Neuburger Rundschau

Operation Aderlass

Die Nordische Ski-WM hat ihren großen Skandal. Während einer Razzia werden neun Personen festgenomm­en. Ein Sportler wird auf frischer Tat ertappt. Die Behörden sind sicher: Es sind auch andere Sportarten betroffen

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Seefeld Es war ein merkwürdig­es Kontrastpr­ogramm gestern Nachmittag bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld. Draußen an der Loipe und im Stadion bejubelten tausende Zuschauer die Langlaufst­ars, sahen über die 15 Kilometer im klassische­n Stil einen Sieg des Norwegers Martin Johnsrud Sundby. Sonnensche­in, buntes Fahnenmeer, idyllische­s Bergpanora­ma. Knapp 25 Kilometer entfernt zogen in Innsbruck zeitgleich dunkle Wolken über dem Sport auf. Bei einer Pressekonf­erenz der Landespoli­zeidirekti­on Tirol präsentier­ten die Ermittler erste Ergebnisse ihrer „Operation Aderlass“, einer groß angelegten Razzia gegen ein internatio­nal agierendes Dopingnetz­werk.

Frühmorgen­s wurden im WMOrt Seefeld und in Erfurt 16 Wohnungen durchsucht. Rund um Seefeld wurde der Verkehr kontrollie­rt, einige Straßen wurden gesperrt. Das Vorgehen war bis ins Detail geplant. Insgesamt waren 120 Beamte und Fahnder im Einsatz, in Tirol sogar die Polizei-Sondereinh­eit Cobra. „Uns ist es gelungen, auch einen Sportler auf frischer Tat zu ertappen. Er hatte noch die Bluttransf­usion im Arm stecken“, sagte Dieter Csefan vom Bundeskrim­inalamt. Dieser Sportler sei wegen des Verdachts des Dopings und Sportbetru­gs ebenso festgenomm­en worden wie vier weitere Athleten, der 40-jährige Sportmediz­iner Mark Schmidt aus Deutschlan­d und drei seiner Komplizen. Namen der Sportler wollte Csefan zunächst nicht bestätigen. Fakt ist: Es sind Österreich­er, zwei Esten und ein Kasache, allesamt Langläufer. Der Österreich­ische Skiverband (ÖSV) bestätigte mittlerwei­le, dass es sich bei den einheimisc­hen Läufern um Max Hauke (26, Steiermark) und Dominik Baldauf (26, Vorarlberg) handelt. Sie waren beim Teamsprint am Samstag noch als Überraschu­ngsfinalis­ten gefeiert worden.

Auslöser der neuen Ermittlung­swelle waren die Enthüllung­en des früheren Dopingsünd­ers Johannes Dürr, ebenfalls ein Österreich­er. Er hatte in einer ARD-Dokumentat­ion Anfang des Jahres die Dopingprak­tiken im modernen Leistungss­port offengeleg­t. Zusammen mit der Staatsanwa­ltschaft München I habe man aus den Zeugenauss­agen Dürrs entspreche­nde Erkenntnis­se gewonzwei nen. Hansjörg Mayr, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Innsbruck, erklärte: „Wir hatten konkrete Hinweise, dass unser Hauptverdä­chtiger, der Arzt aus Erfurt, in den kommenden Tagen nach Seefeld kommen würde, um hier Sportler auf nicht legale Weise zu behandeln.“Im Vorfeld seien an beiden Orten diverse Verdächtig­e entspreche­nd observiert worden.

Seit mehreren Monaten schon dauerten die grenzüberg­reifenden Ermittlung­en an. Nun sei die Indizienke­tte geschlosse­n, erklärte die Staatsanwa­ltschaft – vom Haupttäter bis zum Sportler. Als Beweismitt­el wurden in dem illegalen Dopinglabo­r in Thüringen unter anderem Blutbeutel, Transfusio­nen, eine Blutzentri­fuge, Datenträge­r und Computer sichergest­ellt. Die Ermittler sind sich sicher: Seit mindestens fünf Jahren soll der Sportmediz­iner bereits illegal Maßnahmen zur Leistungss­teigerung unterstütz­t und ausgeführt haben. Konkret geht es um Blutdoping. Csefan meinte: „Es sind sicher auch noch andere Sportarten betroffen.“

Beim ÖSV reagierte man schockiert auf die Nachricht. „Nichts ist niederträc­htiger als das Erkaufen von besseren Resultaten durch illegale leistungss­teigernde Methoden. Ich bin zutiefst verärgert, dass einzelne Athleten scheinbar nichts aus der Vergangenh­eit gelernt haben“, sagte ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del. Er werde dem Verbandspr­äsidium nach dieser Saison vorschlage­n, den Langlaufsp­ort in Österreich völlig neu zu organisier­en. Schröcksna­del sagte aber auch: „Wir können nicht für jeden Einzelnen garantiere­n, dass er sich an die strengen Bestimmung­en hält. Die Verantwort­ung trägt jeder einzelne Athlet selbst, die Folgen auch. Klar ist, wer dopt, wird unverzügli­ch aus dem ÖSV ausgeschlo­ssen. Die juristisch­en Konsequenz­en werden die Behörden ziehen.“

Sportler des Deutschen Ski-Verbands waren von der Razzia nicht betroffen. Das bestätigte DSVSpreche­r Stefan Schwarzbac­h: „Es gab und gibt keinerlei Kontakte zwischen Mark Schmidt und dem DSV. Wir halten nichts von der Devise ’Erfolg um jeden Preis’.“

Insgesamt gibt es 16 Hausdurchs­uchungen

 ?? Foto: Georg Hochmuth, afp ?? Gestörte Idylle: Die österreich­ische Polizei durchsucht­e die Teamhotels einiger Mannschaft­en. Noch ist nicht im Detail bekannt, was sie dort fanden. Sicher ist aber: Ein Sportler hatte noch die Nadel im Arm.
Foto: Georg Hochmuth, afp Gestörte Idylle: Die österreich­ische Polizei durchsucht­e die Teamhotels einiger Mannschaft­en. Noch ist nicht im Detail bekannt, was sie dort fanden. Sicher ist aber: Ein Sportler hatte noch die Nadel im Arm.

Newspapers in German

Newspapers from Germany