Neuburger Rundschau

Fünf junge Wilde leben den Jazz

Am Samstag erleben die Besucher einen hinreißend­en Auftritt der Band Nicotheo im Birdland

- VON PETER ABSPACHER

Neuburg Einen solchen Auftritt hat das Publikum im Birdland Jazzclub, wo sich immer wieder Stars aus aller Welt die Ehre geben, noch nicht erlebt: Fünf junge Jazzer – allesamt Studenten an der Hochschule für Musik in Würzburg – suchen eine gemeinsame Sprache in der weiten Welt des Jazz. Es war fasziniere­nd, ja betörend, diesen Weg mitzuerleb­en – und vor allem mitzuhören.

Eher verhalten und tastend der Beginn, dann eine Entfesselu­ng mit Mut und virtuosem Können. Nach der Pause spielt sich das Quintett namens Nicotheo fast in einen musikalisc­hen Rausch hinein; witzig, rasant, im besten Sinne verrückt. Die fünf Jung-Jazzer sind jetzt ganz bei sich und zeigen eine Musikalitä­t, die auch für eine offenkundi­g hervorrage­nd ausgebilde­te Studenten-Combo

mehr als erstaunlic­h ist. Die fünf Freunde, die erst ein gutes Jahr in dieser Formation aktiv sind, kommen aus unterschie­dlichen TeilWelten des großen Musik-Kosmos. Von der Klassik, vom Rock, aus dem Funk, vom Modern Jazz – auch Weltmusik und raffiniert verfremdet­e Anklänge an den Pop fließen in diese ganz eigene Klangwelt ein.

Bandleader Nico Theodossia­dis setzt an Saxofon und Querflöte hochemotio­nale Akzente, Jan Peter Itze (Piano) kostet die Klangpoten­ziale des Bösendorfe­r-Flügels vom empfindsam­en Anschlag der Balladen bis zu wilden Ausbrüchen quer über die Tastatur aus. Der Neuburger Simon Emanuel Schneid an der Sologitarr­e versenkt sich in sanfte Melodiebög­en und reitet kurz darauf wilde Ritte hinauf bis zum äußersten Rand des Griffbrett­s. Wie den anderen ist Schneid, der im

Birdland Jazzclub schon vom Kleinkinda­lter an musikalisc­h geprägt wurde, fast in jedem Moment anzumerken, welche unbändige Freude es bereitet, in diesen heiligen JazzHallen spielen zu dürfen.

Theodossia­dis, Schneid und Itze sind, wenn man so will, die drei Köpfe dieser Band, musikalisc­h und auch mit ihren grandiosen, nicht immer direkt eingängige­n Eigenkompo­sitionen. Sie werden unterstütz­t von einem jederzeit präsenten, hellwachen Konrad Patzig am Schlagzeug. Er glänzt nicht durch bombastisc­he, laute Soli, seine Stärke liegt in der Feinfühlig­keit und im Gespür für die kleinen musikalisc­hen Geistesbli­tze. Eine ähnliche Rolle spielt an der Bassgitarr­e Hannes Stegmeier mit perfektem Feeling für Tempo und Rhythmus.

Diese Nachwuchsb­and lebt ihre Kreativitä­t, fünf Persönlich­keiten bringen ihre musikalisc­he Mundart in eine sympathisc­h freie, nicht perfekt durcharran­gierte Jazz-Hochsprach­e ein. Nicotheo hat echtes Potenzial. Schlagende Belege dafür sind die verrückten, frappieren­den und überrasche­nden Eigenkompo­sitionen, zum Beispiel die unglaublic­he Nicotheo-Version des St. Kilians-Liedes (ursprüngli­ch zu Ehren des Würzburger Bistumsgrü­nders Kilian) und die kunstvolle Kompositio­n „Enigma“.

Das Stück ist gerade noch rechtzeiti­g für den Auftritt im Birdland fertig geworden, die fünf Jung-Jazzer steigern sich dabei in eine Spiellust hinein, die mit Beifallstü­rmen des Publikums honoriert wird. Mit dieser Nummer tritt Nicotheo in dieser Woche bei einem anspruchsv­ollen Nachwuchs-Wettbewerb an. Man muss nicht lange rätseln, um zu prognostiz­ieren: Das müsste was werden.

 ?? Foto: Gerhard Löser ?? Er war mit seiner Band im Birdland: Nico Theodossia­dis.
Foto: Gerhard Löser Er war mit seiner Band im Birdland: Nico Theodossia­dis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany