Neuburger Rundschau

Ein Intellektu­eller, der sich einmischte

Nachruf Der Historiker und Politikwis­senschaftl­er Arnulf Baring war anerkannt, aber auch umstritten

- VON GREGOR PETER SCHMITZ

Angelsächs­ische Länder kennen die Figur des „public intellectu­al“– darunter verstehen sie Gelehrte und Experten, die in ihren akademisch­en Feldern hoch angesehen sind, sich aber auch in „gewöhnlich­e“politische und gesellscha­ftliche Debatten immer wieder einmischen. Wir Deutsche taten und tun uns mit der Figur immer schwer, auch, weil die Wissenscha­ft bei uns oft zu sehr um ihren Elfenbeint­urm kreist. Einer, der stets ein fröhlicher Grenzgänge­r im Sinne eines „public intellectu­al“war, ist am Samstagnac­hmittag im Alter von 86 Jahren in Berlin verstorben: Arnulf Baring – Politikwis­senschaftl­er, Historiker, Publizist.

Baring hat sich – am prominente­sten von seiner akademisch­en Kanzel an der Freien Universitä­t Berlin – immer wieder in die Debatten der Bundesrepu­blik eingemisch­t, später auch des wiedervere­inigten Deutschlan­ds. „Im Anfang war Adenauer“hieß einer seiner großen Bucherfolg­e, die Westbindun­g Deutschlan­ds war ihm stets ein Herzensanl­iegen. Über Jahrzehnte legte Baring in beeindruck­ender Schlagzahl neue Bücher vor – in für einen Wissenscha­ftler außerorden­tlich zugänglich­er Prosa verfasst –, zudem schuf er sich als Hochschull­ehrer eine regelrecht­e Anhängersc­har. „Baring-Schüler“ist eine Bezeichnun­g, die noch heute Anerkennun­g hervorruft.

Die Streitlust lehrte der Professor dabei gleich mit. „Eigentlich halte ich mich für ein Lamm“, hat Baring mal über sich selbst gesagt – doch mit der SPD legte er sich als Mitglied in den 1980er Jahren an, als er die FDP und ihren Schwenk zur Union unterstütz­te (er musste die Partei nach rund drei Jahrzehnte­n Mitgliedsc­haft verlassen).

Als der Wissenscha­ftler in späteren Jahren umstritten­e Bücher des Publiziste­n Thilo Sarrazin („Deutschlan­d schafft sich ab“) verteidigt­e oder zu einer Art Steuerboyk­ott aufrief („Bürger, auf die Barrikaden!“), galt Baring vielen als Rechter.

Er konnte über solche Klassifizi­erungen stets nur spotten, ihm ging es ums Einmischen. Ein „public intellectu­al“halt, ein öffentlich­er Intellektu­eller.

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Arnulf Baring, hier 2011 in der Sendung „Anne Will“, ist tot. Foto: dpa

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