60 Jahre Eis in Neuburg
Vor ziemlich genau 60 Jahren eröffnen Cleto und Helga Cantonati das erste Eiscafé in der Großen Kreisstadt. Mittlerweile stehen Virginio und Maria hinter der Theke. Was beim Eis besonders wichtig ist und was sich verändert hat
Die Eisdiele Cantonati wird 60. Sie war das erste italienische Eiscafé in Neuburg. Virginio und Maria Cantonati blicken auf die vergangenen Jahrzehnte zurück.
Neuburg Es war ein sonniger, frühsommerlicher Samstag. 19 Grad zeigte das Thermometer am 21. März 1959 – ein historischer Tag für Neuburg. Denn mit der „Gelateria Lago di Garda“eröffnete die erste italienische Eisdiele in der Stadt. „Als erfahrener, bekannter Eiskonditor werde ich mich immer bemühen, beste Qualitäten und Spezialitäten meinen verehrten Kunden zu bieten“, heißt es damals in einer Anzeige in der Neuburger Rundschau.
Auch 60 Jahre später ist das Eiscafé, das mittlerweile Cantonati heißt, nicht mehr aus Neuburg wegzudenken. Hinter der Theke stehen Virginio und Maria Cantonati – sie Portugiesin, er Halbitaliener. Seine Eltern waren es auch, die das italienische Eis nach Neuburg brachten. Virginios Vater Cleto wanderte schon in jungen Jahren aus dem norditalienischen Trient aus und kam nach Berlin. „Dort arbeitete er in Eisdielen“, erinnert sich Virginio. Doch durch den Zweiten Weltkrieg verlor sein Vater alles – nur um in Leipzig doch sein Glück zu finden: seine Frau Helga. Die beiden eröffneten in Wien eine Eisdiele, 1959 schließlich in Neuburg. Vier Jahre lang betrieb das Ehepaar beide Cafés parallel, ehe sie sich komplett für Oberbayern entschieden.
Schon bald arbeitete auch Virginio in der Eisdiele mit. „Die Saison 1974 war meine erste volle. Die Rezepte und die Erfahrungen hat mir mein Vater weitergegeben“, erklärt der heute 62-Jährige. Ohnehin seien die Rezepte streng geheim: Nur meine Frau und ich kennen sie. Schließlich sind sie unser Kapital.“
Mit welcher Leidenschaft Virginio Cantonati das Werk seiner Eltern weiterführt, wird spätestens dann deutlich, wenn er vom Eis spricht. „Ich esse nach wie vor für mein Leben gerne Eis. Aber ich brauche Ruhe dazu. Entweder ich esse es gemütlich oder gar nicht“, sagt er. Obwohl ihm alle Sorten schmecken, hat er für Erdbeereis eine besondere Schwäche. „Ich mag Erdbeeren in jeder Form. Zum Glück habe ich keine Allergie.“
Mit seiner Lieblingssorte liegt der Eiskonditor übrigens voll im Trend. Denn sieben Sorten hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten im Cantonati kontinuierlich an der Spitze gehalten – Vanille, Schoko, Haselnuss, Zitrone, Joghurt, Stracciatella und eben Erdbeere. Doch nicht alles ist in den vergangenen Jahrzehnten gleich geblieben. „Bakteriell ist die Herstellung in jedem Fall sicherer geworden. Früher war die Salmonellengefahr bei Eiern hoch. Heute kommen viele Sorten ohne Eier aus.“Der Preis für eine Kugel Eis habe sich natürlich ebenfalls geändert – „von vermutlich zehn Pfennig auf 1,20 Euro. Ich denke und hoffe, dass sich der Preis wieder einpendelt. Aber die Kosten für Strom, Wasser und Zutaten sind so in die Höhe geschnellt“, erläutert Cantonati.
Auch bei der Eisherstellung habe sich einiges getan. „Früher kam die Mischung in einen Kessel. In den Hohlraum außenrum gaben die Eishersteller Trockeneis und Salz.“Dabei gab das schmelzende Trockeneis seine Kälte an den Kessel ab. Heute unvorstellbar.
Trotz einiger Schicksalsschläge – der Tod der Eltern und ein schwerer Herzinfarkt vor drei Jahren – verbinden die Cantonatis viele schöne Erinnerungen mit ihrem Eiscafé. „Zu Beginn der Ferien kamen in den 70er Jahren die Schüler in Scharen hier rein. Zu der Zeit hatten wir auch eine Musikbox – das waren noch Zeiten“, erinnert er sich. Auch langjährige Ehepaare haben sich in der Eisdiele zum ersten Mal kennengelernt. „Wir waren also auch für die Romantik da“, sagt der 62-Jährige und lacht.
Ansonsten sind er und seine Frau vor allem damit beschäftigt, Eis zu machen. 15 bis 20 Sorten machen Cantonatis in der Hochsaison täglich. Neun Sorten passen zudem ins Eisfahrrad, mit dem Virginio seit 20 Jahren Feste versorgt und das Eis zu den Menschen bringt. Cantonatis machen also fast jeden Tag Eis. Virginios Philosophie dabei: „Ich bin erst zufrieden, wenn der Geschmack nicht gleich verfliegt. Er muss noch etwas nachwirken.“Und bezogen auf sein Erdbeereis: „Wenn ich das Gefühl habe, in eine frische Erdbeere zu beißen, dann bin ich mit dem Resultat zufrieden.“
» Weitere Bilder aus der Eisdiele finden Sie online unter www.augsburger-allgemeine.de/neuburg