Landnter!
Vor 20 Jahren sorgte die Jahrhundertflut an Pfingsten 1999 für massihäden. In Stepperg und Hatzenhofen konnten die Bewohner mit dem Kanu im Wohnzimmer fahren, die Neuburger kamen mit einemelblauen Auge davon und in Moos begann 2002 die Absiedelung
Burgheim/Rennertshofen/Neuburg Straß-Moos erwischte es bereits Freitagnacht. Innerhalb von nur sechs Stunden waren am 21. Mai 1999 alle Gebäude im Ort mindestens bis zur Kellerdecke vollgelaufen. Nach dem „Hochwasserdorf“, wie die damalige Heimat von rund 130 Einwohnern später überregional traurige Berühmtheit erlangen sollte, gingen vor allem auch die Rennertshofener Ortsteile Hatzenhofen und Stepperg regelrecht mit der Jahrhundertflut der Donau unter. Nach einer großartigen Gemeinschaftsleistung, durch die in Neuburg die Wand am Donaukai gesichert werden konnte, glaubte die Große Kreisstadt, das Schlimmste bereits überstanden zu haben. Ein Trugschluss, wie sich herausstellen sollte (siehe auch Info-Kasten).
Nur gut eine Woche vor dem denkwürdigen Ereignis war die Donau bereits über ihre Ufer getreten. Das war am Vatertag, 13. Mai. Der Scheitel des Flusses war an diesem Tag auf 5,95 Meter angestiegen. Die betroffenen Menschen in Moos, Stepperg und Hatzenhofen waren noch damit beschäftigt, diese Spuren zu beseitigen, als die große Flut sie erneut überrollen sollte. Am Pfingstwochenende vor 20 Jahren stieg der Scheitel der Donau auf bislang nie gemessene 7,34 Meter bei einem Abfluss von rund 2270 Quadratmetern in der Sekunde – eine Jahrhundertflut.
Der Burgheimer Ortsteil Moos war regelrecht von der Außenwelt abgeschnitten. Nur noch Spezialfahrzeuge und Boote konnten in den völlig überschwemmten Weiler vordringen. „Das Wasser stand in Richtung Straß sogar schon fast bis zur B 16. Wir überlegten bereits, ob wir die Bundesstraße sperren müssen“, erinnert sich der damalige Bürgermeister Albin Kaufmann. In Moos herrschte derweil Ausnahmezustand. 150 Rinder und 300 Schafe wurden dort in einer spektakulären Rettungsaktion am Pfingstsonntag vor dem Ertrinken retten. Von den Einwohnern allerdings wollte sein vollgelaufenes Zuhause keiner verlassen. Mittlerweile ist es allerdings leer geworden in Moos. 2002/2003 hat die vom Freistaat gewollte Absiedelung begonnen. „Den Antrag haben die Mooser aber selbst gestellt“, sagt Kaufmann. Gut 30 Eigentümer gingen gleich auf das Angebot der Staatsregierung ein, verkauften ihre Objekte. Die Grundstücke behielten sie, mussten sich allerdings verpflichten, sie nicht mehr zu bebauen. Die Möglichkeit zur Absiedelung besteht noch bis 2029. „Einige sagen, sie gehen noch raus, Ältere wollen aber bleiben“, erklärt Kaufmann.
Bei seinem damaligen Kollegen Ernst Gebert in Rennertshofen waren es neben Teilen von Bertoldsheim vor allem wieder einmal die Ortsteile Hatzenhofen und Stepperg, die von der zurückgestauten Ussel unter Wasser gesetzt wurden. „Da konnte man mit dem Kanu in die Wohnzimmer fahren“, beschreibt der ehemalige Bürgermeister die Situation. Dass es einmal so schlimm kommen könnte, habe damals niemand gedacht. „Der Traum der Flussbauern von der Beherrschung des Wasser war spätestens an Pfingsten 1999 ausgeträumt“, sagt Gebert. Die entstandenen Schäden – platzende Heizöltanks verschlimmerten die Situation – waren immens. „Noch größer aber war die gezeigte Solidarität“, erinnert er sich. Gegen die Urgewalt Wasser, der man machtlos gegenüberstand, habe es Mut gemacht zu sehen, wie die Menschen zusammengestanden sind. Durch private Spenden, Aktionen in Vereinen und bei örtlichen Gewerbebetrieben seien über 100.000 DMark zusammengekommen, erinnert sich Gebert. Auch der Freistaat unterstützte die Betroffenen finanziell. Von ihnen seien an den Alt-Bürgermeister direkt keine
Beschwerden herangetragen worden, dass sie sich finanziell im Stich gelassen gefühlt hätten.
