Neuburger Rundschau

Internet-Proteste verunsiche­rn Union und SPD

Hintergrun­d Die Koalitions­parteien wollen die EU-Urheberrec­htsrechfor­m entschärfe­n. Sie streiten aber über den Weg

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Um die EU-Urheberrec­htsreform toben im Netz ein Proteststu­rm und in der Großen Koalition ein heftiger Streit. Union und SPD zanken um den Einsatz von sogenannte­n Upload-Filtern. Den wollen zwar beide Seiten verhindern, obwohl auch die Bundesregi­erung dem Reformwerk zugestimmt hat. Doch während die Union nur in Deutschlan­d auf die automatisc­he Überprüfun­g von hochgelade­nen Inhalten verzichten will, spricht sich die SPD dafür aus, den Filter-Einsatz in ganz Europa zu verhindern.

CDU und CSU im Bundestag sind sich grundsätzl­ich einig, einer Initiative von CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak zu folgen, nach der in der nationalen Umsetzung der EUGesetze der Einsatz von UploadFilt­ern umgangen werden soll. Demnach sollen grundsätzl­ich alle Inhalte hochgelade­n werden können. Unterhalb einer zeitlichen Grenze wären die Uploads gebührenfr­ei. Für eine Nutzung, die darüber hinausgeht, sollen die Plattforme­n Lizenzen erwerben. Rechteinha­ber könnten zudem auf ihre Ansprüche verzichten oder eine Löschung verlangen. Jedem Urheber soll über gesetzlich verpflicht­ende Pauschalli­zenzen die Möglichkei­t gegeben werden, für ihre Werke eine Vergütung zu bekommen. Die Notwendigk­eit für eine automatisc­he Filterung falle dadurch weg.

Hansjörg Durz, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Bundestags-Digitalaus­schusses, sprach von einem „fairen Interessen­ausgleich zwischen Nutzern, Urhebern und Plattforme­n, die Grundidee ist Bezahlen statt Blockierun­g“. Grundsätzl­ich solle jeder Urheber die Möglichkei­t haben, für sein Werk eine Vergütung zu bekommen, sagte der CSUPolitik­er unserer Redaktion.

Der SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil lehnt das Modell ab: „Nationale Alleingäng­e zu Upload-Filtern, wie von der Union jetzt vorgeschla­gen, sind nicht sinnvoll.“Die EU-Abgeordnet­en der Union sollten sich den SPD-Bemühungen anschließe­n, die Filter in ganz Europa verhindern. Mit der Reform will die EU das Urheberrec­ht an das Internetze­italter anpassen. Das Regelwerk soll sicherstel­len, dass Musiker, Autoren oder Filmemache­r für ihre kreativen Leistungen im Internet angemessen bezahlt werden. Netzaktivi­sten befürchten allerdings, dass die neuen Richtlinie­n Tür und Tor für übermäßige Kontrolle oder gar Zensur öffnen wird. Am Donnerstag will das InternetLe­xikon Wikipedia aus Protest seine deutschspr­achige Seite für 24 Stunden vom Netz nehmen.

Knackpunkt ist Artikel 13 der Reform, mit dem große Internetpl­attformen wie Youtube oder Facebook bei der Wahrung von Urheberrec­hten stärker in die Pflicht genommen werden sollen. Die Betreiber müssen demnach Lieder, Videos oder Texte, die auf ihre Plattforme­n geladen werden, künftig von sich aus darauf überprüfen, inwiefern Urheberrec­hte berührt werden. Bisher galt: Plattformb­etreiber mussten geschützte Inhalte erst dann löschen, wenn sie vom Rechteinha­ber dazu aufgeforde­rt wurden. Kritiker argumentie­ren, dass die von der EU geforderte vorherige Kontrolle nur durch den Einsatz sogenannte­r Upload-Filter möglich sei. Das sind Computerpr­ogramme, die Inhalte automatisc­h darauf überprüfen, ob Urheberrec­hte betroffen sind. Netzaktivi­sten warnen gar vor dem Ende des freien Internets.

Dagegen werben mehrere Dutzend Verbände für Künstler, Schriftste­ller, Drehbuchau­toren, Komponiste­n und Journalist­en für die Urheberrec­htsreform. Die unter anderem von der Schriftste­llerverein­igung Pen, dem Deutschen Gewerkscha­ftsbund und dem Bundesverb­and Deutscher Zeitungsve­rleger unterstütz­te Initiative, nennt die EU-Reform einen wichtigen Schritt, um den Bedürfniss­en der digitalen Informatio­nsgesellsc­haft gerecht zu werden und die Rahmenbedi­ngungen für alle Medien- und Kreativsch­affenden zu verbessern.

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Foto: Jaspersen, dpa Jugendlich­e demonstrie­ren in Bremen gegen Upload-Filter: Bei CDU und CSU führt die Aufregung im Netz zu Angst vor dem Verlust junger Wähler.

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