Das Klima im Landtag wird rauer
Grüne, SPD und FDP laufen Sturm gegen die geplante Änderung der Geschäftsordnung. CSU und Freie Wähler sagen, sie verstehen die ganze Aufregung nicht
München Journalisten sind vom Chef der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, schon mal freundlicher begrüßt worden als an diesem Mittwochmittag im Innenhof des Maximilianeums. „Ich weiß gar nicht, was ihr alle hier wollt“, grantelt der CSU-Politiker aus Kempten. „Es gibt doch nix“, schimpft Kreuzer, geht weiter und kehrt dann doch wieder zurück, um noch einmal zu erklären, warum er die ganze Aufregung nicht versteht.
Aus Kreuzers Sicht ist der Streit um eine neue Geschäftsordnung für den Landtag völlig überflüssig und die praktischen Argumente der Regierungsfraktionen nicht von der Hand zu weisen. Die Kurzfassung geht ungefähr so: Der Landtag ist seit der letzten Wahl größer geworden, es gebe mehr Abgeordnete und sechs statt bisher vier Fraktionen. Damit die Plenarsitzungen nicht unnötig in die Länge gezogen werden, ist es nach Ansicht von CSU und Freien Wählern geboten, die Parlamentsdebatten zu straffen: kürzere Redezeiten, weniger Zwischenbe- merkungen und vor allem keine Einzelberatungen mehr, die zu Endlosdebatten („Filibustern“) bis tief in die Nacht führen können.
Darüber ist bis vor wenigen Minuten im Ältestenrat des Landtags diskutiert worden. Der Ältestenrat aber habe, so erklärt Kreuzer, in dieser Sache gar keine Entscheidungsgewalt. Er müsse nur informiert werden. Die entscheidenden Debatten würden im Rechtsausschuss und im Plenum geführt. Was also solle er jetzt den Journalisten sagen, wo doch fürs Erste eh schon alles gesagt sei und jeder wisse, was CSU und Freie Wähler wollen?
Was Kreuzer in dieser Situation nicht weiß: Die Journalisten warten eigentlich nicht auf ihn, sondern auf die Sprecher von Grünen, SPD und FDP. Die sehen die Sache ganz anders. Sie regen sich mächtig auf über die Beschneidung ihrer Rechte als Opposition und haben deshalb kurzfristig zu einer improvisierten Pres- sekonferenz eingeladen. In der Sitzung des Ältestenrats, so ihre Hoffnung, könnte sich zeigen, ob die Regierungsfraktionen nicht vielleicht doch noch zu Zugeständnissen bereit wären. Diese Hoffnung sollte enttäuscht werden.
Irgendwie muss das bereits am Vortag klar gewesen sein. Schon da hatten Grüne und SPD kräftig vom Leder gezogen. Grünen-Fraktionschef Hartmann hatte den Freien vorgeworfen, sie seien von einer Oppositionsfraktion schnell zum Teil des „schwarzen Blocks“geworden – was bei den Freien gar nicht gut ankam. SPD-Fraktionschef Horst Arnold hatte eine Verfassungsklage nicht ausgeschlossen und angekündigt, notfalls „alle Register zu ziehen“.
Nach der Sitzung des Ältestenrats ist klar, dass kaum noch etwas gehen wird in den weiteren Gesprächen. Hartmann und die parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und FDP, Volkmar Halbleib und Matthias Fischbach, berichten, dass ihnen die Regierungsparteien zwar ein wenig, aber eben nicht entscheidend entgegengekommen seien.
Die neue schwarz-orange Regierungskoalition plane die massivsten Eingriffe in die Rechte des Parlaments sei 20 Jahren, schimpft Halbleib. Er sei insbesondere über die Freien Wähler „erschüttert“, die mit ihrem Wechsel von der Oppositionszur Regierungspartei auch ihre Meinung geändert hätte. Als Opposition hätten sie die letzte Änderung der Geschäftsordnung noch als „Anschlag aufs Parlament“kritisiert. Und jetzt, da die Änderung noch weitaus gravierender seien, machten sie mit. Der FDP-Politiker Fischbach macht Regierungschef Markus Söder (CSU) mitverantwortlich: „Was ist mit dem neuen Stil, den der Ministerpräsident groß angekündigt hat? Es ist davon leider nicht viel übrig geblieben.“
Der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Fabian Mehring, kontert am Abend. Man habe der Opposition einen neuen Stil der Zusammenarbeit angeboten. „Mit der peinlichen Polit-Show, die rot und grün heute aufgeführt haben, schlagen sie diese Türe zu.“
Fortsetzung folgt, wie gesagt, im Rechtsausschuss.
Anschlag aufs Parlament oder peinliche Polit-Show?