Wenn Bürgermeister ein Beruf wird
Politik Im Landkreis hat zuletzt 2002 eine Gemeinde von einem ehren- auf einen hauptamtlichen Rathauschef umgestellt. Nun gibt es in Münster wohl konkrete Überlegungen. Wie die Situation dort ist und was der Landrat zu dem Thema sagt
Münster/Landkreis In ziemlich genau einem Jahr finden die Kommunalwahlen statt. Am Sonntag, 15. März 2020, sind Bayerns Bürger wieder aufgerufen, an die Urnen zu gehen. Die Frage, wer Bürgermeister wird, dürfte dann vielerorts die wichtigste sein. So ist es auch in Münster. „Meine Amtszeit endet definitiv am 30. April im nächsten Jahr“, betont der aktuelle Rathauschef Gerhard Pfitzmaier. Er habe von vorneherein gesagt, dass nach zwei Perioden für ihn Schluss ist. Bei der nächsten Wahl bekommt die Lechgemeinde also einen neuen Bürgermeister – und womöglich erstmals in ihrer Historie einen hauptamtlichen.
In Münster hat sich schon ein Bewerber gemeldet, der dem 65-jährigen Pfitzmaier, Postbeamter in Pension, gerne nachfolgen möchte: Jürgen Raab, derzeit Dritter Bürgermeister. Er kann sich einen Wechsel ins Rathaus aber nur vorstellen, wenn dort sozusagen eine „Vollzeitstelle“geschaffen wird. Eine solche Umstellung muss ein Gemeinderat mindestens 90 Tage vor der Wahl beschließen. Am Dienstag wurde das Thema vor zahlreichen Zuhörern in der Gemeinderatssitzung schon mal diskutiert. Der Tenor ging zur „Vollzeitstelle“. Dennoch will der Rat nicht vor der Bürgerversammlung am 30. März eine Entscheidung treffen.
Dass vom Ehren- auf das Hauptamt umgestellt wird, hat es im Landkreis Donau-Ries zuletzt 2002 gegeben. Damals war dies in Deiningen der Fall. Sechs Jahre zuvor hatten bereits Alerheim, Buchdorf und Huisheim einen Berufsbürgermeister installiert. Seit der Gebietsreform 1972 beschritten insgesamt acht Kommunen in der Region diesen Weg, wie das Landratsamt auf Nachfrage unserer Zeitung mitteilt. Reiht sich Münster nun in diese Liste mit ein?
„Es herrscht mittlerweile eine solche Aufgabenfülle, die kann aus meiner Sicht ein teilzeitbeschäftigter Bürgermeister – auch bei einer Gemeinde mit 1200 Einwohnern – nicht nebenbei erledigen“, sagt Pfitzmaier. Im Vergleich zu seinen Anfängen im Amt im Jahr 2008 sei der Aufwand jetzt „mindestens doppelt so hoch“. 35 bis 40 Wochenstunden investiere er derzeit, während laufender Großprojekte wie etwa dem Neubau des Kindergartens vor einigen Jahren seien es durchaus 50 bis 60 Stunden gewesen. Die Kommune beschäftige mittlerweile 20 Köpfe (8,4 Vollzeitstellen), des Weiteren gebe es zehn gemeindeeigene Gebäude. Das alles gelte es zu koordinieren und zu organisieren. Hinzu kämen zahlreiche Sitzungen und Besprechungen –
„die Verpflichtungen, die man auf den ersten Blick gar nicht sieht“.
