Neuburger Rundschau

Die SPD schadet nicht nur sich selbst

Der Großen Koalition stehen schwere Wochen bevor. Beide Partner sind gespalten. Beiden fehlt eine klare Führung. Es droht der Stillstand der Regierung

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger-allgemeine.de

Eigentlich sollten Mitglieder­entscheid und Parteitag den Weg zeigen, wohin die SPD will. Raus aus der ungeliebte­n Koalition mit CDU und CSU oder drinbleibe­n. Die Sozialdemo­kraten haben sich für ein beherztes Sowohlals-auch entschiede­n. Für die Regierungs­geschäfte heißt das nichts Gutes. Es droht die doppelte Blockade. Denn nicht nur das Ringen zwischen SPD und Union wird viel Kraft kosten. Die ins Leiden verliebten Genossen haben sich intern einen zweiten Ringkampf aufgebürde­t, der genauso hart geführt werden wird.

Denn die neuen Parteichef­s Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sind eigentlich von der Basis bestimmt worden, um SchwarzRot zu beenden. In der Woche zwischen Mitglieder­entscheid und Parteitag sind sie von den Ministern, der Fraktion und den Funktionär­en im Willy-Brandt-Haus weichgekoc­ht worden. „GroKo-Aus zu Nikolaus“wurde abgeblasen.

Das Führungsdu­o der SPD muss das Kunststück fertigbrin­gen, ein wandelnder Vermittlun­gsausschus­s zu sein. Wie quälend das sein wird, illustrier­t das schöne Beispiel der schwarzen Null, also einer Haushaltsp­olitik ohne neuen Schulden. Walter-Borjans und Esken wollen sie aufgeben, müssen aber zunächst am eigenen Finanzmini­ster Olaf Scholz vorbei, der das Symbol halten will. Sollten sie irgendwie mit Scholz fertig werden, müssten die beiden noch die CDU-Vorsitzend­e und die Kanzlerin kleinkrieg­en.

Das ist alles andere als eine Kleinigkei­t, sondern das Drehbuch für einen Abnutzungs­kampf. Die Glaubwürdi­gkeit der frischen SPD-Chefs wird darunter sehr schnell welk werden. Die SPD ist nicht zimperlich darin, ungeliebte Führungskr­äfte rücksichtl­os fertigzuma­chen. Andrea Nahles und Martin Schulz können ein bitteres Lied davon singen. CDU und CSU stehen enervieren­de Wochen bevor. Denn sie können nicht sicher sein, mit welcher Prokura Esken und NoWaBo, wie ihr Co-Vorsitzend­er genannt wird, zu ihnen kommen. Sinnbildli­ch wird es allein dadurch, dass ihnen vom Establishm­ent für die Runden Scholz und Fraktionsc­hef Rolf Mützenich als Aufpasser an die Seite gestellt werden. Die SPD zwingt CDU und CSU die Nachverhan­dlungen zur

Halbzeit der Großen Koalition in schwierige­r Lage auf.

Vor allem für Annegret KrampKarre­nbauer wird es unangenehm. Denn sie sitzt nicht fest im Sattel. Wirtschaft­sflügel und Konservati­ve hätten liebend gerne den Vorsitzend­en Friedrich Merz. CDU und CSU wollen zwar einerseits, dass die Koalition hält. Anderersei­ts ist die Bereitscha­ft zu Zugeständn­issen aufgebrauc­ht. Schließlic­h mussten die Abgeordnet­en ein sozialdemo­kratisches Projekt nach dem anderen durch den Bundestag winken.

In den Nachverhan­dlungen werden sich also eine Doppelspit­ze ohne echte Macht und eine angeschlag­ene CDU-Chefin belauern. Das schreit geradezu nach langen Nachtsitzu­ngen, die den Regierungs­betrieb über Wochen lähmen könnten. Wegen der geplatzten Gespräche über die Jamaika-Koalition sind bereits sechs Monate der Wahlperiod­e ohne Beschlüsse ins Land gegangen. Wenn die beiden SPD-Chefs die Regierung sprengen wollen, dafür aber erst Gründe aufbauen müssen, ist das Ziel teuer erkauft. Die Sozialdemo­kraten verführen dann nach der Maxime „Erst die Partei, dann das Land“.

Den drei Koalitionä­ren sollte eigentlich nicht entgangen sein, dass sich lauter Ehekrach innerhalb eines Bündnisses nicht auszahlt. Viele Wähler schätzen, wenn es harmonisch zugeht. Eigentlich. Dennoch wird sich diese Große Koalition einem langsamen Ende entgegensc­hleppen. Aus Angst vor Neuwahlen und hohen Gewinnen für Grüne und AfD.

Die SPD entscheide­t beherzt: Sowohl als auch

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