Die SPD schadet nicht nur sich selbst
Der Großen Koalition stehen schwere Wochen bevor. Beide Partner sind gespalten. Beiden fehlt eine klare Führung. Es droht der Stillstand der Regierung
Eigentlich sollten Mitgliederentscheid und Parteitag den Weg zeigen, wohin die SPD will. Raus aus der ungeliebten Koalition mit CDU und CSU oder drinbleiben. Die Sozialdemokraten haben sich für ein beherztes Sowohlals-auch entschieden. Für die Regierungsgeschäfte heißt das nichts Gutes. Es droht die doppelte Blockade. Denn nicht nur das Ringen zwischen SPD und Union wird viel Kraft kosten. Die ins Leiden verliebten Genossen haben sich intern einen zweiten Ringkampf aufgebürdet, der genauso hart geführt werden wird.
Denn die neuen Parteichefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sind eigentlich von der Basis bestimmt worden, um SchwarzRot zu beenden. In der Woche zwischen Mitgliederentscheid und Parteitag sind sie von den Ministern, der Fraktion und den Funktionären im Willy-Brandt-Haus weichgekocht worden. „GroKo-Aus zu Nikolaus“wurde abgeblasen.
Das Führungsduo der SPD muss das Kunststück fertigbringen, ein wandelnder Vermittlungsausschuss zu sein. Wie quälend das sein wird, illustriert das schöne Beispiel der schwarzen Null, also einer Haushaltspolitik ohne neuen Schulden. Walter-Borjans und Esken wollen sie aufgeben, müssen aber zunächst am eigenen Finanzminister Olaf Scholz vorbei, der das Symbol halten will. Sollten sie irgendwie mit Scholz fertig werden, müssten die beiden noch die CDU-Vorsitzende und die Kanzlerin kleinkriegen.
Das ist alles andere als eine Kleinigkeit, sondern das Drehbuch für einen Abnutzungskampf. Die Glaubwürdigkeit der frischen SPD-Chefs wird darunter sehr schnell welk werden. Die SPD ist nicht zimperlich darin, ungeliebte Führungskräfte rücksichtlos fertigzumachen. Andrea Nahles und Martin Schulz können ein bitteres Lied davon singen. CDU und CSU stehen enervierende Wochen bevor. Denn sie können nicht sicher sein, mit welcher Prokura Esken und NoWaBo, wie ihr Co-Vorsitzender genannt wird, zu ihnen kommen. Sinnbildlich wird es allein dadurch, dass ihnen vom Establishment für die Runden Scholz und Fraktionschef Rolf Mützenich als Aufpasser an die Seite gestellt werden. Die SPD zwingt CDU und CSU die Nachverhandlungen zur
Halbzeit der Großen Koalition in schwieriger Lage auf.
Vor allem für Annegret KrampKarrenbauer wird es unangenehm. Denn sie sitzt nicht fest im Sattel. Wirtschaftsflügel und Konservative hätten liebend gerne den Vorsitzenden Friedrich Merz. CDU und CSU wollen zwar einerseits, dass die Koalition hält. Andererseits ist die Bereitschaft zu Zugeständnissen aufgebraucht. Schließlich mussten die Abgeordneten ein sozialdemokratisches Projekt nach dem anderen durch den Bundestag winken.
In den Nachverhandlungen werden sich also eine Doppelspitze ohne echte Macht und eine angeschlagene CDU-Chefin belauern. Das schreit geradezu nach langen Nachtsitzungen, die den Regierungsbetrieb über Wochen lähmen könnten. Wegen der geplatzten Gespräche über die Jamaika-Koalition sind bereits sechs Monate der Wahlperiode ohne Beschlüsse ins Land gegangen. Wenn die beiden SPD-Chefs die Regierung sprengen wollen, dafür aber erst Gründe aufbauen müssen, ist das Ziel teuer erkauft. Die Sozialdemokraten verführen dann nach der Maxime „Erst die Partei, dann das Land“.
Den drei Koalitionären sollte eigentlich nicht entgangen sein, dass sich lauter Ehekrach innerhalb eines Bündnisses nicht auszahlt. Viele Wähler schätzen, wenn es harmonisch zugeht. Eigentlich. Dennoch wird sich diese Große Koalition einem langsamen Ende entgegenschleppen. Aus Angst vor Neuwahlen und hohen Gewinnen für Grüne und AfD.
Die SPD entscheidet beherzt: Sowohl als auch