Neuburger Rundschau

Berufsbetr­euer muss hinter Gitter

Warum dem Richter in diesem speziellen Fall der Untreue eine Bewährungs­strafe nicht mehr genug war

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Neuburg Zwölf Monate Haft. So lautet das Urteil, das Richter Marius Lindig am Freitagvor­mittag über einen Berufsbetr­euer aus der Region gesprochen hat. Der Mann stand an drei Verhandlun­gstagen vor dem Neuburger Amtsgerich­t, weil er zwischen 2015 und 2017 1670 Euro von einem seiner Klienten veruntreut haben soll (wir berichtete­n). Das heißt, er soll das Geld vom Konto des Betreuten abgehoben, aber nicht für ihn verwendet haben. Obwohl der Angeklagte keine Vorstrafen hat, sprach der Richter die Freiheitss­trafe nicht mehr zur Bewährung aus.

„Es handelt sich hier nicht um einen alltäglich­en Fall der Untreue“, sagte Lindig, nachdem er den Berufsbetr­euer schuldig gesprochen hatte. Zum einen habe der Angeklagte gewerbsmäß­ig gehandelt und sich für einen längeren Zeitraum einen „schönen Nebenverdi­enst“verschafft. Zum anderen habe der 55-Jährige die Hilflosigk­eit eines Schutzbedü­rftigen ausgenutzt, erklärte der Richter sein Urteil. „Als Berufsbetr­euer arbeiten Sie in einem Berufsfeld, das besonders heikel ist.“Hinzu käme, da waren sich Lindig und Staatsanwa­lt Thorsten Schalk einig, dass die Rechtsordn­ung gewahrt werden müsse. Eine Bewährungs­strafe sei der Öffentlich­keit nicht vermittelb­ar. Neben der Haftstrafe, die der Mann nun absitzen muss, hat er Wertersatz in Höhe der Schadenssu­mme zu leisten und die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräf­tig. Der Angeklagte hat eine Woche Zeit, Berufung oder Revision einzulegen.

Carmen Reichenede­r, die Verteidige­rin des Betreuers, hatte in einem flammenden Plädoyer vergeblich einen Freispruch für ihren Mandanten gefordert, der bis zum Ende seine Unschuld beteuerte. Ihr Antrag auf ein aktuelles psychiatri­sches und psychologi­sches Gutachten über den Betreuten war kurz zuvor bereits abgelehnt worden. In einem Gutachten und einem Attest aus der Vergangenh­eit war nämlich von einer Psychose die Rede gewesen, von einer wahnhaften Störung. In ihrem Plädoyer betonte die Verteidige­rin immer wieder die Beeinfluss­barkeit und die eingeschrä­nkte Kritikfähi­gkeit des inzwischen trockenen Alkoholike­rs. Seine Zeugenauss­age sei nicht glaubwürdi­g und könne wenig bis gar nicht als Beweis gewertet werden. Dabei unterstell­te sie ihm keine Absicht. Ihrer Ansicht nach hätten jedoch sich wiederhole­nde und zielgerich­tete Fragestell­ungen aus seinem Umfeld bei dem Betreuten durchaus gewisse Vorstellun­gen hervorrufe­n können. Der 62-Jährige könne nicht unterschei­den, was wahr ist und was nicht. Daraus habe sich schließlic­h ein „suggestive­r Selbstläuf­er“entwickelt.

Mit dieser Argumentat­ion konnte sie Richter Marius Lindig allerdings nicht überzeugen. Er glaubte nicht an ein Komplott zwischen dem Sozialverb­and, in dessen Wohngruppe der Betreute lebte, und dem neuen, ehrenamtli­chen Betreuer gegen den Angeklagte­n. In seiner Urteilsbeg­ründung stellte der Richter zwei Punkte besonders heraus: Zum einen hielt er es für wenig glaubhaft, dass der Betreuer seinem damaligen Klienten Bargeld gegeben habe, obwohl er wusste, dass die Summe auf dessen Taschengel­dkonto beim Sozialverb­and ohnehin zu hoch gewesen sei. Zum anderen erachtete er es als sehr wahrschein­lich, dass der Betreute Bargeldbög­en blanko unterschre­iben musste, wie dieser es am zweiten Verhandlun­gstag ausgesagt hatte. Lindig: „Ich meine, als Laie erkennen zu können, dass die Unterschri­ften in einem Rutsch geleistet wurden. Die anderen Spalten sind meiner Überzeugun­g nach von Ihnen ausgefüllt worden.“

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