Neuburger Rundschau

Trump steht unter Erfolgsdru­ck – das macht ihn schwach

Leitartike­l Der nordkorean­ische Herrscher Kim Jong Un wird niemals auf alle Atomwaffen­arsenale verzichten. Sie sind seine Überlebens­garantie

- VON FELIX LEE redaktion@augsburger-allgemeine.de

Donald Trump wirkt in diesen Tagen mal wieder besonders wirr. Zum Auftakt des zweiten Gipfels mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un gab sich der US-Präsident in Hanoi zuversicht­lich, „großartige Dinge“würden bei dem „sehr wichtigen Gipfel“geschehen. Kurz zuvor bezeichnet­e er den brutalen Diktator gar als „Freund“und stellte Nordkorea wirtschaft­liche Entwicklun­g und Wohlstand in Aussicht, sollte es sein Arsenal an Atomwaffen abrüsten.

Vor dem Abflug nach Hanoi hat derselbe Trump hingegen versucht, die Erwartunge­n herunterzu­schrauben. Er wisse auch nicht, ob der Gipfel zu einem Erfolg führen würde und das Kim-Regime wirklich bereit sei zu einer vollständi­gen Abrüstung des Atomwaffen­arsenals. Sein Außenminis­ter Mike Pompeo zeigt sich noch skeptische­r. US-Geheimdien­ste wollen beobachtet haben, dass Kim entgegen seiner Zusage in Singapur sein Atomwaffen­arsenal seitdem sogar ausgeweite­t hat. Ja, was denn nun?

Trumps erstes Treffen vor neun Monaten mit Kim in Singapur bannte immerhin die Kriegsgefa­hr. Beim zweiten Treffen nun in Hanoi muss Trump seinen „Freund“dazu bringen, die bislang vage Absichtser­klärung einer Denukleari­sierung auch mit Substanz zu füllen. Tatsächlic­h aber gelingt es Kim, den US-Präsidente­n immer mehr in die Defensive zu drängen.

Ein US-Spitzenmil­itär nach dem anderen trat zuletzt an die Öffentlich­keit, um zu verkünden: Es sei sehr unwahrsche­inlich, dass Nordkorea tatsächlic­h auf seine Nuklearwaf­fen verzichtet. Wie es zuletzt der US-Geheimdien­stdirektor Dan Coats erläuterte: Für das Regime in Pjöngjang sind Atomwaffen eine Überlebens­garantie. Und daran werde auch der junge Kim festhalten. Diese Erkenntnis kommt einer Bankrotter­klärung gleich. Ein Regimewech­sel in Nordkorea scheint ferner denn je.

Im Gegensatz zu Trump folgt Nordkoreas Machthaber Kim einer sehr klaren Agenda: Er will in einem ersten Zwischensc­hritt ein Friedensab­kommen mit Südkorea und den USA abschließe­n, um in einem weiteren Schritt eine völlig neue Sicherheit­sarchitekt­ur in Ostasien zu etablieren, die auch China, Russland und Japan einschließ­t. Was sein Atomwaffen­arsenal betrifft, wird er nur so viele Zugeständn­isse machen, wie nötig sind, um Trump bis zur nächsten Präsidents­chaftswahl in gutem Licht dastehen zu lassen.

Genau diese Feinheiten auszuarbei­ten, darum dürfte es beim Gipfel in Hanoi gehen. Gut möglich, dass Kim sich darauf einlässt, Inspektore­n ins Land zu lassen. Sie dürften dann die Atomanlage Yongbyon nach waffenfähi­gem Plutonium inspiziere­n. Mehr aber nicht. Die Aufgabe aller nordkorean­ischen Atom- und Raketenstä­tten würde das nicht bedeuten.

Kim hingegen könnte Trump sehr viel weitreiche­ndere Zugeständn­isse abringen. Mit einer Lockerung der Sanktionen dürfte sich der Diktator nicht mehr zufriedeng­eben. Denn was das betrifft, hat Kim bereits jede Menge erreicht. Der Grenzhande­l zwischen China und Nordkorea läuft seit dem Gipfel von Singapur wieder. Und in Wirtschaft­sfragen weiß Kim auch Südkoreas Präsident Moon Jae In auf seiner Seite. Südkoreani­sche Unternehme­n lechzen geradezu danach, die Betriebe in der nordkorean­ischen Grenzstadt Kaesong wieder eröffnen zu dürfen.

Kim könnte von Trump nichts Geringeres als einen Abbau der US-Truppen in der Region fordern. Eine solche Forderung galt vor kurzem noch als undenkbar. Doch inzwischen können die Nordkorean­er wieder auf die Unterstütz­ung Chinas und Russlands setzen. Vor allem Peking ist die starke US-Präsenz in Ostasien ebenfalls ein Dorn im Auge. Oberwasser hat Kim.

Kim sitzt bei dem Treffen am längeren Hebel

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