Klassiker als Klamotte
Gogols „Revisor“am Theater Ingolstadt
Ingolstadt Verwechslung – das ist der Dreh- und Angelpunkt unzähliger Bühnenwerke. Der Irrtum über etwas oder jemanden, kombiniert mit der Angst vor Erkennen und/ oder Erkanntwerden, zeitigt mal tragische, mal komische Folgen. Gogols „Der Revisor“ist ein Paradebeispiel für solches Drama.
Die Nachricht, dass ein Revisor inkognito unterwegs sei, versetzt eine kleine russische Stadt in Aufregung. Angst vor der Aufdeckung so mancher Machenschaften, allseitiges Misstrauen breiten sich aus. Der Stadthauptmann (Sascha Römisch) und die Honoratioren (Richard Putzinger, Peter Reisser, Matthias Zajgier) versuchen Strategien zu entwickeln, wie sie die Aufmerksamkeit des Beamten ablenken können – weg von Versäumnissen, Missständen. Der Auf- und Beutelschneider Chlestakow (Philipp Lemke) und sein Diener (Martin Valdeig), zu diesem Zeitpunkt zufällig durchreisend, machen sich die Verwirrungen und Verirrungen in der Stadt zunutze. Soweit der Plot dieser oft und gern aufgeführten „Verwechslungskomödie“.
In der Ingolstädter Inszenierung wird nicht nur der Revisor mit einem Registrator verwechselt, Unterwürfigkeit mit Ehrerbietung und Zahlungsfähigkeit mit Einfluss, sondern auch Witz mit Albernheit. Unklar, ob das Regie-Team (Sebastian Kreyer, Lena Thelen, Valerij Lisac) sich einen Jux machen wollte oder ob es mit der Qualität der Vorlage nicht vertraut ist. Was man auf der spärlich möblierten Bühne zu sehen bekommt, ist ein überzogenes Türauf-Tür-zu-Lustspiel, aufgemotzt mit zeitgeistigen Witzeleien und mutwilligem Lokalkolorit. Es besteht – wie so oft – keinerlei Notwendigkeit für Videoprojektionen, die Vorführung realer Politiker in kleinen Filmchen ist nicht notwendig, um den aktuellen Bezug der Thematik zu zeigen. Vom völlig sinnfreien Ritt Römischs auf der Kanonenkugel wollen wir schweigen. Am nervigsten: die flippige Sprache der „Nachdichtung“, wie Alexander Nitzberg selbst seine Übersetzung bezeichnet. Ist das noch Gogol oder nur noch Gaga?
Also werden des Stadthauptmanns Frau (Teresa Trauth) und Tochter (Sarah Schulze-Tenberge) munter als dumme, durchgeknallte Weiber denunziert. Warum der Gattin bei jeder Gelegenheit ein Lied einfällt, das sie singt, bleibt ein Rätsel. Olaf Danner und Theresa Weihmayr geben ausnehmend dämliche Beamte und Ulrich Kielhorn darf in so gut wie allen weiteren Rollen körperliche Eigenheiten und Sprachfehler vorführen. Anfangs lacht man noch, am Ende hat der geballte Einsatz den Klassiker zur Klamotte gemacht. O Nächste Vorstellungen: 11. und 27. Dezember, 11., 12., 25., 27. Januar