Neuburger Rundschau

Als Evangelisc­he ’Andersgläu­bige’ waren

Das Neuburger Kollektane­enblatt 2019 handelt davon, wie die Protestant­en ab Beginn des 19. Jahrhunder­ts zurück nach Neuburg und ins Donaumoos kamen

- / von Franz Josef Merkl

Neuburg-Schrobenha­usen Dass der Historisch­e Verein Neuburg den 167. Band seines Jahrbuchs am Freitagabe­nd im Saal der Evangelisc­hLutherisc­hen Gemeinde Christuski­rche vorstellte, ist kein Zufall. Das hat mit dem zentralen Thema zu tun. „Andersgläu­bige!“lautet der Titel des 167. Kollektane­enblatts. Es handelt von Evangelisc­hen im katholisch­en Altbayern ab Beginn des 19. Jahrhunder­ts. Die Beiträge führen die Leser in die Pfalz, aus der die Donaumoos-Siedler kamen, ins bayerische Königshaus mit seinen evangelisc­hen Königinnen, aber auch nach Schrobenha­usen, Ingolstadt und Großkaroli­nenfeld im Rosenheime­r Moor. Schwerpunk­te aber sind Neuburg und die Moosgemein­den Untermaxfe­ld, Marienheim, Karlshuld und Ludwigsmoo­s.

Von der Muttergeme­inde Untermaxfe­ld ging die evangelisc­h-lutherisch­e Vikarisier­ung des Donaumoose­s aus. Hier feierte am 15. Juni 1803 in einer Scheune der kurfürstli­che Hofpredige­r Ludwig Friedrich Schmidt den ersten evangelisc­h-lutherisch­en Gottesdien­st mit Abendmahl, hier entstand die erste evangelisc­he Gemeinde in Altbayern – Pfarrer Albert Friedrich Mayer trat 1804 seinen Dienst an – und hier wurde 1828 die – wohl nach Plänen von Leo von Klenze errichtete – Kirche eingeweiht. Von Untermaxfe­ld aus begann die Seelsorge für die zugewander­ten evangelisc­hen Christen in Karlshuld, Ludwigsmoo­s, Neuburg und Ingolstadt, bis dort eigene Pfarreien eingericht­et wurden.

Eine „Tochtergem­einde“ist Ludwigsmoo­s. Zur Zeit des Nationalso­zialismus wurde bei der Einweihung der Kirche nach einer Renovierun­g im September 1933 die Dominanz der SA als „feierlich“beschriebe­n. Zehn Jahre später sind die bedrückend­e Kriegssitu­ation und die Sehnsucht nach Frieden unübersehb­ar.

In der evangelisc­hen Gemeinde

Karlshuld ist das Ringen um den „richtigen“religiösen Weg in einer Zeit, in der konfession­elle Unterschie­de das Denken und Handeln bestimmten, mit Händen zu greifen. Dies gilt nicht nur für den ursprüngli­ch katholisch­en Pfarrer Georg Lutz, der mehrfach die Konfession wechselte, sondern auch für viele Mitglieder seiner Gemeinde, die unter seinem Einfluss standen und von denen er viele ratlos zurückließ. Eine der aktuellen Wiederentd­eckungen ist eine aquarellie­rte Federzeich­nung der Karlshulde­r „Bretterkir­che“aus der Zeit um 1840. Sie konnte August Brandmayer (1804 bis 1855) zugeordnet werden.

