Gegengift zu „Fifty Shades“
Corinna T. Sievers über weibliche Lust
Ein Auszug aus diesem Roman hat bereits im vergangenen Jahr beim Wettlesen des Bachmann-Preises Aufsehen erregt. Denn die Autorin Corinna T. Sievers schreibt in einer solchen Explizitheit und Frequenz über Sex, dass zarteren Gemütern schon mal die Ohren glühen könnten. Beispiele sparen wir uns hier, denn es gibt wirklich weitaus Interessanteres an diesem Buch. „Vor der Flut“nämlich ist so etwas wie ein Gegengift zum Bestseller-Kitsch des Prosecco-Pornos „Fifty Shades of Grey“. Es geht auch hier um Lust, aber eben nicht als Vehikel eines ollen Märchens, sondern als Motiv einer echten Tragödie. Darum braucht es für die Schmerzen auch keinen Peitschen-Kitzel, sondern der Abgrund des Menschseins genügt, abseits auch von Missbrauchs- oder Vergewaltigungsgeschichten.
Corinna T. Sievers, hervorgetreten mit Büchern wie „Samenklau“und „Die Halbwertszeit der Liebe“ist Anfang 50, auf Fehmarn aufgewachsen und Zahnärztin. Ihre Hauptfigur Judith ist Anfang 50, Zahnärztin, lebt auf einer Insel wie Fehmarn – und ist Nymphomanin. Mit 500 Männern hat sie ihren Gatten bereits betrogen, als sich eine neue Affäre anbahnt, ein Psychodrama beginnt. Wobei: Betrogen? Hovard weiß Bescheid, will als Freudianer ohnehin alles mit ihr besprechen und hat vor 25 Jahren sich selbst für eine körperlose Ehe entschieden… Ein mutiger, ein krasser Roman, der auch noch fast ganz gelingt. (ws)