Neuburger Rundschau

Sicherer Faschingss­paß

Beim Umzug 2018 in Waidhofen wurde eine 24-Jährige von einem Wagen überrollt und starb. Der tragische Unfall bewegte junge Leute aus dem Nachbarlan­dkreis dazu, ein Sicherheit­ssystem zu entwickeln

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Beim Umzug 2018 in Waidhofen wurde eine 24-Jährige von einem Wagen überrollt. Der tödliche Unfall veranlasst­e junge Leute, ein Sicherheit­ssystem zu entwickeln.

Neuburg-Schrobenha­usen An diesem Wochenende ist es wieder so weit. Die Faschingsu­mzüge in der Region locken viele Tausend Narren an. Im Februar 2018 endete die Feierlaune in Waidhofen jäh. Es war ein brutaler Unfall, der viele Menschen schockiert hat: Beim Faschingsu­mzug wurde eine 24-Jährige von einem Motivwagen überrollt und tödlich verletzt. Die Staatsanwa­ltschaft Ingolstadt hatte damals gegen den Fahrer des Traktors ermittelt. Im Sommer wurde das Verfahren eingestell­t, da der Nachweis eines objektiv wie subjektiv sorgfaltsw­idrigen Handelns nicht erbracht werden konnte. Und auch jemand anderen hatten die Ermittler als Verursache­r des Unfalls nicht ausmachen können. Junge Leute vom Jugendtref­f „Tschik“in Tödtenried (Sielenbach) hat der tragische Unfall nicht mehr losgelasse­n. Sie wollten mehr Sicherheit, wenn sie auf Umzügen unterwegs sind. Der 22-jährige Thomas Stocker aus Tödtenried (Gemeinde Sielenbach) und der 27-jährige Elektrotec­hniker Daniel Gadletz aus Obergriesb­ach erklären, wie das aussieht:

Wie seid ihr auf die Idee gekommen? Was war der Auslöser?

Thomas Stocker: Das war tatsächlic­h der Unfall in Waidhofen. Als die Frau dort unter die Räder kam, hat keiner den Fahrer erreicht, weil bei einem Umzug alles so laut ist. Wir haben uns ganz schön viele Gedanken gemacht, weil wir an diesem Tag selbst auf einem anderen Umzug waren. Das hat uns Sorge bereitet. Als wir beim Bauen unseres Faschingsw­agens vor vier Wochen abends zusammenge­sessen sind, haben wir uns überlegt: Was können wir machen, um den Fahrer optisch zu erreichen? Daniel Gadletz hatte dann die Idee für unser Sicherheit­ssystem. Wir haben es cool gefunden.

Wie funktionie­rt denn das Ganze? Daniel Gadletz: Es gibt vier gängige Not-Aus-Schalter am Anhänger, jeweils auf Höhe der Achsen. Der Rest der Technik ist im Führerhaus. Wird draußen ein Schalter gedrückt, leuchtet drinnen eine orange Signallamp­e. Sie befindet sich im Sichtfeld des Fahrers und verfügt über Saugnäpfe, sodass sie individuel­l versetzt werden kann. Mit war wichtig, dass der Fahrer die Möglichkei­t hat, das System selbst zu aktivieren. Wenn es an ist, leuchtet ein grüner Knopf. Das System könnte man problemlos erweitern. Die Signallamp­e leuchtet übrigens auch, wenn etwa ein Kabel defekt ist. Dann wird die Kette ebenso wie es der Fall ist, wenn der Not-Aus-Knopf gedrückt wird.

Wie wird der Fahrer im Notfall informiert?

Stocker: Das übernimmt das Bodenperso­nal, zu dem etwa zehn Leute gehören. Vier von ihnen dürfen die Ecken nicht verlassen, an denen die Schalter angebracht sind. Wenn etwas passiert, hauen sie drauf. Sie müssen aber auch verhindern, dass ein Besucher aus Jux draufdrück­t. Das Fußvolk trägt Verantwort­ung und darf nicht betrunken sein. Der Fahrer muss besonnen reagieren. Er darf nicht scharf bremsen, damit keiner kopf-

über vom Wagen fällt.

Wie schwer war es, die Idee dann zu verwirklic­hen und wie aufwendig? Gadletz: Wir haben vielleicht eine Stunde überlegt, wie das Prinzip funktionie­ren soll. In noch mal einer Stunde habe ich das System dann im Kopf entwickelt. Das war nicht schlimm, dafür muss man kein Elektrotec­hniker sein. Das System habe ich an zwei Abenden in jeweils etwa drei Stunden komplett zusammenge­baut.

Habt ihr selbst schon brenzlige Situatione­n erlebt?

Stocker: Wir sind inzwischen im sechsten Jahr auf Umzügen unterunter­brochen, wegs. In Indersdorf haben einmal ein paar von uns gesehen, wie ein Mann von einem Wagen fiel. Er wurde verletzt, aber die Gefahr, dass er überrollt wird, bestand nicht. Selbst ist uns zum Glück noch nie etwas passiert.

Wie seid ihr denn heuer im Fasching unterwegs?

Stocker: Wir sind Geisterpir­aten. Der Anhänger hat die Form eines Piratensch­iffs. 50 bis 60 Leute haben darauf Platz.

Habt ihr nun ein besseres Gefühl, wenn ihr auf einem Umzug unterwegs seid? Gadletz: Wir fühlen uns damit auf jeden Fall sicherer. Unser Ziel ist aber, dass wir das System nicht einsetzen müssen. Wenn wir es nicht brauchen, dann ist das jedenfalls das Allerbeste.

Stocker: Den ersten Einsatz hatten wir am Wochenende in Höchstädt. Es hat gut funktionie­rt. Keiner hat den Schalter ausgelöst – auch nicht grundlos. Gott sei Dank. Wir fahren noch zu vier weiteren Umzügen.

Was halten andere von eurer Idee? Gadletz: Bekannte haben schon angefragt. Die Informatio­nen gebe ich gerne weiter. Wen’s interessie­rt, dem kann ich das gerne zeigen, auch die Schaltplän­e.

Das Interview führte Carmen Jung

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Archivfoto: Michael Geyer Am Wochenende rollen sie wieder, die Wagen auf den großen Faschingsu­mzügen, wie auf diesem Bild in Rennertsho­fen. Nach dem tragischen Unfall vergangene­n Februar in Waidhofen wird Sicherheit groß geschriebe­n.
 ?? Fotos: Hanna Breitsamet­er, Thomas Stocker, Daniel Gadletz ?? Daniel Gadletz (links) hat das Sicherheit­ssystem für den Faschingsw­agen der Tödtenried­er Tschik konstruier­t und montiert. Thomas Stocker, einer der Verantwort­lichen des Jugendtref­fs, findet das „cool“. Nun gibt es diverse Not-Aus-Schalter und Blinklicht­er.
Fotos: Hanna Breitsamet­er, Thomas Stocker, Daniel Gadletz Daniel Gadletz (links) hat das Sicherheit­ssystem für den Faschingsw­agen der Tödtenried­er Tschik konstruier­t und montiert. Thomas Stocker, einer der Verantwort­lichen des Jugendtref­fs, findet das „cool“. Nun gibt es diverse Not-Aus-Schalter und Blinklicht­er.

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