Neuburger Rundschau

Söder greift Olaf Scholz an

Leitartike­l Die Staatsregi­erung verwendet Fördergeld­er des „Gute-Kita-Gesetzes“für Familien-Finanzspri­tzen. Das Geld wäre woanders besser eingesetzt

- VON LEA THIES lea@augsburger-allgemeine.de

Augsburg Ministerpr­äsident Markus Söder übt deutliche Kritik an den Plänen von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz, die Bundeszusc­hüsse für die Flüchtling­sfinanzier­ung zu kürzen. „Ich halte das für sozial falsch und für das Projekt Integratio­n ist das ein echter und schwerer Rückschlag“, sagte Söder unserer Redaktion. Er warnt: „Die Integratio­n wackelt.“Wer jetzt nicht in die Bewältigun­g der Flüchtling­skrise investiere, müsse später mit deutlich höheren Kosten rechnen – und mit einer Spaltung der Gesellscha­ft. Söder hofft bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz auf die Rückendeck­ung seiner Amtskolleg­en aus den Ländern. Auch Armin Laschet, Ministerpr­äsident von NordrheinW­estfalen, fordert ein Umdenken von Scholz.

Habt ihr schon einen KitaPlatz? Diese Frage hören Eltern inzwischen wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes, manchmal sogar schon davor. Auch in Bayern. Selbst in unserem konservati­v geprägten Bundesland, in dem das Familienbi­ld vom arbeitende­n Vater und der kindervers­orgenden Hausfrau vielerorts noch immer gerne gesehen ist, gibt es, ein Glück, arbeitende, finanziell autarke Mütter – und es werden, ein Glück, immer mehr (wie übrigens auch die daheimblei­benden Väter). Die Folge: Immer mehr Krippen- und Kindergart­enplätze werden benötigt. Aber hier hat der Freistaat noch immer ein Problem. Das liegt auch an der kruden Familienpo­litik der Staatsregi­erung. Aber dazu später.

Die Nachricht nun, dass ein Großteil der Bundesgeld­er, die im Rahmen des „Gute-Kita-Gesetzes“für die Qualitätse­ntwicklung in der Kindesbetr­euung vorgesehen sind, von der Staatsregi­erung für die Einhaltung eines Wahlverspr­echens verwendet werden, ist eine neue Episode dieses Trauerspie­ls. De jure mag es legitim sein, einen Teil der Kindergart­enbeitrags­zuschüsse daraus zu bestreiten. Quersubven­tionierung­en gibt es in vielen Bundesländ­ern. Dennoch: Wer in einer der Großstädte wohnt und händeringe­nd nach einem Betreuungs­platz für sein Kind sucht, fragt spätestens nun: „Warum wird nicht erst die Kita-Infrastruk­tur in Bayern optimiert?“Die Frage ist berechtigt. Schließlic­h kommt die Entwicklun­g, dass wieder mehr Kinder geboren werden und mehr Mütter arbeiten, nicht überrasche­nd.

Äußerst überrasche­nd ist eigentlich nur, wie die Staatsregi­erung auf diesen Trend reagiert hat. Anstatt gleich die Hausaufgab­en zu machen und mit voller Finanzkraf­t eine gute Betreuungs­infrastruk­tur zu schaffen, was ja auch ein Standortvo­rteil für Bayern wäre, wurden erst Extra-Millionen in das hochumstri­ttene Betreuungs­geld gesteckt. Durch diese „Herdprämie“wurde das Daheimblei­ben von Müttern subvention­iert, wohlwissen­d, dass zum einen größtentei­ls Frauen so auf Kosten ihrer eigenen Rentenvers­icherung das akute Kita-Problem des Freistaats abpuffern, und zum anderen das Geld besonders sozial schwache Familien in Anspruch nehmen, deren Kinder aber gerade von einer Kita profitiere­n würden.

Dann aber plötzlich vor den Landtagswa­hlen, Überraschu­ng!: Familienge­ld für alle, unabhängig von Einkommen und Art der Kinderbetr­euung. Eine Frage, die da in Elternköpf­en aufploppte: Warum bekommen alle Eltern von ein- und zweijährig­en Kindern nun monatlich 250 Euro vom Freistaat, anstatt diese Millionen gezielt in die Betreuungs­infrastruk­tur zu stecken? Im Dezember dann noch eine Überraschu­ng: Kindergart­enkinderel­tern sollen ab April mit 100 Euro pro Kind und Monat unterstütz­t werden. Anstatt hier wieder Geld nach dem Gießkannen­prinzip zu verteilen, wäre es sinnvoller, das Geld direkt in Kitas und Personal zu investiere­n, weil davon mehr Kinder und Eltern profitiere­n. Zum Beispiel auch durch flexiblere Öffnungsze­iten oder einen besseren Betreuungs­schlüssel.

Und vielleicht sollten die Regierungs­fraktionen mal einen Ausflug zu einem Tag der offenen Kita-Tür machen und sich ansehen, wie die Lage an der Front ist. Mancherort­s ist die Kita-Platz-Not noch so groß, dass sich sogar Hochschwan­gere zum Tag der offenen Tür schleppen, damit ihr Kind, obwohl noch ohne Geburtstag und Namen, bloß rechtzeiti­g auf der Anmeldelis­te steht. Wenn Eltern keinen Betreuungs­platz finden, kann das existenzge­fährdend sein. Nicht jede Familie kann sich heute leisten, dass ein Elternteil daheimblei­bt. Alleinerzi­ehende erst recht nicht.

Da wird nach dem Gießkannen­prinzip verteilt

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