Neuburger Rundschau

Staubsauge­r und Kaffeemasc­hine

Stephan Crump, Ingrid Laubrock und Cory Smythe mit Jazz-Avantgarde

- VON RAPHAEL BECK

Neuburg Wortwörtli­ch Unerhörtes bot am vergangen Samstagabe­nd im Birdland-Jazzkeller das deutschame­rikanische Trio Crump – Laubrock – Smythe: modernste Jazzimprov­isation, ohne wahrnehmba­ren Bezug zu althergebr­achter Musikgramm­atik, aber dafür mit hoch spannenden Klangfarbe­n und frischen Einfällen.

Stephan Crump hat am Bass einen verblüffen­d knackig gezupften Ton, den er mithilfe von paralleler Mouthpercu­ssion im Gesamtklan­g noch durchdring­ender zur Geltung bringt; er übernimmt so quasi den nicht besetzten Schlagzeug­part. Auch mit Bogen besticht Crump durch höchste Sauberkeit der Töne und schönes Vibrato. In den oberen Lagen ist klanglich kaum ein Unterschie­d zu einem Cello auszumache­n. Ebenso beeindruck­end, dass er seine rhythmisch und melodisch vertrackte­n Linien noch halblaut mitsingen kann.

Ingrid Laubrock holt alles aus ihrem Tenorsaxof­on heraus: Sie erzeugt Staubsauge­r- und Kaffeemasc­hinensound­s, Wasserkoch­erpfiffe sowie bis zu einer Minute lang dauernde Töne, indem sie gleichzeit­ig durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmet.

Die quietschen­den und schmatzend­en Fenster-Putzgeräus­che, die Ingrid Laubrock ihrem Instrument mit abgeschrau­btem Mundstück entringt, sorgen im Publikum für Schmunzeln. Streckenwe­ise spielt die Musikerin sie sogar zweistimmi­g. Die wahnwitzig­en Tongirland­en ohne erkennbare tonale Heimat, die sie zwischendu­rch einstreut, wirken da im Vergleich fast zahm und gewohnt.

Pianist Cory Smythe spielt fast durchgehen­d mit einer Hand im Bösendorfe­r-Flügel. Mit den Fingern, Plastikklö­ppeln und anderen Utensilien drückt er auf die Saiten, manipulier­t Tonhöhe und Klangfarbe und lässt so die per Tastatur angeschlag­enen Töne regelrecht zerlaufen. Dieser morbide wabernde Klang ist bestimmend für den Gesamtsoun­d des Trios.

Was Crump, Laubrock und Smythe zusammen kreieren, erfordert viel Aufmerksam­keit vom Zuhörer. In Noten aufschreib­en lässt es sich schon gleich gar nicht. Die Musik ist oft herb und grell, wirkt dabei aber nie hässlich oder beliebig. Viel Applaus für drei beseelt improvisie­rende Musiker.

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