Die Revolte ist abgewendet
Brexit Theresa May übersteht Krise gestern nur durch Zugeständnisse. Und Labour ist jetzt für ein neues Referendum über EU-Verbleib
London Premierministerin Theresa May hat einen weiteren Brexit-Krisentag überstanden. So jedenfalls dürfte es ihr Team in der Downing Street mittlerweile sehen. Zum Feiern dürfte der britischen Regierungschefin gestern trotzdem nicht zumute sein, als im Parlament abermals über die weiteren Schritte im Drama um den EU-Austritt abgestimmt wurde. Lediglich durch Zugeständnisse hat May eine Revolte in ihrer Partei verhindern können. So billigte am Abend eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten einen Antrag, nach dem der BrexitTermin verschoben wird, sollte die Regierung im Parlament erneut mit ihrem Deal scheitern.
Damit wollen die Abgeordneten eine Scheidung ohne Austrittsabkommen und ohne Übergangsphase verhindern. Die Premierministerin war der Forderung am Dienstag zuvorgekommen, indem sie unter massivem Druck aus der Fraktion den Weg zu einer Verschiebung geebnet hatte, falls das Abkommen, das May noch nachverhandeln will, bis zum 12. März nicht durchs Parlament geht. Offiziell verlässt das Königreich am 29. März die Staatengemeinschaft.
Mays Plan scheint also aufgegangen zu sein. Doch der Schritt erfolgte alles andere als freiwillig, wie es in Westminster hinter vorgehaltener Hand hieß. Mehrere Minister hatten damit gedroht, ihre Ämter niederzulegen, sollte May den Abgeordneten nicht die Möglichkeit geben, über einen Aufschub abzustimmen.
Am Ende gab die Premierministerin widerwillig nach und musste so erneut ihren Brexit-Kurs ändern. Erst am Montag hatte sie die Möglichkeit eines späteren Austrittsdatums als sinnlos abgelehnt. Dann die Kehrtwende.
Kritiker monieren derweil, dass mit einer Verschiebung die
Gefahr eines ungeregelten Austritts ohne Abkommen keineswegs gebannt, sondern nur hinausgezögert werde.
Durchgewunken hat das Parlament zudem einen Vorstoß, mit dem die im Austrittsdeal vereinbarten Rechte für die im Königreich lebenden EU-Bürger sowie auf dem Kontinent wohnenden Briten garantiert werden sollen, auch wenn es zu einer Scheidung ohne Vertrag kommen sollte.
Zwar lässt Theresa May bislang offen, wie lange der Brexit verzögert werden könnte, doch sie hat stets betont, dass eine mehr als dreimonatige Verschiebung ausgeschlossen sei. Würde die Mitgliedschaft auch nach Ende Juni andauern, müsste das Königreich an den Europawahlen im Mai teilnehmen, was der Bevölkerung auf der Insel nicht vermittelbar wäre.
Ebenfalls gestern Abend votierte das Unterhaus mehrheitlich gegen einen Vorschlag von Oppositionschef Jeremy Corbyn, der eine engere Anbindung an die EU vorsah. Der Labour-Vorsitzende wollte mit dem Schritt seine Brexit-Strategie für einen softeren Ausstieg zur offiziellen Regierungspolitik machen. Die Sozialdemokraten fordern eine Zollunion mit der EU sowie eine Annäherung an den Binnenmarkt. Mit der Personenfreizügigkeit soll aber auch nach ihren Plänen Schluss sein. Wie erwartet scheiterte Corbyn mit seinem Vorstoß, was wiederum bedeutet, dass Labour nun ganz offiziell ein erneutes Referendum unterstützt. Die Ablehnung des Antrags gestern Abend galt als Voraussetzung für die überraschende Ankündigung. Dass der lebenslange EU-Skeptiker Corbyn aber nun tatsächlich für eine zweite Volksabstimmung werben wird, halten Beobachter für unwahrscheinlich.