Neuburger Rundschau

Wer ist der Mann, der Osram übernimmt?

Alexander Everke arbeitete einst für Siemens, später ging er zu dem österreich­ischen Sensor-Hersteller AMS. Jetzt ist ihm der wohl größte Coup seiner Karriere gelungen

- VON MICHAEL KERLER

München Diese Hartnäckig­keit muss man erst einmal besitzen. Es ist nicht lange her, da war Alexander Everke an der Übernahme von Osram deutlich gescheiter­t. Der Chef des österreich­ischen Sensor-Spezialist­en AMS wollte sich im Oktober mindestens 62,5 Prozent der Osram-Aktien sichern. Er kam nur auf rund 52 Prozent. Andere hätte ihre Bemühungen eingestell­t, Everke aber ließ nicht locker. Jetzt, im zweiten Anlauf, hat es funktionie­rt. Die Österreich­er konnten hinreichen­d viele Aktionäre überzeugen, auch wenn diesmal die Hürde nicht ganz so hoch lag. Für Everkes Verbissenh­eit gibt es einen Grund: Immer wieder betonte er, dass sich Osram und AMS bestens ergänzen und aus beiden ein „europäisch­er Champion“entstehen kann.

Für die Übernahme ist das Bild des Kampfes von David gegen Goliath bemüht worden. Die kleinere österreich­ische Firma AMS wagt den Angriff auf den deutschen Industrie-Goliath Osram. Doch der Vergleich stimmt nicht ganz: Osram ist zwar deutlich größer. Umsatz im Jahr 2019: 3,5 Milliarden Euro, rund 23500 Mitarbeite­r. Doch der Riese ist angeschlag­en: Das OsramGesch­äft war im Geschäftsj­ahr 2019 deutlich eingebroch­en.

AMS mag im Vergleich dazu kleiner sein. Der Umsatz im letzten Geschäftsj­ahr betrug rund 1,4 Milliarden Euro, die Österreich­er zählten rund 10 200 Beschäftig­te – nicht einmal die Hälfte. Dafür haben die Sensorik-Spezialist­en ein riesiges Selbstbewu­sstsein. Schließlic­h verzeichne­t das Unternehme­n seit Jahren ein starkes Wachstum – auch wenn die Schulden hoch sind. Bereits vor Osram hat AMS mehrere andere Firmen geschluckt. Im Rennen um Osram ist es Everke zudem gelungen, mächtige US-Finanzinve­storen wie Bain, Advent und Carlyle aus dem Weg zu kicken.

Osram ist nicht ohne Grund auf dem Radar von AMS aufgetauch­t. Selbst im Lebenslauf von Alexander Everke gibt es indirekt Verbindung­en: Der Münchner Lichtspezi­alist Osram gehörte nämlich bis zum Börsengang 2013 lange Jahre vollständi­g zum Dax-Konzern Siemens. Alexander Everke, geboren 1963, der ein Studium der Elektrotec­hnik in Bochum absolviert hat, heuerte 1991 bei Siemens an und machte später Karriere bei dem Chip-Hersteller Infineon, ebenfalls eine Abspaltung des Siemens-Konzerns. 2006 wechselte der deutsche Staatsbürg­er zum niederländ­ischen Halbleiter­hersteller NXP, im Oktober 2015 ging er zu AMS nach Österreich. Seit März 2016 steht Everke dort an der Firmenspit­ze. Kauft AMS jetzt Osram, holt sich Everke ein Stück des früheren SiemensRei­ches zu sich nach Österreich. Viel wichtiger aber ist, dass sich AMS und Osram aus Sicht Everkes hervorrage­nd ergänzen.

AMS und Osram beliefern einen ähnlichen Kundenkrei­s, zum Beispiel Hersteller von Autos und Smartphone­s. Beide Firmen arbeiten an ähnlichen Zukunftste­chnologien, beispielsw­eise der Sensorik für das autonome Fahren. Damit Fahrzeuge selbststän­dig durch den Verkehr navigieren können, müssen sie ihr Umfeld, andere Verkehrste­ilnehmer und Hinderniss­e automatisc­h erfassen. Osram bietet dafür Systeme an, in denen Infrarot-Laser das Fahrzeugum­feld erfassen. AMS ist auf demselben Gebiet aktiv. Zusammen ist man stärker, davon ist Everke fest überzeugt: „Wir wollen durch den Zusammensc­hluss von AMS und Osram einen weltweit führenden Anbieter von Sensorlösu­ngen und Photonik mit Sitz in Europa schaffen“, sagte er am Freitag zur Übernahme.

Dabei scheint Everke auch einen gewissen Blick für das Interesse der Mitarbeite­r zu haben. Im Oktober versprach Everke im Rennen mit den Finanzinve­storen um Osram zum Beispiel, dass ein höheres Angebot pro Osram-Aktie „nicht zu weiterem Arbeitspla­tzabbau führen“werde. Dies war die Befürchtun­g der IG Metall: Je teurer die Übernahme wird, desto größer fällt der Spardruck aus, der auf dem Unternehme­n nach der Übernahme lastet. In einer Zusammensc­hlussverei­nbarung hat AMS jetzt immerhin fusionsbed­ingte Kündigunge­n bis zum Jahr 2022 ausgeschlo­ssen. Auch für die deutschen Produktion­sstätten soll es Zusagen geben.

Everke hat bekommen, was er wollte. Jetzt muss er Beschäftig­ten, Aktionären und Kunden beweisen, dass seine Strategie eines technische­n Champions aufgeht.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Alexander Everke führt den österreich­ischen Sensor-Spezialist­en AMS. Der deutsche Manager war früher unter anderem bei Siemens tätig.
Foto: Sven Hoppe, dpa Alexander Everke führt den österreich­ischen Sensor-Spezialist­en AMS. Der deutsche Manager war früher unter anderem bei Siemens tätig.

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