Neuburger Rundschau

Ein schwerer Abschied

Zu kurz, zu heftig. Was haben wir Dir getan, lieber Winter?

- VON MAX VON LINDEN

Ach, wie schmerzlic­h ich Dich doch jetzt schon wieder vermisse. Du bist eben erst angekommen und schon eilst Du wieder fort. Du weißt, ich bin schon immer eines Deiner Kinder gewesen, habe tagelang im Schnee gespielt, war immer auf der Suche nach dem nächsten Rodelberg, doch was nun? Gerade einmal ein paar Wochen lang durften wir das Fallen der Flocken bestaunen. Haben Dich am Ende gar die ganzen Grantler vergrault?

Du weißt doch, wie wir Menschen sind. Wir sind Gewohnheit­stiere, und solange Du jedes Jahr pünktlich und andauernd kamst, hat sich doch auch keiner beschwert. Aber diese neue Mode, dass Du immer nur kurz, dafür aber jedes Mal heftiger hier aufschlägs­t, die gefällt uns wahrlich nicht. Du müsstest doch nur wieder regelmäßig kommen, sodass ein jeder sich an Dich gewöhnt.

Wenn Du da warst, dann kamen die Menschen wieder in den Wohnzimmer­n zusammen, manche haben ein Feuer angezündet. Du brachtest heiße Schokolade und kuschlige Decken, in die man sich ganz ohne schlechtes Gewissen Abende lang hüllen konnte, um all die guten Bücher zu lesen.

Bäume, Wiesen und Felder schliefen unter Deiner dicken weißen Decke. Die Tiere lagen da und ruhten die ganze Zeit. Viele Vögel nahmen sich endlich den wohlverdie­nten Urlaub im Süden. Ein jeder dachte mal wieder über sich selbst nach und was das neue Jahr, die nächste warme Zeit, wohl bringen möge.Was haben wir nur getan, um Dich zu kränken? Nun kommen sogar schon die Vögel früher aus dem Urlaub zurück. Gut erholt werden sie sich wohl nicht haben. Darum bitte ich Dich: Komm wieder und vor allem: Bleib länger!

In ewiger Verbundenh­eit, Dein Max

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Foto: Philipp Schäfer So verschneit sah es ganz zu Beginn des Jahres aus.

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