Der Fehler bei den Kontrollen liegt im System
Wilke-Wurst oder Bayern-Ei: Bei der Sicherheit von Lebensmitteln hakt es immer wieder. Zum Nachteil der Kunden. Denn die können nur vertrauen
Als Kunde kann man nur den Kopf schütteln: Ein Drittel aller Lebensmittelkontrollen finden gar nicht statt. Das geht aus einer Analyse der Organisation Foodwatch hervor. Der Grund: Den Behörden fehlt Personal. Das Kopfschütteln ist eher ein resigniertes als ein schockiertes. Überraschend ist die Zahl nicht. Schließlich reihen sich seit Jahren Lebensmittelskandale aneinander. Listerien in der Wilke-Wurst, Salmonellen bei der Firma Bayern-Ei, Schaben in Müller-Brot, Ehec-Erreger in Bockshornkleesamen, Gammelfleisch im Döner. Manches ist nur eklig, anderes gefährlich. Der Tod von 25 Menschen wird in Zusammenhang mit der Wilke-Wurst gebracht. Bis aufgeklärt wird, wie es so weit kommen konnte oder welche Produkte betroffen sind, dauert es lange. Zu lange.
Seit geraumer Zeit steht deshalb das System der Lebensmittelüberwachung in der Kritik. Nicht nur Verbraucherschützer haben Zweifel, auch der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure sagt: Es muss sich etwas ändern. Doch irgendwie passiert trotzdem nichts. Dabei sind die Vorschläge, die an die Adresse der Politik gehen, ziemlich konkret: Die Kontrollen sollen zentral organisiert werden. Das System muss transparenter werden.
Momentan ist es Ländersache, Lebensmittelhersteller zu überprüfen. Die Länder haben die Aufgabe an die Kreise und kreisfreien Städte übertragen. Die Verbraucherschützer geben zu bedenken: Die Landkreise sind auch dafür zuständig, Arbeitsplätze vor Ort zu halten. Gewissermaßen eine Wohlfühlatmosphäre für Betriebe zu schaffen. Dadurch können sich Konflikte ergeben. Deshalb sollten nicht die Landkreise die Kontrollen organisieren, sondern eine zentrale Stelle auf Länderebene. Das zu ändern, läge unter anderem an Ernährungsministerin Julia Klöckner. Die sagt zu dem Dilemma: Die
Kontrollen und die Kontrolleure müssen unabhängig sein. Ein Zirkelschluss.
Die Transparenz ist der zweite Knackpunkt. Und in Bayern knackt es besonders laut. Immer wieder zeigt sich, dass es im Freistaat besonders schwer ist, Akteneinsicht zu bekommen. Auch an der Befragung durch Foodwatch nahmen nur wenige bayerische
Behörden teil. Das Staatsministerium für Verbraucherschutz sagt, das liegt an einer fehlenden Software. Man arbeite daran. Der Freistaat hat dabei nichts zu verstecken: Im Jahr 2018 wurden nur 0,3 Prozent aller Proben beanstandet, die das Amt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit untersucht hat. Es bleibt aber ein komisches Gefühl. Bayern wirkt besonders geheimniskrämerisch.
Nun verfolgt Foodwatch freilich eine eigene Agenda. Zeitgleich mit der Veröffentlichung des aktuellen Berichtes startete die Organisation eine Petition, die Klöckner und die zuständigen Landesminister auffordert, die Kontrollen nicht weiter zu reduzieren und mehr Personal einzustellen. Denn die Minister planen, das System der Lebensmittelkontrollen etwas zu reformieren. Und Foodwatch fürchtet, dass so Personal eingespart werden soll. Die Studien zu den ausfallenden Kontrollen passt gut in den Plan.
Klöckner und Foodwatch sind sich übrigens in einem Punkt einig: Das System muss funktionieren. Das hofft auch der kopfschüttelnde Kunde. Denn er ist darauf angewiesen, dass Lebensmittel einwandfrei sind. Er muss vertrauen, kontrollieren kann er schließlich nicht.
Nun sagen die Kontrolleure gerne, dass so viele Skandale auffliegen, zeigt doch, dass das System funktioniert. Eine interessante Argumentation. Denn andersherum wäre es richtig: In einem funktionierenden System müssten Kontrolleure nichts finden.
Auch Foodwatch verfolgt eine eigene Agenda