Neuburger Rundschau

Viele Fragen rund um die Vergabe

Landgerich­t Im Protokoll einer Grundstück­svergabe des Klinikums taucht ein Losentsche­id auf, den es nie gab. Und dann ist auch noch ein Ordner aus dem Klinikum-Archiv verschwund­en

- (rilu)

Ingolstadt Es war ein wichtiger Tag für die Stadt Ingolstadt. Eines der Filetgrund­stücke mitten in der Altstadt, das Areal des ehemaligen Krankenhau­ses, sollte verkauft werden. Moderne, dringend gebrauchte Wohnungen sollten dort möglichst schnell entstehen. Zu sechst traf man sich deshalb am 1. Oktober 2012 im Klinikum. Acht verschloss­ene Umschläge lagen auf dem Tisch, in jedem steckten Gebote für die drei Baufelder, die der Krankenhau­szweckverb­and verkaufen wollte. Das Landgerich­t Ingolstadt hat sich im Verfahren gegen den ehemaligen Ingolstädt­er Oberbürger­meister Alfred Lehmann am Donnerstag intensiv mit diesem Tag und dem Weitergang des Verkaufs beschäftig­t. Denn einige Vorgänge sind durchaus mysteriös.

Es war kurz nach Mittag an jenem Montag vor mehr als sechs Jahren, als sich die sechs Beteiligte­n zur Angebotser­öffnung trafen. Darunter waren Alfred Lehmann als Vorsitzend­er des Krankenhau­szweckverb­ands sowie der ehemalige Geschäftsf­ührer des Klinikums. Daneben noch zwei Mitarbeite­r des Krankenhau­ses sowie zwei von der Stadt Ingolstadt. Bei den ersten beiden Baufeldern war das Ergebnis klar: ein und derselbe Bieter hatte das höchste Gebot abgegeben. Doch das dritte Baufeld sorgte für Irritation­en. Zwar gab es ein deutliches Höchstgebo­t, doch der Bieter hatte sich nicht an die vorgegeben­en Kriterien der Stadt gehalten. Die beiden Nächstbiet­enden lagen gleichauf bei 3,2 Millionen Euro. Wer also sollte das Areal bekommen? Derjenige, der auch schon die restliche Fläche bekommen hat? Oder doch der andere? Man einigte sich bei dem Treffen darauf, das gesamte Areal – unter anderem aus städtebaul­ichen Gründen – nicht einem einzigen Bauträger zu geben. Im Protokoll wurde die Entscheidu­ng mit einem Losentsche­id begründet, der aber nie stattgefun­den hat. Das haben vor Gericht anwesende Zeugen bestätigt. Von einer Erhöhung des anderen Bauträgers um 600.000 Euro, falls er alle drei Baufelder bekommen sollte, war bei der Angebotser­öffnung keine Rede, berichtete­n die Zeugen übereinsti­mmend.

Bei den Korruption­svorwürfen gegen Lehmann ist auch die Frage aufgetauch­t, weshalb der Kaufvertra­g im Nachhinein dahingehen­d abgeändert worden war, dass der Bauträger 400 Quadratmet­er mehr Geschoßflä­che bauen durfte. Ursprüngli­ch war dafür ein Aufpreis im deutlich sechsstell­igen Bereich vorgesehen gewesen. Einer Mitarbeite­rin des Klinikums, die in den Verkauf eingebunde­n war, sei damals mitgeteilt worden, dass es sich um einen Rechenfehl­er seitens der Stadt gehandelt habe und der Vertrag deshalb abgeändert werden müsse. Geschehen sei dies auf Veranlassu­ng des damaligen Geschäftsf­ührers, berichtete die Frau vor Gericht. Nachgefrag­t habe sie nicht.

Der Verkauf war schon längst abgewickel­t, da waren die Akten noch einmal vonnöten. Ein KlinikumMi­tarbeiter ging also ins Archiv und suchte. Überall und immer wieder. Doch genau jener Ordner, in dem die beiden Angebote der Meistbiete­nden im Original abgeheftet waren, blieb verschwund­en. Und auch auf seinem Computer waren plötzlich rund 200 Daten mit relevanten Informatio­nen verschwund­en. Die konnten dank einer Sicherungs­kopie wiederherg­estellt werden – der Ordner blieb verschwund­en.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Alfred Lehmann steht in Ingolstadt vor Gericht. Ihm wird Korruption im Zusammenha­ng mit Immobilien­geschäften vorgeworfe­n.
Foto: Ulrich Wagner Alfred Lehmann steht in Ingolstadt vor Gericht. Ihm wird Korruption im Zusammenha­ng mit Immobilien­geschäften vorgeworfe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany