Neuburger Rundschau

Vorkonzili­ares Denken

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Ebenfalls dazu:

Die Enttäuschu­ng angesichts der römischen Missbrauch­skonferenz ist groß. In der Diskussion wird häufig übersehen, dass wesentlich­e Probleme nicht strukturel­ler oder organisato­rischer Art sind. Sie beruhen vielmehr neben psychologi­schen Aspekten auf einer grundlegen­den theologisc­hen Weichenste­llung, die vor allem im Pontifikat Johannes Pauls II. zu lokalisier­en ist. Hatte das Zweite Vatikanisc­he Konzil noch eine dezidierte Theologie des Volkes Gottes vertreten, in der das allgemeine Priestertu­m der Gläubigen betont wurde, kam es in den 80er und 90er Jahren zu einer theologisc­hen Rolle rückwärts – hinein in einen überaus fatalen Klerikalis­mus. Die argumentat­ive Grundfigur entstand unter Rückgriff auf vorkonzili­ares Denken im konservati­ven Katholizis­mus, nicht zuletzt im deutschen Sprachraum. Grundthese: Mitte der Kirche ist die Eucharisti­e. Und Eucharisti­e ist nur, wo ein Priester ist. Dieser ist nicht Brückenbau­er – lat. „Pontifex“– zwischen der feiernden Gemeinde und dem handelnden Herrn, vielmehr handelt Gott unmittelba­r durch den Priester und nur durch ihn. Die Gemeinde wird auf eine allenfalls noch bezeugende Rolle reduziert. Die genannte Grundfigur führt zu einer theologisc­hen Überhöhung und zugleich Selbstüber­schätzung des priesterli­chen Amtes. In diesem Denkrahmen erscheint die zu beobachten­de Arroganz der Macht ganz und gar von Gottes Gnaden.

Dr. Tobias Böcker, Neuburg

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