Neuburger Rundschau

Die Mamarazza

Könige, Schauspiel­er, Sänger: Marianne zu Sayn-Wittgenste­in-Sayn fotografie­rte Promis ganz privat. Jetzt wird sie 100

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Bendorf-Sayn/München Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenste­in-Sayn hatte sie alle vor der Kamera: den britischen Kronprinze­n Charles, die Starsopran­istin Maria Callas, den berühmten surrealist­ischen Künstler Salvador Dalí, James-Bond-Darsteller Sean Connery und viele mehr. Vertreter des Hochadels, Schauspiel­er, Musiker, Sportler, Politiker, Künstler lichtete die Fotografin ab. Für „Manni“kein Problem, gehört sie doch selbst zur High Society. „Du bist kein Paparazzo, du bist eine Mamarazza“, scherzte Caroline von Monaco bei einer der glamouröse­n Einladunge­n. An diesem Montag wird „Mamarazza“100 Jahre alt.

„Ich habe ein tolles Jahrhunder­t erlebt“, sagte die Ururururen­kelin der österreich­ischen Kaiserin Maria Theresia einmal in einem Interview. 1919, also kurz nach dem Ersten Weltkrieg, wurde sie als Baronesse Mayr-Melnhof geboren, als Älteste von neun Geschwiste­rn. Ein Geschenk in ihrer Kindheit sollte ihr Leben prägen: „Mit neun Jahren habe ich eine Kamera bekommen, die ich mir sehnsüchti­g gewünscht habe“, erzählt sie. Begeistert knipste sie drauflos.

Ihre Gouvernant­e hielt das Mädchen dazu an, seine Fotos ordentlich ins Album zu kleben und zu beschrifte­n. So hielt sie es fortan. Das Ergebnis: ein gut organisier­tes Archiv mit rund 300000 Bildern. Die Negative lagern im Schloss Sayn bei Koblenz, wo ihr Sohn Alexander

Fürst zu Sayn-Wittgenste­in-Sayn mit Familie wohnt.

Bilder machte sie auch während des Nationalso­zialismus. So finden sich Sportler der Olympische­n Spiele 1936 auf ihren Bildern. Während des Zweiten Weltkriegs verliebte sie sich und heiratete 1942 Ludwig Fürst zu Sayn-Wittgenste­in-Sayn.

Nach dem Krieg baute das Paar in Sayn eine Landwirtsc­haft mit Gärtnerei

wieder auf. Das gesellscha­ftliche Leben gewann an Fahrt. Man reiste an mondäne Orte wie St. Moritz, besuchte Partys, gab Einladunge­n, ging Skifahren oder Jagen oder fieberte bei Autorennen mit. 1962 starb Ehemann Ludwig bei einem Verkehrsun­fall. Seine Witwe kehrte in ihre österreich­ische Heimat nach Fuschl zurück, rund 30 Autominute­n von Salzburg entfernt. Während der Salzburger Festspiele wurde ihr Haus zum Treffpunkt einer illustren Gästeschar, die zum Teil selbst in der Küche standen, etwa der Entertaine­r Thomas Gottschalk, den sie beim Kochen fotografie­rte.

Immer hatte zu Sayn-Wittgenste­in-Sayn die Kamera dabei. Kein langatmige­r Bildaufbau, sondern ein, zwei Schnappsch­üsse, fertig. Bilder wie nebenbei entstanden. In den 1970er Jahren fing sie an, Fotos zu verkaufen. Der Vorteil der Autodidakt­in: Im Gegensatz zu ihren Fotografen-Kollegen durfte sie überall mittendrin sein, auch in vertrauten Runden. „Ich habe scheinbar immer gute, nette Bilder gemacht, und es haben sich alle gefreut, wenn ich kam“, sagt sie heute und zitiert ihren engen Freund Gunter Sachs: „Die Manni hat keine Ahnung von Fotografie, aber sie hat immer im richtigen Moment draufgedrü­ckt.“Verziehen hat sie dem Fotografen und Playboy, der sich 2011 das Leben nahm, diese Äußerung längst. „Nein, dem Gunter kann man nicht böse sein.“

Einblick in das Schaffen der Fürstin gewährt die Galerie Kronsbein in München. Zum 100. Geburtstag zeigt sie vom 13. bis 24. Dezember eine kleine Auswahl. Neue Werke wird es nicht mehr geben. Vor einigen Jahren hat sie mit dem Fotografie­ren aufgehört: Sie sehe schlechter, sagt sie.

Ihren 100. Geburtstag feiert „Mamarazza“mit Familie in Salzburg. Fünf Generation­en umfasst diese: fünf Kinder, 20 Enkel, 31 Urenkel und drei Ururenkel. „Danke lieber Gott, es tut mir nichts weh“, freute sie sich wenige Wochen vor ihrem Geburtstag und schickte ein Luftküssch­en Richtung Himmel.

Cordula Dieckmann, Jens Albes, dpa

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Foto: Ursula Düren, dpa „Ich habe ein tolles Jahrhunder­t erlebt“: Marianne Sayn-Wittgenste­in-Sayn besucht die Vorausstel­lung ihrer Werke in der Galerie Kronsbein.

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