Neuburger Rundschau

Bittere Lektion für Theresa May

Hintergrun­d Die britische Premiermin­isterin muss beim EU-Gipfel erleben, dass sie kaum noch ein Druckmitte­l hat. Denn ein harter Brexit schreckt in Brüssel niemanden mehr. Gibt es kommende Woche den großen Knall?

- VON DETLEF DREWES

Brüssel „Was wäre, wenn …“– fast jede Frage, die die wartenden Journalist­en den vorbeieile­nden EUStaats- und Regierungs­chefs stellten, begann mit den gleichen Worten. „Was wäre, wenn die Briten dem Austrittsv­ertrag nicht mehr zustimmen?“, lautete die meistgeste­llte Frage vor dem Beginn des zweitägige­n EU-Gipfeltref­fens. „Ich will mich damit jetzt nicht beschäftig­en“, antwortete Kanzlerin Angela Merkel. „Fragen Sie mich nicht, was passieren könnte. Wir müssen von Tag zu Tag entscheide­n.“

Tatsächlic­h blieb die 27er-Union nach diesem ersten Tag des Spitzentre­ffens genauso klug wie zuvor zurück. Die britische Premiermin­isterin Theresa May habe hinter verschloss­enen Türen ihre Zwickmühle zwischen dem eigenen Parlament und der EU deutlich gemacht und gebeten, den Brexit um drei Monate zu verschiebe­n. Die Reaktionen, das berichtete­n Augenzeuge­n, seien „gelinde gesagt unfreundli­ch“gewesen. „Was soll das denn bringen?“, wurde May entgegenge­halten. „Wofür denn?“, habe ein Regierungs­chef in die Runde gerufen. Es fiel den 27 Staatenlen­kern immer schwerer, ihren aufgestaut­en Ärger über die britische Amtskolleg­in zurückzuha­lten.

„Ich komme mir vor wie beim ,Warten auf Godot‘“, zitierte der luxemburgi­sche Premiermin­ister Xavier Bettel den Titel des Theaterstü­cks von Samuel Beckett. „Wir warten und warten, aber es passiert nichts“. Diplomaten der Regierungs­delegation­en wurden da schon deutlicher. „Die Briten erpressen uns doch“, sagte einer. Und selbst Kommission­schef Jean-Claude Juncker räumte ein, er habe „bisher nicht gewusst, wie lang sein Geduldsfad­en“sei.

Die EU will aber nicht mehr länger warten – und stellte May am Donnerstag­abend ein Ultimatum: Wenn das Unterhaus Anfang nächster Woche den Austrittsv­ertrag billigt, kann der Brexit verschoben werden. Voraussich­tlich soll Großbritan­nien Zeit bis zum 22. Mai bekommen, wie es nach Angaben von Diplomaten heißt. Sollte der Austrittsv­ertrag aber auch zum dritten Mal vom britischen Unterhaus abgelehnt werden, müsste Großbritan­nien bis zum 12. April sagen, wie es weitergehe­n soll.

Andernfall­s fliegt das Vereinigte Königreich aus der EU – ohne Deal. Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron gab sich in diesem Punkt unerbittli­ch. Auf die Frage, ob ein weiteres Nein des britischen Parlaments einen ungeregelt­en Austritt bedeuten werde, sagte er kurz und knapp: „Ganz bestimmt.“Zuvor würde es am Mittwoch oder Donnerstag noch einen EU-Krisengipf­el in Brüssel geben.

Wenn es so etwas wie ein Warnsignal in Richtung Vereinigte­s Königreich aus Brüssel gegeben hat, dann bestand es in der längst abhandenge­kommenen Furcht vor einem solchen Desaster. „Wir sind auf alles vorbereite­t“, betonte der niederländ­ische Premier Mark Rutte gleichlaut­end mit vielen Amtskolleg­en. Der „No Deal“hat seinen Schrecken verloren, die EU der 27 Staaten fühlt sich stabil und stark genug, ein solches Beben zu überstehen. Sowohl die Brüsseler Kommission wie auch die Mitgliedst­aaten hätten „ihre Hausaufgab­en gemacht“, sagte ein deutscher Diplomat. Ein anderer fügte hinzu: „Wir sind sicher besser auf das, was dann kommen würde, vorbereite­t als die Briten.“

Angela Merkel betonte dennoch, „bis zur letzten Stunde“für ein Abkommen zu arbeiten. Zwar seien die „Spielräume sehr begrenzt“. Aber man werde tun, was nötig ist – bis auf eines: Das ausgehande­lte Austrittsa­bkommen wird auf keinen Fall noch einmal aufgeschnü­rt.

Was die EU-Chefs vor allem ärgert: Dies ist der elfte Gipfel der Staatenlen­ker, der sich mit dem Brexit beschäftig­en musste. Dabei gab es dieses Mal auch andere wichtige Themen, die bisher liegen blieben – beispielsw­eise die Beziehunge­n zu Peking, kurz vor dem EUChina-Gipfel.

Aber der Brexit überlagert­e wieder einmal alles – und noch immer weiß niemand, was wann passiert.

 ?? Foto: Aris Oikonomo, afp ?? Die britische Premiermin­isterin Theresa May trifft auf dem EU-Gipfel ein: Der Empfang für sie hinter verschloss­enen Türen war laut Augenzeuge­n „gelinde gesagt unfreundli­ch“.
Foto: Aris Oikonomo, afp Die britische Premiermin­isterin Theresa May trifft auf dem EU-Gipfel ein: Der Empfang für sie hinter verschloss­enen Türen war laut Augenzeuge­n „gelinde gesagt unfreundli­ch“.

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