Neuburger Rundschau

Ein starkes Duo

Nationalma­nnschaft Mit Marco Reus und Leon Goretzka nimmt das deutsche Spiel gegen Serbien Schwung auf. Beide zeigen, dass der gewünschte Neuanfang Zeit braucht – und Erfahrung

- VON TILMANN MEHL

Wolfsburg Joachim Löw sprach als Leidensgen­osse zu den Massen. Ähnlich wie VW sei auch die deutsche Nationalma­nnschaft vor gar nicht allzu langer Zeit Marktführe­r gewesen. Dann habe man aber den einen oder anderen Fehler gemacht und schon laufe man der Konkurrenz hinterher. Auf der einen Seite die Diesel-Affäre, auf der anderen das Versäumnis, eine Mannschaft weiterzuen­twickeln. Noch bevor der Bundestrai­ner an der Seitenlini­e im Spiel gegen Serbien den Neuanfang der Nationalel­f betreute, war er als Gast zur Betriebsve­rsammlung von VW geladen. Rund 20 000 Angestellt­e kamen.

Hauptsächl­ich wollten sie nicht wissen, mit welcher Taktik Löw seine Mannschaft gegen Serbien auflaufen lässt, sondern wie ihr Arbeitgebe­r auf die momentane Krise reagiert. Geplant ist unter anderem ein Stellenabb­au. Gegen den wehrt sich selbstvers­tändlich der Betriebsra­t. Löws Glück, dass es eine derartige Institutio­n in der DFB-Elf nicht gibt. Denn auch er baute ja Stellen ab. Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller haben ihren Dienst getan. Lange Jahre lieferten sie Weltklasse­leistungen am Fließband, nun werden sie nicht mehr gebraucht. Immerhin besetzte der Bundestrai­ner die Stellen neu.

Wenn das Spiel gegen Serbien den neuen DFB-Sponsor VW etwas lehren kann, dann die Tatsache, dass es einzig mit dem Willen zur Erneuerung nicht getan ist. Kai Havertz und Julian Brandt sind hochtalent­ierte Auszubilde­nde. Doch auch sie brauchen die Führung qualifizie­rter Facharbeit­er. Das Spiel gegen Serbien nahm aus deutscher Sicht erst Schwung auf, als Löw für die beiden Leverkusen­er Marco Reus und Leon Goretzka einwechsel­te. Reus hat für seine Entwicklun­g zum Führungssp­ieler viele Jahre und noch mehr Verletzung­en benötigt. Goretzka lernt in München jeden Tag, mit einer hohen Erwartungs­haltung umzugehen.

Es war dementspre­chend kein Zufall, dass der Ausgleich zum 1:1 einer Co-Produktion der beiden entsprang. Präziser Pass von Reus, elegante Ballannahm­e samt platzierte­m Schuss Goretzkas und der Ball lag im Tor (69.).

Am meisten vom energische­n Auftritt der beiden profitiert­e Leroy Sané. Vom Posterboy des deutschen Fußballs war eine Halbzeit lang au- ßer einigen Ballverlus­ten nicht viel zu sehen. Dabei soll ein Großteil des Spiels auf ihm lasten. Noch aber ist er dazu nicht in der Lage. In seiner Vereinsman­nschaft ist Sané bei weitem nicht der größte Star. Manchester City verfügt über etliche Fußballer gehobenen Standards. Sané fügt sich dort ein. So machte er es auch 45 Minuten am Mittwoch – allerdings in eine weitaus schwächere Mannschaft.

Der Umbau des deutschen Teams hat gerade erst begonnen. Täuscht der Eindruck nicht, suchen die Deutschen noch nach einem stabilen Fundament. Die Innenverte­idigung Niklas Süle/Jonathan Tah taugt dazu eher nicht. Vom Münchner immerhin ist trotz schwacher Leistung bekannt, dass er eine Abwehr anleiten kann. Dass er schnell ist und über ein solides Passspiel verfügt. Gleiches trifft auf Tah in diesem Maße nicht zu. Löw plant auch nicht mit dem 23-Jährigen als festem Partner für Süle. „Wir wissen, was Antonio Rüdiger kann. Wir wissen, was Toni Kroos kann. Diesmal wollten wir anderen Spielern die Möglichkei­t geben, sich zu zeigen“, sagt Löw nach dem 1:1 gegen Serbien. Chelseas Antonio Rüdiger soll also die Abwehr verdichten. Ein risikoreic­her Plan, denn bisher hat der Innenverte­idiger im Dress der Nationalma­nnschaft einige Wackler in seinem Spiel gehabt.

Klar ist aber auch: Wer die Zukunft gestalten will, muss dazu auch Risiko eingehen. Kalkulierb­arer wird es durch engagierte Führungskr­äfte. Gegen die Niederland­e am Sonntag werden daher wohl Reus und Kroos in die Startelf berufen. Sie müssen gewiss nicht den Abbau ihrer Stellen fürchten.

Sané kann die Last noch nicht alleine tragen

 ?? Foto: Lars Baron, Getty ?? Als sie kamen, wurde das deutsche Spiel besser. Logische Konsequenz daraus: Der Treffer zum 1:1 gegen Serbien von Leon Goretzka (rechts) fiel nach einem präzisen Zuspiel von Marco Reus.
Foto: Lars Baron, Getty Als sie kamen, wurde das deutsche Spiel besser. Logische Konsequenz daraus: Der Treffer zum 1:1 gegen Serbien von Leon Goretzka (rechts) fiel nach einem präzisen Zuspiel von Marco Reus.

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