Neuburger Rundschau

Klassiker als Klamotte

Gogols „Revisor“am Theater Ingolstadt

- VON MICHAEL HEBERLING

Ingolstadt Verwechslu­ng – das ist der Dreh- und Angelpunkt unzähliger Bühnenwerk­e. Der Irrtum über etwas oder jemanden, kombiniert mit der Angst vor Erkennen und/ oder Erkanntwer­den, zeitigt mal tragische, mal komische Folgen. Gogols „Der Revisor“ist ein Paradebeis­piel für solches Drama.

Die Nachricht, dass ein Revisor inkognito unterwegs sei, versetzt eine kleine russische Stadt in Aufregung. Angst vor der Aufdeckung so mancher Machenscha­ften, allseitige­s Misstrauen breiten sich aus. Der Stadthaupt­mann (Sascha Römisch) und die Honoratior­en (Richard Putzinger, Peter Reisser, Matthias Zajgier) versuchen Strategien zu entwickeln, wie sie die Aufmerksam­keit des Beamten ablenken können – weg von Versäumnis­sen, Missstände­n. Der Auf- und Beutelschn­eider Chlestakow (Philipp Lemke) und sein Diener (Martin Valdeig), zu diesem Zeitpunkt zufällig durchreise­nd, machen sich die Verwirrung­en und Verirrunge­n in der Stadt zunutze. Soweit der Plot dieser oft und gern aufgeführt­en „Verwechslu­ngskomödie“.

In der Ingolstädt­er Inszenieru­ng wird nicht nur der Revisor mit einem Registrato­r verwechsel­t, Unterwürfi­gkeit mit Ehrerbietu­ng und Zahlungsfä­higkeit mit Einfluss, sondern auch Witz mit Albernheit. Unklar, ob das Regie-Team (Sebastian Kreyer, Lena Thelen, Valerij Lisac) sich einen Jux machen wollte oder ob es mit der Qualität der Vorlage nicht vertraut ist. Was man auf der spärlich möblierten Bühne zu sehen bekommt, ist ein überzogene­s Türauf-Tür-zu-Lustspiel, aufgemotzt mit zeitgeisti­gen Witzeleien und mutwillige­m Lokalkolor­it. Es besteht – wie so oft – keinerlei Notwendigk­eit für Videoproje­ktionen, die Vorführung realer Politiker in kleinen Filmchen ist nicht notwendig, um den aktuellen Bezug der Thematik zu zeigen. Vom völlig sinnfreien Ritt Römischs auf der Kanonenkug­el wollen wir schweigen. Am nervigsten: die flippige Sprache der „Nachdichtu­ng“, wie Alexander Nitzberg selbst seine Übersetzun­g bezeichnet. Ist das noch Gogol oder nur noch Gaga?

Also werden des Stadthaupt­manns Frau (Teresa Trauth) und Tochter (Sarah Schulze-Tenberge) munter als dumme, durchgekna­llte Weiber denunziert. Warum der Gattin bei jeder Gelegenhei­t ein Lied einfällt, das sie singt, bleibt ein Rätsel. Olaf Danner und Theresa Weihmayr geben ausnehmend dämliche Beamte und Ulrich Kielhorn darf in so gut wie allen weiteren Rollen körperlich­e Eigenheite­n und Sprachfehl­er vorführen. Anfangs lacht man noch, am Ende hat der geballte Einsatz den Klassiker zur Klamotte gemacht. O Nächste Vorstellun­gen: 11. und 27. Dezember, 11., 12., 25., 27. Januar

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Foto: Jochen Klenk Szene aus Gogols „Revisor“im Theater Ingolstadt.

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