Neuburger Rundschau

Dieter Bohlen auf Tour: Gar nicht so mega

Dieter Bohlen ist beim letzten Auftritt seines diesjährig­en Konzert-Comebacks gar nicht so „mega“– aber sein Erfolgsgeh­eimnis zeigt sich in München in seltener Deutlichke­it

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

München „Mega“ist anders. Zwar heißt die Tournee so, bei der Dieter Bohlen nun nach 16-jähriger Konzert-Abstinenz wieder mal live zu erleben ist. Zwar nennt er seine 1,3 Millionen Follower auf Instagram auch „Meganer“, weil bei ihm ja immer mega ist, was er gut findet – also vor allem sich selbst, denn das, so rät er auch von der Bühne seinen Fans fürs Leben, sei das Wichtigste, immer an sich selbst zu glauben.

Aber bei der letzten Station des diesjährig­en Comebacks ist die für Star-Ausmaße gebuchte Münchner Olympiahal­le mit ihrer KonzertKap­azität von bis 12500 Zuschauern gerade mal halb gefüllt. Und an den beiden Merchandis­ing-Ständen, die auch ärmlich besetzt sind mit nur einem einzigen Dieter-FanShirt und Exemplaren des Best-OfAlbums, das statt eines zunächst für 2019 angekündig­ten neuen erschienen ist, herrscht auch Flaute.

Mega aber ist natürlich die Erfolgsbil­anz, die der inzwischen 67-Jährige im gut zweistündi­gen Programm mit seinen Songs und reichlich Geplauder dazwischen selbst feiert. 21 Nummer-1-Titel hat Dieter Bohlen komponiert, und als Zugpferd der Fernseh-Shows „Deutschlan­d sucht den Superstar“und „Das Supertalen­t“bringt er es demnächst, mit dem Start von der 17. Auflage von DSDS, auf ganze 30 Staffeln vor Millionenp­ublikum. Und einer seiner größten selbst performten Hits mit Modern Talking einst, „Cheri, Cheri, Lady“, hat es ja in einem Cover des Rappers Capital Bra auch dieses Jahr wieder an die Chartspitz­e geschafft. Da spricht also doch einiges dafür, dass hier in Jeans und Turnschuhe­n, mit Föhnwelle und goldenem Mikro ein deutsches Supertalen­t, ein deutscher Superstar auf die Bühne tritt.

Zumal Bohlen an diesem Abend neben den kleineren Blues-Systemund den großen Modern-TalkingSon­gs wie „Atlantis Is Calling“, „Cheri, Cheri, Lady“, „Brother Louie“und „You’re My Heart, You’re My Soul“ja mit versierter Sechs-Mann-Band, einem starken Zusatzsäng­er und Licht-Feuer-Lametta-Spektakel auch einige der Hits aufführt, die er für andere geschriebe­n hat: von Pietro Lombardis „Call My Name“über Chris Normans „Midnight Lady“bis zum Schlager-Medley mit Nummern von Andrea Berg und DJ Ötzi und Beatrice Egli. Was also passt hier nicht zusammen? Also außer der Stimmlage des Sängers Bohlen mit denen der alten wie neuen Songs – was aber nicht allzu ins Gewicht fällt, weil seine Mitmusiker ihn tragen und der Star selbst ohnehin mehr die Rolle des Moderators, Animateurs und Entertaine­rs ausfüllt.

Es gibt eben nicht „nur ein’ Dieter Bohlen“, wie eine angepichel­te Herren-Fangruppe fortwähren­d beim Konzert skandiert, sondern zwei. Der eine ist der Musiker Bohlen, dem einst Großes gelungen ist. Nach dem weltweiten Disco-Erfolg des deutschen Projekts Boney M. hat er in den Achtzigern die Rezepte des Schlager dance- und hittauglic­h zu internatio­nalisieren verstanden – das prägt dessen Klang bis heute, aber ist in der Wirkung eben bis heute unerreicht, wenngleich sich

Helene Fischer an diesen Schritt heranzupir­schen versucht. Als Interpret aber ist Bohlen selbst dabei nur noch was für Nostalgike­r, sein Publikum in München ist im Durchschni­tt älter als 50, die jüngeren Partyschla­ger-Fans lockt er nicht, da kann er selbst noch so alterslos wirken wollen, wenn er auf der Bühne etwa zu „My Bed Is Too Big“auf einem Trampolin-Bett herumhopst.

Als Talent und Star aber ist der andere Bohlen viel zeitgemäße­r: die Medienfigu­r. Mag er sich beim Konzert auch über Geringschä­tzung seines Werkes einst und über die

Boulevardj­agd auf sein Privatlebe­n mokieren: Der Show-Bohlen samt seiner einstigen Liebes-Eskapaden und späteren Juroren-Skandälche­n hat davon immer schon profitiert. Wie der eine Bohlen einst musikalisc­h aus Textphrase­n und Ohrwurm-Melodien die Effizienzf­ormel für bestmöglic­he Breitenwir­kung fand, beherrscht der andere nun instinktiv die mediale Klaviatur mit Menschelnd­em und großer Showgeste – hier ein Naturtalen­t, das es zum Star mit Privatjet gebracht hat.

Symptomati­sch ist insofern auch das Finale in München. Eben noch hat der Dieter seinen Co-Sänger des Abends überschwän­glich gelobt: Solch einen hätte er sich damals bei Modern Talking auch gewünscht statt dem, den er im schmählich ungenannte­n Thomas Anders hatte – Bohlen mal wieder der König seiner Welt als Juror mit Fallbeil. Da tritt zu ihm seine inzwischen langjährig­e Frau Carina auf die Bühne, schmiegt sich zu seinen Liebesbeku­ndungen an, man singt seinen DSDS-Gruppenhit „We Have A Dream“, und rotes Lametta fällt dazu – in die halb leere Halle. Im Fernsehen hätte das sicher gut ausgesehen. Für die Bühne aber hat Dieter Bohlen seine zwischenze­itlich großen Pläne fürs nächste Jahr inzwischen radikal zusammenge­strichen. Der Profi weiß, was wirklich mega ist.

Mit Liebe für Carina, mit Häme für Thomas Anders

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Eigentlich ganz der Alte (bloß ohne Gitarre): Fast 35 Jahre liegen zwischen Dieter Bohlen links und auf der aktuellen Tournee rechts.
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Fotos: Maydell, dpa; Deag Concerts

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