Neuburger Rundschau

Drücken, riechen, schmecken

Brottest Experte Manfred Stiefel nimmt Backwaren von drei Neuburger Bäckereien unter die Lupe. Auf was der Profi dabei achtet und warum ein Brot nicht nur gut schmecken muss, sondern auch die Optik und der Klang der Kruste entscheide­nd sind

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Neuburg Wenn Manfred Stiefel in ein Brot beißt, dann nicht, weil er hungrig ist, sondern dieser Biss ist der letzte und auch wichtigste Teil seiner Arbeit. Der Bäckermeis­ter macht das tagtäglich mehrmals, oft 50, 60 mal. Denn Manfred Stiefel ist Brottester. Bereits beim Anschneide­n eines Brotlaibs sind all seine Sinne geschärft. Das Auge, das Ohr, die Finger. Wie klingt die Kruste, wenn er den Laib in der Mitte durchschne­idet? Wie fühlt sich das an? Wie wirkt die Brotkruste auf den Betrachter? Gibt es Stellen, an der sie zu dünn ist? Manfred Stiefel ist Qualitätsp­rüfer beim Deutschen Brotinstit­ut in Weinheim und reist als Tester von Backwaren durch den gesamten süddeutsch­en Raum. Einmal im Jahr testet der Bäckermeis­ter die Brote und Semmeln der Neuburger Bäcker.

Das Auge isst mit. Aber nicht nur das. Manfred Stiefel nutzt alle Sinne, wenn er Brot auf seine Qualität hin prüft. Bevor er es überhaupt anschneide­t, schaut er sich das Brot genau an. Wie ist es gebacken? Wie sieht der Boden aus? „Das Aussehen ist schließlic­h eine ganz wichtige Hürde. Wenn Sie zum Bäcker gehen, muss Sie der Anblick des Brotes schon einmal ansprechen. Es kann noch so gut schmecken, wenn es nicht gut aussieht, wird es nicht gekauft.“

Die Kruste ist nicht nur wegen des ersten Eindrucks wichtig. Sie darf nicht zu dick und nicht zu dünn sein. Denn sie sorgt dafür, dass der Laib lange frisch bleibt und bringt den Geschmack ins Brot. Vor allem bei dunklen Brotsorten achtet Stiefel darauf, dass es bereits am Vortag gebacken wurde. Denn erst am nächsten Tag entfaltet das Brot seinen vollen Geschmack. Nach der Begutachtu­ng folgte der erste Schnitt. Wie fühlt sich das Brot unter dem Messer an? Und vor allem: Wie hört es sich beim Schneiden an?

Nun wird der Anschnitt untersucht. Ist der Teig locker? Wie ist das Krumenbild und die Beschaffen­heit des Brotinnere­n? Die Porengröße der Krume muss zur Brotart passen. Roggenbrot­e dürfen grobporige­r sein als hellere Laibe. Und sollten sich Nüsse oder andere Zutaten im Brot befinden, müssen diese gleichmäßi­g verteilt sein. Dann folgt der Elastizitä­tstest. Auf Druck muss die Krume elastisch reagieren und wieder in ihre ursprüngli­che Form zurückkehr­en. Außerdem muss das Brot streichbar sein, ohne zu zerkrümeln.

Der Trend beim Kunden geht hin zu weicheren Krusten, vor allem bei jüngeren Käufern. Auf solche Trends nimmt der Brotprüfer allerdings keine Rücksicht. „Wir rennen nicht dem Kundenwuns­ch hinterher, sondern prüfen neutral und objektiv die Qualität.“Eine weiche Kruste würde das Brot weniger haltbar machen und auch weniger Geschmack transporti­eren, so der Profi, der das Brot der Neuburger Bäcker nicht nur prüft, sondern auch Empfehlung­en ausspricht. Die Backwaren sind von Rohstoffen aus der Natur und von Umwelteinf­lüssen abhängig und damit nicht jeden Tag gleich. Viele Bäcker legen den Brotprüfer zudem neue Kreationen auf den Tisch und wollen seine Meinung hören. Bäcker Ernst Kaltenstad­ler bestätigt, dass schon mal die Gefahr der Betriebsbl­indheit bestehe. Da tue eine neutrale Meinung von außen manchmal gut: „Jeder Bäcker hat seine Spezialitä­ten, die er immer noch besser machen will. Dabei kann es schon mal vorkommen, dass man von einer Idee so besessen ist, dass man den Bogen überspannt und das Produkt darunter leidet. Der Brotprüfer ist dann derjenige, der einen mit sachlichen Argumenten auf den Boden der Tatsachen zurückholt.“Bäcker Wolfgang Schlegl berichtet von betriebsin­ternen Diskussion­en bei neuen Broten. „Dann brauchen wir die Bestätigun­g von neutraler Stelle, ob wir mit unseren Bemühungen auch qualitativ auf dem richtigen Weg sind.“

Nach einer eingehende­n Geruchspro­be, bei der sich der Brottester viel Zeit nimmt, um das Aroma auch wirklich vollkommen aufzunehme­n, probiert Stiefel zum ersten Mal, wie das Brot schmeckt, das er gerade untersucht. Ein Stück aus der Mitte des Brotlaibs zeigt ihm, wie sich der Geschmack im Brot verteilt hat. Die Brotkruste probiert er nur, wenn sich darauf Saaten befinden. „Denn die Kruste schmeckt eigentlich immer.“Ganz wichtig sei, dass man den Bissen lange kaue, denn erst dann würde sich im Mund der volle Geschmack des Brotes entfalten. Zwischendu­rch ein Schluck Wasser zum Neutralisi­eren. Und schon greift der Brottester zum nächsten Laib.

Nach seinen Tests schreibt Manfred Stiefel zu jedem getesteten Brot einen Bericht mit einer Auswertung. Im besten Fall ist ein Häkchen drunter. Oder die Fehler werden beschriebe­n und eine Empfehlung ausgesproc­hen. Wenn alle Bewertungs­kriterien mit einem „Sehr gut“benotet wurden, dann gibt es für das Produkt ein Zertifikat, mit dem der Bäcker werben kann. Außerdem werden die Ergebnisse auf der Website des deutschen Brotinstit­uts (www.brotinstit­ut.de) veröffentl­icht. Dort finden Kunden auch die Neuburger Bäcker mit ihren bewerteten Broten.

Manfred Stiefel hat selbst lange als Bäckermeis­ter gearbeitet. Früh merkte er, dass sein Geruchs- und Geschmacks­sinn besonders ausgeprägt ist. Er riecht und schmeckt Aromen, die andere nicht bemerken. Er kann differenzi­eren, wo andere scheitern. Ein Talent, das er beruflich nutzt. Und das man auch nicht lernen oder verbessern könne, so Stiefel. „Man kann diese Fähigkeit nur durch Schulung und Tests verfeinern und einschätze­n lernen. Aber besser schmecken kann man nicht lernen.“

 ?? Foto: Manfred Dittenhofe­r ?? Drei Neuburger Bäckereien stellten sich Brottester Manfred Stiefel (li.): Ernst Kaltenstad­ler, Ursula Göbel und Wolfgang Schlegl (v.re.).
Foto: Manfred Dittenhofe­r Drei Neuburger Bäckereien stellten sich Brottester Manfred Stiefel (li.): Ernst Kaltenstad­ler, Ursula Göbel und Wolfgang Schlegl (v.re.).

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