Berufsbetreuer muss hinter Gitter
Warum dem Richter in diesem speziellen Fall der Untreue eine Bewährungsstrafe nicht mehr genug war
Neuburg Zwölf Monate Haft. So lautet das Urteil, das Richter Marius Lindig am Freitagvormittag über einen Berufsbetreuer aus der Region gesprochen hat. Der Mann stand an drei Verhandlungstagen vor dem Neuburger Amtsgericht, weil er zwischen 2015 und 2017 1670 Euro von einem seiner Klienten veruntreut haben soll (wir berichteten). Das heißt, er soll das Geld vom Konto des Betreuten abgehoben, aber nicht für ihn verwendet haben. Obwohl der Angeklagte keine Vorstrafen hat, sprach der Richter die Freiheitsstrafe nicht mehr zur Bewährung aus.
„Es handelt sich hier nicht um einen alltäglichen Fall der Untreue“, sagte Lindig, nachdem er den Berufsbetreuer schuldig gesprochen hatte. Zum einen habe der Angeklagte gewerbsmäßig gehandelt und sich für einen längeren Zeitraum einen „schönen Nebenverdienst“verschafft. Zum anderen habe der 55-Jährige die Hilflosigkeit eines Schutzbedürftigen ausgenutzt, erklärte der Richter sein Urteil. „Als Berufsbetreuer arbeiten Sie in einem Berufsfeld, das besonders heikel ist.“Hinzu käme, da waren sich Lindig und Staatsanwalt Thorsten Schalk einig, dass die Rechtsordnung gewahrt werden müsse. Eine Bewährungsstrafe sei der Öffentlichkeit nicht vermittelbar. Neben der Haftstrafe, die der Mann nun absitzen muss, hat er Wertersatz in Höhe der Schadenssumme zu leisten und die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte hat eine Woche Zeit, Berufung oder Revision einzulegen.
Carmen Reicheneder, die Verteidigerin des Betreuers, hatte in einem flammenden Plädoyer vergeblich einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert, der bis zum Ende seine Unschuld beteuerte. Ihr Antrag auf ein aktuelles psychiatrisches und psychologisches Gutachten über den Betreuten war kurz zuvor bereits abgelehnt worden. In einem Gutachten und einem Attest aus der Vergangenheit war nämlich von einer Psychose die Rede gewesen, von einer wahnhaften Störung. In ihrem Plädoyer betonte die Verteidigerin immer wieder die Beeinflussbarkeit und die eingeschränkte Kritikfähigkeit des inzwischen trockenen Alkoholikers. Seine Zeugenaussage sei nicht glaubwürdig und könne wenig bis gar nicht als Beweis gewertet werden. Dabei unterstellte sie ihm keine Absicht. Ihrer Ansicht nach hätten jedoch sich wiederholende und zielgerichtete Fragestellungen aus seinem Umfeld bei dem Betreuten durchaus gewisse Vorstellungen hervorrufen können. Der 62-Jährige könne nicht unterscheiden, was wahr ist und was nicht. Daraus habe sich schließlich ein „suggestiver Selbstläufer“entwickelt.
Mit dieser Argumentation konnte sie Richter Marius Lindig allerdings nicht überzeugen. Er glaubte nicht an ein Komplott zwischen dem Sozialverband, in dessen Wohngruppe der Betreute lebte, und dem neuen, ehrenamtlichen Betreuer gegen den Angeklagten. In seiner Urteilsbegründung stellte der Richter zwei Punkte besonders heraus: Zum einen hielt er es für wenig glaubhaft, dass der Betreuer seinem damaligen Klienten Bargeld gegeben habe, obwohl er wusste, dass die Summe auf dessen Taschengeldkonto beim Sozialverband ohnehin zu hoch gewesen sei. Zum anderen erachtete er es als sehr wahrscheinlich, dass der Betreute Bargeldbögen blanko unterschreiben musste, wie dieser es am zweiten Verhandlungstag ausgesagt hatte. Lindig: „Ich meine, als Laie erkennen zu können, dass die Unterschriften in einem Rutsch geleistet wurden. Die anderen Spalten sind meiner Überzeugung nach von Ihnen ausgefüllt worden.“