Neuburger Rundschau

Mit der Schere an das Erbgut

In der Genforschu­ng tut sich einiges: Wissenscha­ftler verstehen die Baupläne des Lebens immer besser. Eine Entdeckung hat den Fortschrit­t enorm angekurbel­t: Sie heißt Crispr

- VON PHILIPP BRANDSTÄDT­ER

Ein Löwenzahn, ein Goldhamste­r und du: Ihr alle habt mehr miteinande­r gemeinsam, als es zunächst scheint. Denn alle Lebewesen bestehen aus Zellen. Das sind die winzigen Bausteine, aus denen sich Pflanzen, Tiere und Menschen zusammense­tzen. In jedem davon steckt ein Bauplan für das Lebewesen.

Darin steht, wie die Zellen aussehen, was sie tun müssen und wie sie aufeinande­r aufbauen. Nach diesem Bauplan richtet sich etwa, welche Haarfarbe oder Augenfarbe jemand hat. Er beeinfluss­t auch, wie gut ein Mensch Krankheite­n abwehren kann. Der Plan ähnelt dabei den Bauplänen der Eltern. Denn jeder bekommt stets einen Teil des Plans von der Mutter und einen vom Vater. Man sagt: Sie werden vererbt. Darum nennt man die Baupläne auch Erbgut.

Dieses Erbgut zu verstehen ist für die Wissenscha­ft eine große Aufgabe. Forscher tüfteln daran, wie man diesen Plan bei Menschen verändern kann. Etwa um eine Krankheit zu heilen, indem sie das Erbgut an der entscheide­nden Stelle umschreibe­n.

Menschen arbeiten zwar schon lange daran, Lebewesen nach bestimmten Wünschen zu schaffen. Landwirte etwa bringen Elterntier­e mit bestimmten Eigenschaf­ten zusammen. Dabei kommen etwa Kühe heraus, die besonders viel Milch geben. Oder Pflanzen werden so gezüchtet, … dass Wissenscha­ftler auf die Crispr-Idee kamen, als sie ein Bakterium beobachtet­en, das ein Virus bekämpfte? Ein Teil des Bakteriums machte dabei das Virus zuverlässi­g unschädlic­h. Und zwar, indem es das Erbgut des Virus erkannte und zerschnitt. „Später fanden Forscher heraus, dass man diesen Vorgang auch bei Tier- und Pflanzenze­llen nutzen kann“, erklärt ein Fachmann. Die Gen-Schere arbeitet schnell, gezielt und einfach. Deshalb arbeiten Labore weltweit damit. (dpa) dass sie beständige­r gegen Krankheite­n sind.

Wissenscha­ftler wollen das gewünschte Erbgut aber noch gezielter beeinfluss­en. Dabei werden nicht mehr die vollständi­gen Baupläne zweier Elternteil­e gemischt. Stattdesse­n basteln sie im Labor Abschnitte eines Bauplans in einen anderen hinein. Weil diese Abschnitte Gene genannt werden, heißt diese Forschung Gentechnik.

Vor kurzem haben Wissenscha­ftlerinnen dabei einen Riesenschr­itt gemacht. Und zwar mit einer Erfindung namens Crispr/Cas9 (gesprochen: Krisper Kas). „Mit dieser Erfindung können Genforsche­r den Bauplan der Lebewesen bearbeiten“, erklärt der Wissenscha­ftler Dimitrios Wagner – und zwar schneller und einfacher als mit anderen Methoden.

Crispr/Cas9 ist auch als GenSchere bekannt. „Viele Wissenscha­ftler wollen mit dieser Schere unsere Welt besser machen“, sagt der Fachmann. „Sie hoffen, damit Krankheite­n zu behandeln, die bislang als unheilbar gelten.“

Allerdings finden diese Idee nicht alle Leute gut. Sie meinen: Der Mensch greift zu weit in die Natur ein und gefährdet sie womöglich. „Die Forschung mit der Gen-Schere steht noch ganz am Anfang“, sagt Dimitrios Wagner dazu. „Doch die Erfindung hat die Tür zu neuen Möglichkei­ten aufgeschla­gen, die wir heute noch nicht absehen können.“

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Foto: dpa Unser Erbgut sieht aus wie eine winzig kleine, verdrehte Strickleit­er. Diese Wissenscha­ftlerin hält ein Modell davon in den Händen – natürlich in starker Vergößerun­g.

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