Auch ein paar Flusskilometer stromabwärts wurden die Menschen von der Urgewalt des Wassers überrascht. Hans Günter Huniar, von 1984 bis 2002 Oberbürgermeister von Neuburg, war vor Pfingsten 1999 mit keiner auch nur annähernd
gefährlichen Situation konfrontiert worden. „Darüber haben wir uns im Stadtrat nie Gedanken gemacht. Auch zum Wasserwirtschaftsamt in Ingolstadt hatten wir immer einen guten Draht. Doch auch von dieser Seite wurde, was ein Hochwasser angeht, nie ein Problem für Neuburg gesehen“, erzählt der Ehrenbürger der Stadt. Huniar war damals
der Meinung, Hochwasser von den Staud den Rückliert halteseen dawerde. „Dass der Fbei Füssen eine Rückhaltn ausübt, war mir damals nnicht so beh wusst“, gibt eh der war an Pfingsten 199 voll und die Staustufen in eim und Bittenbrunn war Hilfe gegen
die Flut – „und wir waren im Grunde unwissend, was in diesem Fall zu tun ist“. Huniar erinnert sich zum Beispiel daran, dass die Menschen in Neuburg Nord auf den Damm am Mühlenweg landseitig Sandsäcke hinlegten, als schon das Wasser durchsickerte. „Da haben die Fachleute vom Wasserwirtschaftsamt gesagt, dass wir die schnell wieder weg
tun sollen, sonst würde der Druck im Damm so groß, dass dieser regelrecht explodieren würde. Der Damm muss durchlässig sein, erklärten sie uns.“
Nachdem bereits am Vatertag die erste Hochwasserwelle relativ glimpflich über Neuburg geschwappt war, hatte gut eine Woche später in der Stadt niemand mehr damit gerechnet, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte. Erst nach und nach wurde man sich der gefährlichen Situation bewusst. Doch als die Lage erfasst war, entwickelte sich, wie schon in Rennertshofen, ein unglaubliches Zusammengehörigkeitsgefühl. „Es herrschte ein wahnsinniger Gemeinschaftsgeist. Da kann man gar keinen hervorheben. Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Bundeswehr, Bauunternehmer, Privatleute – da wurde eine riesige Maschinerie in Gang gesetzt, um den Donaukai zu sichern und das Schlimmste zu verhindern“, erzählt Hans Günter Huniar.
Die Befürchtung war, dass die Kaimauer dem Druck nicht standhält, bricht und sich die Wassermassen in der Unteren Altstadt ergießen würden. Die Mauer hielt. „Aber es ging nur um Zentimeter, dass das Wasser nicht darüber hinweg in die Innenstadt geströmt ist.“Gefährlicher war die Situation auf der gegenüberliegenden Nordseite beim Überlauf. Dort konnte der aufgeweichte Damm nur mit größten Anstrengungen gesichert werden.
Letztlich sei es makaber gewesen, so Huniar, dass es an einer Sperrholzplatte vor einem im Durchmesser 1,80 Meter großen Rohr gescheitert ist, dass Neuburg trocken blieb. „Wir waren ja gerade dabei, die Innenstadt durch eine größere Dimensionierung der Kanäle und durch Rückhaltebecken bei Sonax und am Donaukai vor Starkregen zu schützen. Die eiserne Rückhaltevorrichtung für das Rohr in der Donau lag ja schon zum Montieren bereit. Und genau von dort aus schoss das Wasser dann in die Kanalisation“, erzählt der damalige OB.
Da die Sperrholzplatte – die unter anderem Hans Mayr in einem aufgestellten Abfallcontainer der zuständigen Baufirma entdeckte und Huniar herausholte, um sie sicherzustellen – nachgewiesenermaßen nicht ausreichend stark war, konnte die Baufirma juristisch zur Rechenschaft gezogen werden. Es gab ein Beweissicherungsverfahren. Letztlich, erinnert sich Huniar, sei über die Versicherung der Baufirma alles einvernehmlich mit den rund 200 Geschädigten geregelt worden.
Eng an der Seite des Oberbürgermeisters stand während der Flut der vor drei Jahren verstorbene AltLandrat Richard Keßler. Er ließ zum Beispiel kurzerhand die Donaubrücke wegen der großen Zahl an Schaulustigen sperren, die die Arbeit der Hilfskräfte behinderten. Am Donnerstag, 27. Mai, um 11.30 Uhr beendete Keßler schließlich den Katastrophenfall für den Landkreis.
Keßler wie Huniar vertraten nach der Jahrhundertflut, bei der Neuburg trotz allem „mit einem dunkelblauen Auge davongekommen ist“(Huniar), schon damals die Meinung, dass man über Retensionsflächen – also über sogenannte Polder – entlang der gesamten Donau nachdenken müsse, um bei Hochwassern wie 1999 die anliegenden Kommunen zu schützen. Dem Jahrhunderthochwasser 1999 folgten 2002, 2005 und 2013 Hochwasser mit Pegelständen von 6,03 Meter, 6,62 Meter und 5,95 Meter. Vor 1999 hatte es ähnliche Fluten nur 1965 (rund 6,60 Meter) und davor 1924 gegeben.
Nach dem dramatischen Ereignis wurden knapp 23 Millionen Euro (inklusive Rückhaltebecken Donaukai) in den Hochwasserschutz für Neuburg investiert. Die Dämme wurden erhöht und stabilisiert und am Donaukai gibt es einen mobilen Hochwasserschutz. Außerdem wurde der Polder bei Riedensheim, der bei einer Jahrhundertflut 8,3 Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen würde, relativ geräuschlos genehmigt. Er ist derzeit im Bau und würde den Hochwasserscheitel in Neuburg um 15 bis 20 Zentimeter senken. Und wie man spätestens seit der Katastrophe von 1999 weiß, geht es im Fall des Falles ja durchaus nur um Zentimeter.