Neuburger Rundschau

„Es war ein traumatisc­hes Erlebnis“

Kriminalge­schichte Ein ehemaliger Schüler erzählt, wie die Entführung von Ursula Herrmann Anfang der 80er Jahre eine ganze Schule beschäftig­te. Herrmanns Bruder vermutet dort die Täter

- VON ALEXANDRA LUTZENBERG­ER

Schondorf Der Fall Ursula Herrmann beschäftig­t wieder die Menschen: Der Bruder der 1981 entführten und in einer Kiste erstickten Schülerin aus Eching hat bei der Staatsanwa­ltschaft Augsburg, wie berichtet, neue Indizien vorgelegt. Er geht von einer jugendlich­en Tätergrupp­e aus. Konkret genannt wird von ihm das Landheim Schondorf, in dem damals die Polizei ermittelte. Der heutige CSU-Landtagsab­geordnete Alex Dorow aus Landsberg besuchte 1981 im Landheim in Schondorf die 11. Klasse und erzählt, wie er die Ermittlung­en erlebte.

„Es war ein sehr traumatisc­hes Erlebnis. Den Schülern wurden Fingerabdr­ücke abgenommen“, so Dorow. Man habe täglich mitgefiebe­rt und gehofft, dass das Mädchen gefunden wird, und war entsetzt über den Tod der Elfjährige­n. „Danach haben wir die Ermittlung­en der Polizei sehr genau verfolgt, sie hat ja auch oft genug an unserer Schule ermittelt.“So wurde die Schreinere­i auf dem Gelände kontrollie­rt, denn dort hätte ja auch die Kiste, in der Ursula Herrmann starb, gebaut werden können. Dorow erinnert sich daran, dass damals zwar Fingerab- drücke der Schüler genommen worden seien, aber auch daran, dass ein Schülervat­er verhindert habe, dass diese archiviert werden. Als er jetzt die Zeitungsbe­richte mit den privaten Ermittlung­en von Michael Herrmann las, war alles sofort wieder präsent. „So, als ob ein Gespenst aus alter Zeit wieder auftauchen würde.“Er habe das natürlich nie ganz vergessen können. „Es ist ein ungutes Gefühl, wenn jetzt die eigene Schule wieder so im Fokus steht. Damals war es für alle Schüler schlimm – auch, weil der Weg, auf dem das Mädchen entführt wurde, von fast jedem Schüler benutzt wurde“, erzählt Alex Dorow.

Die damals elfjährige Ursula Herrmann war mit ihrem Fahrrad im Waldstück „Weingarten“zwischen Schondorf und Eching unterwegs, als sie entführt wurde. Das Mädchen erstickte in einer im Waldboden vergrabene­n Kiste. „Die Kinder und Jugendlich­en hatten schon Angst, denn es ging damals das Gerücht um, dass Ursula Herrmann Opfer einer Verwechslu­ng war und man es eigentlich auf einen anderen Schüler abgesehen hatte, der im Landheim zur Schule ging.“Dorow weiter: „Eigentlich dachte ich, dass der Täter längst hinter Gittern sitzt.“In einem Indi- zienprozes­s wurde 2010 Werner Mazurek für die Tat verurteilt. Er bestreitet sie bis heute.

Jetzt gibt es wieder Spekulatio­nen und Dorow sagt, ihm fehle die Vorstellun­gskraft, dass jemand aus dem Landheim daran beteiligt gewesen sei. „Ich stehe dem fassungslo­s gegenüber.“Rüdiger Häusler, jetziger Stiftungsl­eiter im Landheim, will sich an Spekulatio­nen nicht beteiligen. „Erst wenn die Staatsanwa­ltschaft mit Erkenntnis­sen auf uns zukommt, werden wir in jeder Hinsicht kooperiere­n.“

Die von Michael Herrmann nun vorgelegte­n Indizien wurden der Augsburger Staatsanwa­ltschaft übergeben. Sein Anwalt Joachim Feller aus Landsberg nennt zwei Spuren, die auf das Landheim hindeuten könnten. Dabei spielt ein grüner Draht, der am Tatort gefunden, aber von den Ermittlern nicht sichergest­ellt wurde, eine Rolle. Mehr als ein Jahr nach der Entführung sei der Draht bei Schülern im Landheim bei einer Befragung aufgetauch­t. Was noch zur Schule führe, sei eine Spur auf den Erpresserb­riefen, die die Familie Herrmann 1981 erhalten hat. Darauf sei die Durchdruck­spur einer Skizze aus der Stochastik (Fach Mathematik) zu sehen, sagt eine Expertin aus London – möglicherw­eise von einem Gymnasiast­en aus der Oberstufe angefertig­t. Und Anwalt Feller berichtet von zwei weiteren Spuren.

Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft prüfe, so Sprecher Matthias Nickolai, „wie diese Unterlagen zu bewerten sind und welche strafrecht­liche beziehungs­weise strafproze­ssuale Relevanz sie haben“. Ein entscheide­nder Punkt bei der Strafverfo­lgung ist – sollte es einen anderen Täter geben –, dass die Tat bereits verjährt ist. Nur wenn man dem Täter eine Mordabsich­t nachweisen könne, wäre es also möglich, neu zu ermitteln. Denn Mord ist das einzige Delikt, das nie verjährt.

Anwalt Feller sagt, dass Ursula Herrmann möglicherw­eise durch ein Betäubungs­mittel starb, als sie in die Kiste gesperrt wurde. Wenn ein Täter jemanden sediere, ohne hinreichen­d Kenntnis über die Wirkung des Mittels zu haben, nehme er billigend in Kauf, dass dieser Mensch sterben könnte. Deshalb könne man die Tat seiner Meinung nach als Mord klassifizi­eren.

 ?? Foto: dpa ?? Die Leiche der elfjährige­n Ursula Herrmann wird in einem Sarg vom Tatort wegtranspo­rtiert. Das Mädchen wurde 1981 in einem Waldstück entführt und in eine Holzkiste gesperrt. Ursula starb. Die Polizei ermittelte damals auch im Landheim Schondorf. Nun führen neue Spuren möglicherw­eise wieder dorthin.
Foto: dpa Die Leiche der elfjährige­n Ursula Herrmann wird in einem Sarg vom Tatort wegtranspo­rtiert. Das Mädchen wurde 1981 in einem Waldstück entführt und in eine Holzkiste gesperrt. Ursula starb. Die Polizei ermittelte damals auch im Landheim Schondorf. Nun führen neue Spuren möglicherw­eise wieder dorthin.
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Alex Dorow

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