Bürgerdruck für mehr Pflegekräfte
Per Volksbegehren sollen Krankenhäuser zu einer besseren Versorgung gezwungen werden. Initiative reicht 100 000 Unterschriften ein. Warum die Gesundheitsministerin bremst
In Bayern fehlen derzeit rund 12000 Pflegestellen
Nur wenige Wochen nach dem erfolgreichen „Bienen“-Volksbegehren stehen die Bayern womöglich vor dem nächsten Bürger-Votum. Das geplante Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“hat bereits eine erste wichtige Hürde genommen. Die Initiatoren reichten am Freitag eine Liste mit mehr als 100 000 Unterschriften beim Innenministerium in München ein. Nötig gewesen wären 25 000 Unterstützer. Hinter dem Volksbegehren steht ein Bündnis aus Politikern, Pflegern, Juristen und Ärzten. Die Initiative kam ursprünglich von der Partei Die Linke, aber auch die Bayern-SPD und die Grünen beteiligen sich. Die enorme Resonanz zeige, dass das Thema „den Menschen in Bayern wirklich unter den Nägeln brennt“, sagte der mittelfränkische LinkenBundestagsabgeordnete Harald Weinberg als Vertreter der Organisatoren bei der Übergabe. In Bayerns Krankenhäusern fehlen nach Angaben von Peter Hoffmann, Vorsitzender des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte, derzeit etwa 12000 Pflegestellen. Krankenpflegerin Debora Pihan kritisierte, dass es keine Seltenheit sei, dass im Nachtdienst eine Pflegerin für eine ganze Station zuständig sei. „Es macht uns keinen Spaß, die Patienten nicht so zu versorgen, wie wir das gerne möchten“, sagte sie. In der Folge würden Krankenpfleger im Schnitt schon nach sieben Jahren den Beruf wechseln. Andreas Krahl, pflegepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, zitierte eine Statistik, nach der in den vergangenen 25 Jahren zwar 625000 Pflegekräfte eine Ausbildung absolviert haben. Davon hätte jedoch mehr als die Hälfte anschließend den Beruf gewechselt. Es fehle an wirklich guter Entlohnung und gesellschaftlicher Anerkennung, sagte die Rechtsanwältin und stellvertretende Beauftragte des Volksbegehrens, Adelheid Rupp. Leidtragende seien sowohl die Pfleger als auch die Patienten, kritisierte Peter Friemelt, der als Patientenberater beim Gesundheitsladen München arbeitet. Er wies auf die zunehmenden Beschwerden über die Pflege hin – von überfüllten Notaufnahmen bis hin zu Qualitäts- mängeln. „Die Patienten brauchen einfach eine bessere Versorgung mit genug Pflegekräften.“Die Initiatoren des Volksbegehrens fordern den Einsatz von mehr Personal in den Kliniken. Dies soll gesetzlich durch einen festen Personal-Patienten-Schlüssel festgelegt werden. Ziel ist es, die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern und Pflegekräfte zu entlasten. Die Zahl der Stellen auf jeder Krankenstation soll sich am Pflegeaufwand bemessen. Dies könne anhand der Zahl der Patienten und ihrer Erkrankungen berechnet werden. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) verwies hingegen auf das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz der Bundesregierung, mit dem zentrale Forderungen der Initiatoren bereits umgesetzt würden. Die geforderten festen Personal-Patienten-Schlüssel bedeuteten einen erheblichen bürokratischen Aufwand, erklärte sie. „Hinzu kommt: Wenn es nicht genügend Nachwuchskräfte gibt, hilft auch die strengste Regelung nichts.“Es sei daher wichtig, den Pflegeberuf attraktiv zu machen. Diese Gegenargumente kommentierte Weinberg als „nicht stichhaltig“. Das breite Bündnis stimme ihn zuversichtlich, dass das Volksbegehren erfolgreich sein wird. Das Innenministerium hat nun sechs Wochen Zeit, die Unterschriften und gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens zu prüfen. Sollte es durchkommen, müssen sich anschließend bayernweit zehn Prozent der Wahlberechtigten in Unterschriftenlisten eintragen, damit es zum Volksentscheid kommen kann. Einen deutlichen Schritt weiter ist bekanntlich das Volksbegehren für mehr Artenschutz, das von rund 1,8 Millionen Bayern per Unterschrift unterstützt wurde. Hier geht es nun darum, wie die Staatsregierung auf die Forderungen reagiert, bevor es zu einem Volksentscheid kommt. Uli Bachmeier erläutert in einem Hintergrund-Artikel auf die möglichen Optionen.