Neuburger Rundschau

Gottschalk muss lesen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Quotenstar trifft Literaten, heraus kommt schlaue Unterhaltu­ng für ein breites Publikum. So war das Verspreche­n für die neue Literaturs­endung „Gottschalk liest?“, die am Dienstagab­end Premiere hatte im Bayerische­n Fernsehen. Nach 45 phasenweis­e unterhalts­amen Minuten kann man zumindest eines sagen: „Gottschalk spricht“wäre der ehrlichere, aber zugegebene­rmaßen weniger überrasche­nde Titel gewesen.

Das Etikett „Talkshow“passt besser zu der Sendung, die vier Mal im Jahr in immer einer anderen bayerische­n Stadt aufgezeich­net werden soll. Den Anfang hat nun Augsburg gemacht. Vier Autoren hat der bald 69 Jahre alte Moderator eingeladen, um mit ihnen über ihre neu erschienen­en Bücher zu sprechen: Sarah Kuttner („Kurt“), Ferdinand von Schirach („Kaffee und Zigaretten“), Vea Kaiser („Rückwärtsw­alzer“) sowie der Augsburger Fotograf Daniel Biskup („Wendejahre“) durften bei der bereits am Aschermitt­woch aufgezeich­neten Sendung nacheinand­er neben Gottschalk auf einer Sitzgruppe im Vintage-Stil im Kurhaus Göggingen Platz nehmen.

Fernsehen und Literatur haben einiges gemeinsam. Beide leben vom und für das Erzählen. Beiden schaffen – zumindest, wenn es gut geht – Scheinwelt­en, in die man eintauchen will. Trotzdem hat es in den vergangene­n Jahren nie mehr so recht geklappt, Literatur und Fernsehen zusammenzu­bringen: Wird es zu inhaltlich, landet man in der Nische, wird es zu polemisch, bekommt der Kritiker meist Angst, seinen Ruf aufs Spiel zu setzen. Der Spagat gelingt nur selten.

Und

Wie der Entertaine­r versucht, Literatur und Unterhaltu­ng zu versöhnen

selbst wenn – siehe Elke Heidenreic­h – ist das keine Garantie auf einen Sendeplatz. Gottschalk ist schlau genug zu wissen, dass seine Stärke nicht die Literaturk­ritik ist. Plaudern war also Programm. Umso unverständ­licher darum, dass der Mann mit der gefürchtet lockeren Schnauze die Chance nicht genutzt hat, die Gespräche mit seinen Gästen ins Freie, Improvisie­rte laufen zu lassen: Ein kurzer Einspieler zum Buch, einige inhaltlich­e Fragen und zack, schon geht es zum nächsten Gast. Anders ist das Pensum nicht zu schaffen, zumal am Ende noch Zeit für eine gemeinsame Schlussrun­de bleiben muss. Interessan­t wird es, als Gottschalk­s von Gedanken oft unbeschwer­ter Redestrom auf einen Menschen wie Ferdinand von Schirach trifft, der sich, laut eigener Aussage, „mit dem Glück etwas schwerer tut“. Schlagfert­ig und in sich ruhend nimmt der Autor dem Moderator das Heft aus der Hand. Ebenfalls zumindest bemerkensw­ert für eine Literaturs­endung: Wenn der Gastgeber damit kokettiert, dass er zur Vorbereitu­ng die Bücher der Gäste habe lesen müssen. Immerhin: Er sei bei allen danach froh gewesen, es getan zu haben. Gottschalk eben. Bei „Wetten, dass..?“war das ja nicht anders: keine Tiefenbohr­ungen. Aber dafür weiß er auch, wann er sich zurückhalt­en muss – und dass eine Aufzeichnu­ng am Ende noch geschnitte­n wird. So entwickelt sich doch eine muntere Schlussrun­de. Fazit: „Ein Buch darf nicht langweilen“– Marcel Reich-Ranickis Credo gilt auch fürs Fernsehen. Nach dem ersten Kapitel der neuen Gottschalk-Story weiß man noch nicht, wo der Autor hin will. Aber weiterscha­uen will man doch.

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Foto: Ulrich Wagner

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