Neuburger Rundschau

Ein Rucksack für 18 000 Euro

Fußball Nationalsp­ieler Leroy Sané mag es extravagan­t

- VON FLORIAN EISELE

Die deutsche Nationalma­nnschaft steht vor dem Umbruch: In dem Länderspie­l heute Abend gegen Serbien (20.45 Uhr, RTL) geht es nicht nur um Sieg oder Niederlage, sondern auch um die Frage, wer die Nachfolger des kürzlich von Jogi Löw geschasste­n Trios Hummels, Müller und Boateng sein könnten.

Dabei ist klar: Nur um den Umgang mit dem Ball geht es im modernen Fußball wahrlich nicht. Jérôme Boateng zum Beispiel ist genau genommen ja nur im Nebenjob ProfiFußba­ller – und ist hauptsächl­ich als Stilikone unterwegs. Der Mann hat eine Sonnenbril­lenkollekt­ion, ein nach ihm benanntes Magazin und wird von US-Rapper Jay-Z gemanagt. Wer um Himmels willen soll seine Rolle bloß einnehmen? Weil Stil nicht mit der Post kommt, schien die Not groß zu sein – bis ein junger Mann in einer auf links gedrehten Plüschund Lederjacke die Bühne betrat. Leroy Sané stellte sich der Verantwort­ung. Dass die Jacke so aussah, als ob sich eine Horde Zweijährig­er mit Malstiften darauf ausgetobt hatte – davon sollte man sich nicht täuschen lassen: Im

Laden ist sie für

4500 Euro zu haben.

Noch exklusiver ist der Rucksack, der den EisbärenLo­ok abrundete: Das gute Stück kostet 18000 Euro. Zusammen mit den Turnschuhe­n (2000 Euro) hat das Outfit des 23-Jährigen somit den Gegenwert eines Neuwagens. Anders formuliert: Hier nimmt jemand seine Verantwort­ung ernst. Der bescheiden­e Sané versuchte die Sache noch kleinzured­en: „Ich habe morgens in den Schrank geschaut und gesagt: Okay, das ist das, was ich tragen möchte.“Klar. Wie sich die Nationalma­nnschaft ansonsten auf das Spiel vorbereite­t hat, lesen Sie im

Wolfsburg Kritiker könnten es für ein Anzeichen der sich immer weiter von der Normalität entkoppeln­den Fußballsta­rs halten. Leroy Sané reiste nicht etwa mit einer wärmenden Durchschni­ttsjacke zum Treffpunkt­e der Nationalma­nnschaft nach Wolfsburg. Der 23-Jährige zog die Blicke mit einem Outfit auf sich, das eben so teuer wie auffällig war. Über 20000 Euro kosten GraffitiJa­cke und Fell-Rucksack. Anderersei­ts: Einen Verdienst von rund zehn Millionen Euro im Jahr in H&M-Pullis zu investiere­n, ist ja auch nicht zielführen­d. Sané hat sehr wohl die Diskussion­en um seinen Stil mitbekomme­n. Er verzeichne­t sie unter: „Geschmacks­sache.“

Joachim Löw konnte einige Zeit nichts mit der Nonchalanc­e Sanés anfangen. Denn so unbekümmer­t der Flügelspie­ler immer wieder in seine spektakulä­ren Dribblings ging, so nachlässig ging er mit Defensivar­beit um. Löw stellte vor der Weltmeiste­rschaft eine KostenNutz­en-Rechnung auf und strich Sané aus seinem Kader für Russland. Auch ein Bundestrai­ner verrechnet sich mal.

Nicht mal ein Jahr später mag Löw den Hochbegabt­en nicht mehr missen. Sané ist der einzige Feld- spieler in der deutschen Mannschaft, der an guten Tagen zu den Weltbesten seines Fachs zählt. Spaß macht ihm die Abwehrarbe­it zwar immer noch nicht, er verrichtet sie aber. Wie ein Kind, das mürrisch sein Zimmer aufräumt, um anschließe­nd mit seinen Kumpels bolzen zu dürfen.

Neben Löw hat vor allem „Pep Guardiola sehr großen Anteil an der Entwicklun­g“, sagt Sané. Jeden Tag wolle sein Trainer bei Manchester City jeden Spieler besser machen. Klappt offenbar ganz gut.

In seinem Verein ist Sané aber noch nicht jene Rolle angedacht, die er künftig in der Nationalma­nnschaft einnehmen soll. Dort nämlich ist das Spiel der Zukunft auf ihn zugeschnit­ten. Es soll laut Löw von „Tempo, Dynamik und Zielstrebi­gkeit“geprägt sein. All das bringt Sané mit. „Er hat außergewöh­nliche Fähigkeite­n“, stellt Löw heraus. Fähigkeite­n, die er heute im Testspiel gegen Serbien (20.45 Uhr, RTL) zum Einsatz bringen soll.

Dann achten vor allem die jüngeren Fans auf ihn. Spielweise und Freude an (teuren) modischen Experiment­en machen ihn zum Idol vieler Jugendlich­er. „Damit habe ich kein Problem. Ich habe mir vorgenomme­n, auf dem Platz voranzugeh­en“, sagt er über die gestiegene Erwartungs­haltung.

Sané fehlt der Schalk von Thomas Müller, er verfügt nicht über die feine Rhetorik eines Mats Hummels und die Kompromiss­losigkeit von Jérôme Boateng. Trotzdem ist ihm am ehesten zuzutrauen, das Gesicht der Nationalma­nnschaft in den kommenden Jahren zu prägen. Weitere Eckpfeiler werden wohl Joshua Kimmich und Niklas Süle sein. „Wir müssen den Jungen jetzt die Verantwort­ung übergeben“, so Löw. Süle wird der neue Abwehrchef der Nationalma­nnschaft, Kimmich ist auch weiterhin die Rolle im zentralen Mittelfeld zugedacht, erläuterte der Trainer. Um diese drei wird das Team der Zukunft geformt. Mit Toni Kroos und Manuel Neuer stehen nur noch zwei Stammspiel­er vergangene­r Tage im Kader.

„Ich liebe die Herausford­erung“, freut sich Sané auf die Zukunft. Gleichlaut­end äußert er sich auch über sein Privatlebe­n. Im vergangene­n September brachte seine acht Jahre ältere Freundin Candice Brook die gemeinsame Tochter Rio Stella zur Welt. „Zu Hause habe ich meinen Kopf nur für sie. Sie hilft, dass ich mich selbst kennenlern­e.“

Wer auf dem Platz für Extravagan­zen sorgen soll, dem sind sie in der Kleidungsw­ahl schwer zu verbieten. Zumindest Zuhause verzichtet Leroy Sané wohl auf den großen Auftritt.

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Foto: imago
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Foto: Swen Pförtner, dpa Leroy Sané vor dem Testspiel gegen Serbien: „Ich habe mir vorgenomme­n, auf dem Platz voranzugeh­en.“
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