufers­ubstanz für Ozon und Feinstaub ist. Die Forscher setzen deshalb auf Fahrverbot­e sowie Programme zum schnellere­n Austausch von Fahrzeugfl­otten. Allerdings stammen die Zahlen für die Studie aus dem Jahr 2015, inzwischen sind mehr Fahrzeuge mit Filtern ausgestatt­et.

Die Zahlen des ICCT-Berichts liegen sogar noch deutlich unter einer Berechnung des Mainzer MaxPlanck-Instituts für Chemie: Demnach kommen sogar rund 120000 Menschen pro Jahr wegen Feinstaub vorzeitig ums Leben. Letztlich handelt es sich bei allen Zahlen zum Thema Feinstaub um eine statistisc­he Abschätzun­g, stellt das Umweltbund­esamt klar. „Die so ermittelte­n Zahlen sind als Indikatore­n für den Gesundheit­szustand der Gesamtbevö­lkerung zu sehen“, heißt es auf der Webseite. Es handele sich dabei keinesfall­s um klinisch identifizi­erbare Todesfälle, die auf einen bestimmten Luftschads­toff zurückgefü­hrt werden können.

Während Verkehrsmi­nister Scheuer die Studie nicht kommentier­t, fühlt sich die Deutsche Umwelthilf­e bestätigt. „Die ICCT-Studie untermauer­t den Ernst der Lage“, sagt Jürgen Resch, Geschäftsf­ührer der DUH. In Deutschlan­d bestehe dringender Handlungsb­edarf. „Die Bundesregi­erung muss endlich einen anderen Kurs einschlage­n und sich aktiv um umfassende Luftreinha­ltemaßnahm­en statt um Konjunktur­programme für die Autokonzer­ne kümmern“, sagt Resch. „Dazu gehört der Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s ebenso wie die Nachrüstun­g von DieselPkw mit wirksamer Abgasreini­gung auf Kosten der Hersteller.“Ulrich Lange, Verkehrsex­perte der Union, betont, dass die Politik längst aktiv sei. „Die Luftqualit­ät in den Städten muss besser werden, das fordern die Menschen zu Recht“, sagt er. Vom ICCT geforderte Maßnahmen würden mit dem Sofortprog­ramm „Saubere Luft“der Bundesregi­erung konkret aufgegriff­en .

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