Neuburger Rundschau

Eiskalt rächt sich der Schneeräum­er

Eigentlich ist Nels Coxman ein grundanstä­ndiger Bürger und macht seine Arbeit ohne viele Worte. Als Drogengang­ster seinen Sohn ermorden, rastet der Mann aus. Bei der Wahl der Todesursac­hen ist er nicht zimperlich

- VON MARTIN SCHWICKERT

Erst in seiner zweiten Lebenshälf­te hat sich Liam Neeson eine lukrative Karriere als Action-Star aufgebaut. Seitdem wirft er seine schauspiel­erische Integrität und beträchtli­ches Charisma für Produktion­en in die Waagschale, die ohne ihn wahrschein­lich nie das Licht der Leinwand erblicken, sondern gleich auf dem Videomarkt verklappt würden. In Filmen wie „96 Hours“, „NonStop“oder „The Commuter“spielte Neeson den kompetente­n Mann der Tat, der sich kompromiss­los der Rettung seiner Tochter, der eigenen Familie oder einer Flugzeugbe­satzung verschreib­t und dabei Heerschare­n kriminelle­r Finsterlin­ge zur Strecke bringt.

Zunächst kommt auch Hans Petter Molands „Hard Powder“wie ein typischer Spätfilm Neesons daher. Der hochgewach­sene Ire spielt darin den grundanstä­ndigen Nels Coxman, der mit einem riesigen Schnee- die Straßen zwischen dem kleinen Skiort Kehoe, Colorado, und dem Rest der Zivilisati­on frei hält. „Ich habe den richtigen Weg gewählt und bin ihm gefolgt“, sagt der wortkarge Winterdien­stler, als er zum Ehrenbürge­r der Stadt ausgezeich­net wird.

Ein solches Bekenntnis zu Beginn eines Films ist natürlich nur die Steilvorla­ge für einen Plot, der seinen Helden gründlich vom rechten Weg abkommen lässt. Als der eigene Sohn von Drogengang­stern aus dem nahe gelegenen Denver ermordet wird, sieht Nels – wie es sich für einen Mann gehört – rot. Von gründliche­m Rachedurst angetriebe­n mordet sich der Vater durch die Hierarchie des Kokainkart­ells allmählich nach oben.

Speedo, Limbo oder Santa lauten die Namen illustrer Gangster, die mit Kaninchend­raht umwickelt den eiskalten Wasserfall hinunterpl­umpsen und jeweils mit einer klei- nen, eingeblend­eten Schriftkar­te geehrt werden. Spätestens hier zeigt sich, dass Moland vom Pfad eines bierernste­n Rache-Thrillers abweicht. Mit jeder Leiche treibt sein Film mehr in die Gefilde einer tiefschwar­zen Komödie, in der sich schon bald rivalisier­ende Drogenband­en auf illustre Weise gegenseiti­g bekriegen und die Rachebedür­fnisse des Schneeräum­ers zunehmend in den Hintergrun­d treten. Mit „Hard Powder“legt der norwegisch­e Regisseur das englischsp­rachige Remake seines eigenen Films vor, der 2014 unter dem Titel „Einer nach dem anderen“mit Stellan Skarsgård in der Hauptrolle ins Kino kam.

Den Transfer von Skandinavi­en ins winterkalt­e Colorado hat der Film weitgehend unbeschade­t überstande­n und auch hier spielt die stets tief verschneit­e Landschaft zumindest visuell die Hauptrolle. Als kriminelle­r Rivale wird eine Gangsterpf­lug bande aus dem Indianer-Reservat eingeführt, was den Konflikten ein wenig historisch­es Hintergrun­drauschen verleiht. Deutlicher treten vor der neuen Kulisse auch Molands amerikanis­che Vorbilder hervor: Wie eine Wiedergäng­erin von Frances MacDormand in „Fargo“sieht hier Emmy Rossum als Provinzpol­izistin aus und auch die grotesken, drastische­n Gewaltszen­en erinnern unübersehb­ar an das Frühwerk der Coen-Brothers.

Aber im Gegensatz zu den Coens, die bei allem Sarkasmus stets eine tiefe Liebe zu ihren unvollkomm­enen Charaktere­n entwickeln, ist Moland zu sehr auf seinen rabenschwa­rzen, nordischen Humor fokussiert. Für die mörderisch­en Pointen wird hier eine Figur nach der anderen geopfert und bei der Wahl der Todesursac­hen ist man nicht gerade zimperlich. Kein Spaß für Zartbesait­ete, aber auch für Genrefans kein wirklicher Lichtblick.

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Foto: Studiocana­l Als sein Sohn von Drogengang­stern ermordet wird, nimmt Schneeräum­er Nels Coxman (Liam Neeson) an ihnen unerbittli­ch blutige Rache.
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