Und auch die Anforderungen und die Erwartungshaltung der Bürgerschaft seien gestiegen, so Pfitzmaier. „Wenn man alldem gut nachkommen will, muss ein Bürgermeister vielseitig und flexibel sein. Und wenn plötzlich ein Problem auftritt, musst du auch schnell entscheiden.“Dass dies neben einem anderen Beruf zu schaffen ist – von diesem Gedanken müsse man sich verabschieden, sagt Pfitzmaier: „Du bist Ansprechpartner für alles und alle, und das fast rund um die Uhr.“
Ähnlich sieht auch Landrat Stefan Rößle die Thematik. Er plädiert dafür, sich in den Räten zunehmend Gedanken zu machen, ob es nicht zielführender sei, sich künftig verstärkt für hauptamtliche Rathauschefs auszusprechen. Eine vom Landkreis durchgeführte Umfrage Anfang 2018 hatte ergeben, dass in einigen Gemeinden über eine Ände-
rung nachgedacht wird. Auf der Bürgermeisterdienstbesprechung im vergangenen Mai war dies ebenfalls schon ein Thema. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen kenne er die ständig steigenden Anforderungen an einen Bürgermeister, die es auch in kleineren Gemeinden immer schwieriger machen, das Amt ehrenamtlich auszuüben, sagt Rößle: „Ein Bürgermeister darf nicht nur verwalten – dabei verlangt einem das Tagesgeschäft schon sehr viel ab –, sondern es liegt insbesondere an ihm, eine Gemeinde zukunftsfähig zu gestalten. Dafür braucht er aber die notwendige Zeit.“
Diese Einschätzung teilt Jürgen Raab. „Ich möchte, falls ich gewählt werde, das Amt natürlich so gut wie möglich ausfüllen.“Dies aber mit seinem jetzigen Job – der 44-Jährige ist Sparkassenbetriebswirt – unter einen Hut zu bringen, ist aus Raabs Sicht nicht machbar. Die Tätigkeit
im Rathaus sozusagen nebenher auszuüben würde deutliche Einschränkungen mit sich bringen. „Dann hätte ich nur ein bestimmtes Zeitbudget zur Verfügung, danach wäre Schluss. Das würde dem Anspruch der Bevölkerung und auch meinem aber nicht gerecht.“
Gerhard Pfitzmaier kann diese Sichtweise nachvollziehen. „Wir sind ja froh, dass wir so einen Kandidaten haben. Dass für ihn nur das Hauptamt infrage kommt, ist verständlich.“Raab würde im Fall der Fälle schließlich seine berufliche Sicherheit zugunsten eines Amts auf Zeit aufgeben, weiß Pfitzmaier. Da müsse dann auch die Vergütung angemessen sein.
Denn ein Wechsel vom Ehrenzum Hauptamt bedeutet auch höhere Kosten für die Kommune. Im Durchschnitt rechnet man laut Landratsamt mit Gesamtkosten von rund 50 000 Euro für einen ehrenund etwa 100 000 Euro für einen hauptamtlichen Bürgermeister einer kleineren Gemeinde. Hinter der Summe verbirgt sich aber nicht ausschließlich das Gehalt des berufsmäßigen Rathauschefs. Inbegriffen sind hier auch Beihilfen, Versicherungen oder Beiträge, die die Gemeinde zahlt. Der Lohn des Bürgermeisters ist bei Kommunen bis 2000 Einwohner auf 5086 Euro im Monat (A 13 Endstufe) festgelegt. Es können für das tatsächliche Monatsbrutto aber noch Zulagen, Sonderzahlungen oder eine Aufwandsentschädigung hinzukommen.
Rein vom finanziellen Aspekt her könne man sich einen „Vollzeit“-Bürgermeister in Münster leisten, meint Pfitzmaier. Die Ge-
Die Entscheidung liegt allein beim Gemeinderat
meinde stehe gut da und ist schuldenfrei, die Einnahmen seien konstant gestiegen. Der Haushalt für 2019 dürfte ein Gesamtvolumen von rund vier Millionen Euro erreichen.
Landrat Rößle ist sich sicher, dass ein hauptamtlicher Bürgermeister die Mehrkosten „sehr schnell wieder hereinholt, indem er sich intensiver verschiedener Themen annehmen kann“. Dazu gehört auch die Teilnahme an Besprechungen im Landratsamt, an überregionalen Veranstaltungen des Gemeindetags, der Regierung oder der Ministerien, aber auch an Empfängen, Verabschiedungen, Amtseinführungen, für die ein ehrenamtlicher Bürgermeister nicht immer einfach Urlaub nehmen könne.
Außer Raab hat sich in Münster noch niemand dahingehend geäußert, dass er im Chefsessel des Rathauses Platz nehmen will. „Um den Punkt Hauptamt dürfte es sich noch in einigen Gemeinden drehen“, glaubt Pfitzmaier. „Das kann man nicht mit der Situation vor 20 Jahren vergleichen: Nur wenn alles passt, auch mit der Vergütung, finden sich heute geeignete Kandidaten.“
Die Entscheidung über Ehrenoder Hauptamt muss am Ende freilich ausschließlich der jeweilige Gemeinderat treffen. Der will die Bürgerversammlung Ende März abwarten, wo die Bevölkerung umfassend informiert und deren Stimmungslage abgefragt werden. „Der Gemeinderat will so eine richtungsweisende Entscheidung nicht über die Köpfe der Bürger hinweg fällen, sondern so transparent wie möglich handeln“, betont Pfitzmaier.
Sollte es aber keine großen Widerstände geben, könnte bereits in der Ratssitzung am 11. April eine finale Entscheidung fallen. „Wenn frühzeitig Klarheit herrscht, dann ist das ein Vorteil für alle“, sagt Münsters amtierender Bürgermeister.