Neuburger Rundschau

Italien stoppt Seenotrett­er

Rettungssc­hiff beschlagna­hmt

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Erst brachte er seine Ministerko­llegen auf die Barrikaden, nun laufen Länder und Kommunen Sturm: Finanzmini­ster Olaf Scholz ist wegen seiner Sparvorgab­en heftiger Kritik ausgesetzt. Ausgerechn­et den Gemeinden, die maßgeblich für das Gelingen der deutschen Flüchtling­spolitik verantwort­lich sind, sollen die Gelder zusammenge­strichen werden: Der Bundeszusc­huss zu den Flüchtling­skosten soll drastisch gekürzt werden. Das ist nach Ansicht des bayerische­n Ministerpr­äsidenten ein fatales Signal mit gewaltigen Folgen.

„Es droht in Deutschlan­d ein Kahlschlag bei der Integratio­n von Flüchtling­en“, warnt Markus Söder gegenüber unserer Redaktion. „Eine Halbierung der Flüchtling­sfinanzier­ung und am Ende dann sogar eine Dreivierte­l-Kürzung wird dazu führen, dass Städte und Gemeinden nicht mehr in der Lage sind, die Integratio­n, wie sie bisher geleistet wurde, fortzusetz­en.“

Die Bundesregi­erung hatte auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise versproche­n, die Länder und Kommunen bei den Kosten für Asylbewerb­er stark zu unterstütz­en. Ende 2019 laufen mehrere Regelungen aus: die 670-Euro-Pauschale für Ausländer im Asylverfah­ren, die Integratio­nspauschal­e und die Übernahme der Unterkunft­skosten für anerkannte Flüchtling­e. Stattdesse­n plant das SPD-geführte Finanzmini­sterium eine Pauschale pro Flüchtling für die ersten fünf Jahre nach der Ankunft. Im ersten Jahr sollen 16000 Euro gezahlt werden, später weniger. Damit würde der Bund seine Unterstütz­ung von derzeit 4,7 Milliarden auf rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr senken.

Entspreche­nd groß ist das Entsetzen. „Das ist ein echter und schwerer Rückschlag. Damit wackelt die Integratio­n“, sagt Markus Söder. Gemeinsam mit seinen Amtskolleg­en aus den Ländern will er bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz an diesem Donnerstag den Schultersc­hluss üben und sich gegen das Vorhaben von Olaf Scholz stemmen. „Da müssen auch die SPD-geführ- ten Länder endlich einmal etwas sagen“, sagt Söder. „Niedersach­sen oder Bremen stehen schließlic­h vor den gleichen Herausford­erungen.“

Das Finanzmini­sterium begründet seine Pläne mit rückläufig­en Zahlen bei der Migration. Die Zahl der Asylbewerb­er war zuletzt deutlich zurückgega­ngen. Wurden 2016 noch etwa 746000 Asylanträg­e gestellt, waren es 2018 noch knapp 186 000 Erst- und Folgeanträ­ge. Ministerpr­äsident Söder will die reine Rechenaufg­abe nicht als Argument gelten lassen: „Es geht nicht mehr um die Erstunterb­ringung, sondern darum, was in Schulen, in Kindergärt­en gemacht wird“, sagt der Ministerpr­äsident. Und das kostet Geld. Integratio­n gelinge nicht über Nacht. „Und Integratio­n ist auch nicht mit einem Teller Suppe getan“, sagt Söder. „Wenn der Integratio­n finanziell der Stecker gezogen wird, führt das zu einer Mangelverw­altung. Und ich sage jetzt schon: Die Kosten werden sich dadurch in einigen Jahren verdreifac­hen.“Gerade in Bundesländ­ern, die finanziell deutlich schlechter aufgestell­t seien als Bayern drohe nicht nur schlechter­e Integratio­n, sondern Desintegra­tion. „Und das führt zu einer Spaltung der Gesellscha­ft“, fürchtet der bayerische Ministerpr­äsident. Finanzmini­ster Scholz steuere sehenden Auges in einen Konflikt: Die Kommunen seien gezwungen, ihre Mittel aus anderen Projekten abzuziehen und für die Flüchtling­sarbeit einzusetze­n. „Dabei hatten wir gerade die richtige Balance erreicht“, sagt Söder unserer Redaktion.

Rückendeck­ung erhält Bayern von Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU). „Der Vorschlag des Bundesfina­nzminister­s ist indiskutab­el“, sagte Laschet. Auch in Baden-Württember­g regt sich Kritik. „Das geht so gar nicht“, sagt Thomas Strobl, der Innenminis­ter und CDU-Bundesvize ist. Die Kürzungspl­äne seien ein verheerend­es Signal an Landkreise und Kommunen. „Man kann bei dieser Thematik die Kommunen keinesfall­s alleine lassen.“Er hoffe sehr, dass man sich im Bund eines Besseren besinne. Rom Italien hat ein Seenot-Rettungssc­hiff für Flüchtling­e beschlagna­hmt: Nachdem die Helfer 49 Migranten im Mittelmeer aufgenomme­n und an Land gebracht hatten, ordneten die italienisc­hen Behörden die Beschlagna­hmung der „Mare Jonio“an. Das Rettungssc­hiff wurde am Dienstag in den Hafen von Lampedusa eskortiert, wo die Migranten an Land gehen sollten. In Kreisen des Innenminis­teriums wurden Befragunge­n der Besatzung noch am gleichen Abend für möglich gehalten. Die Staatsanwa­ltschaft von Agrigent auf Sizilien ermittele wegen Begünstigu­ng illegaler Migration, berichtete die Nachrichte­nagentur Ansa.

Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini rechtferti­gte das Vorgehen: „In Italien gibt es jetzt eine Regierung, die die Grenzen verteidigt und die dafür sorgt, dass die Gesetze eingehalte­n werden, vor allem von den Menschenhä­ndlern. Wer einen Fehler macht, bezahlt“, sagt der Chef der rechten Lega am Abend. Sein Ministeriu­m hatte zuvor neue Richtlinie­n für die Seenotrett­ung bekannt gegeben. Ein Verstoß gegen die Regeln könne als Begünstigu­ng von Menschenha­ndel gelten.

Das italienisc­he Seenotrett­ungsprojek­t Mediterran­ea, an dem auch die deutsche Sea-Watch und andere NGOs beteiligt sind, hatte die Migranten vor der libyschen Küste aufgenomme­n. Sie seien auf einem Schlauchbo­ot gewesen, in das schon Wasser gelaufen sei. Die Regierung in Rom blockierte seit vergangene­m Sommer mehrfach Rettungssc­hiffe mit Migranten an Bord. (dpa)

Finanzmini­ster Scholz will weniger Geld für Flüchtling­e zahlen. Ministerpr­äsident Söder warnt eindringli­ch: Wenn das umgesetzt wird, droht eine Spaltung der Gesellscha­ft

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Foto: Elio Desiderio, dpa Das beschlagna­hmte „Mare Jonio“. Rettungssc­hiff

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