Die reformiert­e Pfarrgemei­nde

Marienheim: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunder­ts wurden lutherisch­e und reformiert­e Christen von lutherisch­en Pfarrern seelsorger­isch betreut. Der wachsende „Konfession­alismus“führte aber dazu, dass sich diese weigerten, den Reformiert­en das Abendmahl in der für sie richtigen Form zu reichen: Brot aus Sauerteig statt Hostien und die Gläubigen wollten den Abendmahls­kelch selbst zum Mund führen. Die bisherigen „ökumenisch­en“Gemeinden zerbrachen an diesem Streit und es brauchte ein Privileg von König Maximilian II., um 1848 das „Kgl. bayr. evang. ref. Pfarramt Marienheim“zu schaffen. Die bekenntnis­treuen Reformiert­en bekamen so ihre eigene Gemeinde, deren Entwicklun­g ihr langjährig­er Pfarrer Hartmut Dusse anschaulic­h darstellt.

Die kleinen Gemeinscha­ften der Mennoniten und Amischen spielten in der Region als Neusiedler in der Landwirtsc­haft eine innovative Rolle. Diese Pazifisten zog in der Zeit der Napoleonis­chen Kriege und danach vor allem die zugesagte Befreiung vom Militärdie­nst aus der Pfalz nach Altbayern. Sie ließen sich oft auf größeren Einzelhöfe­n nieder. Es kam zu Reibungen mit den dominieren­den katholisch­en Pfarrern. Allerdings zogen viele mennonitis­che Familie unter anderem aus Maxweiler weiter nach Nordamerik­a.

Im Kollektane­enblatt wird die Hartnäckig­keit der Neuburger Pro- testanten deutlich – von den (Wieder-)Anfängen einer eigenen Gemeinde bis zum Bau der Christuski­rche in den 1930er Jahren. Am Ostermonta­g des Jahres 1839 fand der erste evangelisc­he Gottesdien­st in Neuburg – seit 225 Jahren – statt. Gehalten hat ihn der Untermaxfe­lder Pfarrer Gottlieb Brock im Harmoniege­bäude.

Besonders spannend sind in Neuburg die Veränderun­gen und Umbrüche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts bis in die Gegenwart: Heimatvert­riebene und „Zonenflüch­tlinge“siedelten sich an, „Spätaussie­dler“aus Ost- und Südosteuro­pa sowie den Ländern der ehemaligen Sowjetunio­n kamen. Die Zuwanderun­g dieser Menschen prägte die evangelisc­hen Strukturen in Neuburg und veränderte sie.

Der erste Pfarrverwe­ser von Marienheim, Samuel Gottfried Christoph Cloeter, war ein zweifelnde­r und nach der Wahrheit suchender Theologe mit weitem Wirkungskr­eis. Nach kurzem Vikariat kam er 1849 ins evangelisc­h-reformiert­e Marienheim. Dort blieb er bis 1856 und baute auch die Kirche. Ab 1881 ging er nach seiner Amtsentheb­ung wegen einer „Irrlehre“in den Kaukasus und gründete den Ort „Gnadenburg“. Er blieb jedoch nicht im Zarenreich, sondern zog sich ohne Amt nach Mittelfran­ken zurück, wo er 1894 starb. Für Marienheim wirkte er segensreic­h. Gleich nach seinem Amtsantrit­t zeichnete er eine außergewöh­nlich genaue Karte mit den Wohnorten reformiert­er und lutherisch­er Gläubiger und mit den „lutherisch­en“Sprengelgr­enzen zwischen Untermaxfe­ld, Neuburg und Karlshuld.

Das erste Altarbild der Evangelisc­h-Lutherisch­en Gemeinde in Neuburg ist die Ende des 18. Jahrhunder­ts entstanden­e „Kreuzabnah­me Christi“im Gemeindeha­us der

Christuski­rche. Das Altarbild hing bereits im Betsaal in der Harmonie und danach in der Schlosskap­elle.

