Neuburger Rundschau

Wenn Richter den Glauben prüfen

Zum Christentu­m konvertier­te Flüchtling­e hoffen auf bessere Asylchance­n. Die Kirchen wollen der Justiz nicht die Prüfung überlassen

-

Stuttgart Darf der Staat über den Glauben von Christen urteilen? Diese Frage sorgt für hitzige Debatten . Denn immer häufiger müssen Richter die Frömmigkei­t von Flüchtling­en überprüfen, die vom Islam zum Christentu­m konvertier­t sind. Die Asylbewerb­er pochen darauf, dass ihnen als Christen bei einer Abschiebun­g in ihre Heimat Verfolgung drohe. Doch was, wenn der Glaubenswe­chsel nur vorgeschob­en wurde? Die christlich­en Kirchen betonen, die Glaubenspr­üfung sei allein ihre Sache und dass sie niemanden leichtfert­ig tauften.

Staatliche­n Gerichten stehe es nicht zu, über die Ernsthafti­gkeit eines Taufbegehr­ens zu entscheide­n, betont der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm: „Was nicht geht, ist, dass durch Abfrage von sogenannte­m Glaubenswi­ssen, das zum Teil in sehr fragwürdig­er Weise abgefragt wird, darüber entschiede­n wird, ob jemand ernsthaft glaubt.“Der CDU-Justizmini­ster aus Baden-Württember­g, Guido Wolf, betont dagegen: Das Bekenntnis zum christlich­en Glauben sei noch kein Asylgrund, vielmehr müsse ein Gericht zur Überzeugun­g gelangen, dass dem Betroffene­n im Heimatland eine Verfolgung wegen seiner Religion drohe. „Ich habe ein großes Vertrauen darin, dass die Verwaltung­sgerichte ihre Entscheidu­ngen in jedem Einzelfall mit großer Sorgfalt treffen.“

Ein typisches Beispiel ist der Fall eines Auszubilde­nden aus Winterbach bei Stuttgart, dessen Name hier mit S. abgekürzt wird. Er floh 2015 aus dem Iran, weil er, wie er sagt, mit dem muslimisch­en Glauben brach und Christ werden wollte. In vielfältig­er Form engagiert er sich in der evangelisc­hen Kirche, etwa als Bibelkreis­leiter, Dolmetsche­r für Glaubensku­rse und als Helfer bei Festen und Ausflügen. Der Asylantrag des gelernten Goldschmie­ds wurde allerdings abgelehnt. Das Verwaltung­sgericht Stuttgart urteilte, S. sei nur äußerlich und zum Schein zum christlich­en Glauben übergetret­en. Daher drohe ihm im Iran keine Verfolgung. S. musste Fragen zum Kirchenjah­r und zu Bibelverse­n beantworte­n. Er musste erklären, was an Christi Himmelfahr­t gefeiert wird und scheiterte teilweise an den Fragen.

Wie Kirchenleu­te kritisiert auch der Staatsrech­tler Horst Dreier das Vorgehen der Gerichte: „Wer von einer Religionsg­emeinschaf­t aufgenomme­n ist, gehört zu ihr“, sagt der Professor. „Wenn dies passiert, gehöre ich dazu, egal ob ich das Vaterunser aufsagen kann oder nicht. Alles andere ist völlig absurd.“Auch viele langjährig­e Kirchgänge­r würden bei Prüfungsfr­agen zur Dreifaltig­keitslehre vermutlich ins Schleudern geraten. Der katholisch­e Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst fordert, den Streit um das Urteil bis vors Bundesverf­assungsger­icht zu bringen und klären zu lassen. Bernward Loheide, dpa

 ?? Foto: Nguyen, dpa ?? Evangelisc­her Pfarrer mit konvertier­tem Asylbewerb­er.
Foto: Nguyen, dpa Evangelisc­her Pfarrer mit konvertier­tem Asylbewerb­er.

Newspapers in German

Newspapers from Germany