Neuburger Rundschau

Was uns 15 Jahre „Bachelor“lehren

Debatte Ein erschrecke­ndes Frauenbild, menschenve­rachtender „Kamelhande­l“: Die Kritik an der RTL-Show ist groß. So lief das Finale mit Junggesell­e Andrej Mangold

- VON SANDRA LIERMANN

Augsburg Kritik am Format „Der Bachelor“ist berechtigt. Das Frauenbild, das in der RTL-Kuppelshow vermittelt wird: Lächeln, hübsch aussehen, auf den Traumprinz warten – ist im Jahr 2019 ganz sicher nicht mehr zeitgemäß. Frauen werden noch immer vor laufender Kamera aufgestach­elt, sich gegenseiti­g schlechtzu­machen. Statt wünschensw­erter Solidaritä­t unter Frauen und einem humanen, freundlich­en Umgangston forciert RTL mit dem Format, und das kann man nicht anders sagen, Neid, Missgunst und Zwietracht unter Frauen – nur, um den voyeuristi­schen Trieb seiner Zuschauer zu befriedige­n.

Bereits die erste Staffel wurde heftig kritisiert. So schrieb der Journalist Oliver Fuchs 2004 in der Süddeutsch­en Zeitung, die Show sei „menschenve­rachtend“und „die verkommens­te TV-Sendung seit Menschenge­denken“. SPD-Politikeri­n Sabine Bätzing erklärte: „Das Frauenbild, das dem Publikum vermittelt wird, ist erschrecke­nd und erinnert mich an den Kamelhande­l.“Wobei man natürlich fairerweis­e sagen muss: Mit der Bacheloret­te (erste Staffel 2004) gibt es natürlich das entspreche­nde Kontraform­at – bei dem ein Haufen junger Männer um eine schöne Frau buhlen. Aber das soll die Kritik nicht entwerten.

Seit mittlerwei­le 15 Jahren hat Jahr für Jahr also wieder ein Junggesell­e (meist groß, muskulös, mit Dreitageba­rt) die Qual der Wahl: 2019 war Andrej Mangold der RTLBachelo­r, der sich unter 22 Frauen eine passende herauspick­en konnte. Das hat er nun im Finale der aktuel- Staffel getan. Von den anfangs mehr als 20 Kandidatin­nen hatten sich zwei bis dorthin gekämpft: die 25-jährige Jennifer „Jenny“Lange, Sport- und Gesundheit­smanagerin aus Bremen, sowie die ein Jahr ältere Flugbeglei­terin Evanthia „Eva“Benetatou aus Düsseldorf. Aller Kritik am Format zum Trotz war das Finale erstaunlic­h nett – zumindest bis zu einem bestimmten Punkt.

Statt halb nackter, devoter Frauen, die sich im Kampf um den einen Mann gegenseiti­g Gemeinheit­en an den Kopf werfen, bekommen die Zuschauer die ungemein sympa- thisch und bodenständ­ig wirkenden Eltern des Bachelors zu sehen. Mutter Monika und Stiefvater Carsten sollen Andrej Mangold dabei helfen, die richtige Wahl zu treffen. „Meine Mama ist mein bester Freund“, erklärt der Bachelor, bevor die Treffen mit Jenny und Eva anstehen. Im Vier-Augen-Gespräch möchte die Bachelor-Mutter dann von Jenny wissen, was sich wohl viele fragen: „War es nicht schlimm für dich zu wissen, dass es da noch so viele andere Frauen gibt?“Jenny überlegt kurz und antwortet dann: „Wir haben uns auch tagelang mal nicht gelen sehen. Dann habe ich von anderen Frauen gehört, dass sie ein schönes Date mit ihm hatten. Dann hat er die zweite geküsst, dann die dritte.“Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Wenn eine Frau im realen Leben so über einen Mann sprechen würde, den sie kennengele­rnt hat und interessan­t findet, würde ihr doch jeder halbwegs vernünftig­e Mensch raten, bloß die Finger von „so einem“zu lassen. Nicht so beim Bachelor ...

Anschließe­nd steht das Kennenlern­en mit Eva an. Mutter Monika meint: „Bei der Action, die in deinem Leben passiert, macht Eva den kompetente­ren Eindruck, dich dabei zu begleiten.“Und obwohl seine Eltern eine recht klare Meinung haben, wirkt Bachelor Andrej erschöpft: „Das hat mir irgendwie so gar nicht geholfen.“Nach einigen Kameraszen­en mit rot verweinten Augen entscheide­t er sich für Jenny – und der Zuschauer meint fast so etwas wie Romantik zu erkennen.

Die Konfrontat­ion zwischen Eva und Jenny ist unangenehm. Im Wissen um das Format hätte man sich von beiden eine souveräner­e Reaktion gewünscht. „Ich habe das nicht verstanden, was Andrej an dir findet“, sagt Jenny zu Eva.

Mit einer vieldeutig­en Aussage über die Nacht, die sie mit Andrej verbracht hat, provoziert Eva im Gegenzug und macht das bis dahin so positive Bild von ihr zunichte. Die Finalistin­nen und Bachelor Andrej Mangold, die bei der letzten Rosenverga­be noch erwachsen und ernsthaft emotional beteiligt schienen, wirken plötzlich wie schnippisc­he Teenager. Wie so oft hätte auch in diesem Fall gegolten: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

 ?? Foto: TV Now ?? Bachelor Andrej Mangold hat seine letzte Rose vergeben – an Kandidatin Jenny. Das war fast ein bisschen romantisch – aber nur kurz.
Foto: TV Now Bachelor Andrej Mangold hat seine letzte Rose vergeben – an Kandidatin Jenny. Das war fast ein bisschen romantisch – aber nur kurz.

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