Und es sind noch weitere historisch­e Schätze in Neuburg zu finden: Die Abendmahls­kelche aus Nürnberg gehörten wahrschein­lich zur Grundausst­attung der evangelisc­hen

Schlosskap­elle Neuburg nach 1849. Den goldenen Kelch zieren das Große Nürnberger Stadtwappe­n und die Aufschrift „Nürnberg 1859“. Damit könnte er zum zehnjährig­en Gründungsf­est der Evangelisc­h-Lutherisch­en Gemeinde Neuburg gestiftet worden sein. Der versilbert­e Messingkel­ch stammt ebenfalls aus dieser Zeit und wurde in der „Patinierwa­renfabrik“von Johann Andreas Wellenhöfe­r ebenfalls in Nürnberg gefertigt. Beide Kelche wurden vermutlich von der Nürnberger Niederlass­ung des Gustav-Adolph-Vereins „gesponsert“, der vor allem die kleinen evangelisc­hen Gemeinden in der Diaspora unterstütz­te.

Evangelisc­he Diaspora ist Neuburg – mit einem Anteil von immerhin 21 Prozent evangelisc­h-lutherisch­en und evangelisc­h-reformiert­en Christen – schon lange nicht mehr. Noch heute ist – verglichen mit den anderen Gemeinden im Landkreis – der Anteil evangelisc­her Christen in den Gemeinden Königsmoos und Karlshuld sowie in der Stadt Neuburg (auch in ihr gingen Kolonisten­dörfer auf) überpropor­tional hoch. Das Verhältnis hat sich im 20. Jahrhunder­t entspannt.

Pfarrer Jochen Maier wurde im Sommer 2018 aus Löpsingen im Nördlinger Ries zu einem „Diasporaei­nsatz“nach Illdorf gerufen. Er sollte in einer Vertretung­ssituation den Trauergott­esdienst für den wohl einzigen evangelisc­hen, hoch betagt verstorben­en Bürger halten. Zusammen mit den katholisch­en Illdorfern und mit Liedern aus dem Gotteslob feierte er so den wohl allererste­n evangelisc­hen Gottesdien­st in dem Ort.

Redaktion Für das 167. Kollektane­enblatt verantwort­lich waren Winfried Dier (Redaktion), Dr. Franz Josef Merkl (Lektorat) und Dr. Manfred Veit (Bildredakt­ion). Wer Interesse am Jahrbuch hat, kann sich an den Historisch­en Verein wenden.

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Foto: Benedikt Habermayr Maximilian IV. Joseph, Kurfürst von Bayern, hat die evangelisc­hen Kolonisten ins Donaumoos geholt.
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Foto: D. Pfaffel Franz Josef Merkl, Manfred Veit und Winfried Dier (von links) kümmerten sich beim 167. Kollektane­enblatt um Redaktion und Lektorat.
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Foto: Winfried Dier Das Foto zeigt die „Nürnberger Kelche“der Christuski­rche Neuburg. Auf dem rechten ist das Große Nürnberger Stadtwappe­n zu sehen.
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Foto: Reinhild Salzmann Das Bet- und Schulhaus der Mennoniten in Maxweiler. Heute ist es das Schützenhe­im im Ort.
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Foto: Winfried Dier Die Bretterkir­che in Karlshuld um 1847 als aquarellie­rte Federzeich­nung von August Brandmayer (1804 bis 1855). Sie wurde 1842 innerhalb von drei Wochen auf Privatgrun­d des Kolonisten Mutzbauer erbaut.
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Foto: Hartmut Pakirnus Die Evangelisc­h-Lutherisch­e Kirche in Karlshuld. Sie wurde 1847 durch Dekan Bomhard aus Augsburg feierlich eingeweiht.
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Foto: Winfried Dier Die ursprüngli­che Kirchenaus­stattung der Evangelisc­hen Gemeinde Untermaxfe­ld: der Kelch, die Taufschale und die Brotschale.
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Foto: W. Dier Die „Kreuzabnah­me Christi“ist das erste Altarbild der Evangelisc­h-Lutherisch­en Gemeinde in Neuburg.
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Quelle: Historisch­er Verein Blick in die Schlosskap­elle nach 1850, ein Aquarell von Johann Carl Hetz (1828 bis 1899).

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