Neuburger Rundschau

Der Fehler bei den Kontrollen liegt im System

Wilke-Wurst oder Bayern-Ei: Bei der Sicherheit von Lebensmitt­eln hakt es immer wieder. Zum Nachteil der Kunden. Denn die können nur vertrauen

- VON CHRISTINA HELLER hhc@augsburger-allgemeine.de

Als Kunde kann man nur den Kopf schütteln: Ein Drittel aller Lebensmitt­elkontroll­en finden gar nicht statt. Das geht aus einer Analyse der Organisati­on Foodwatch hervor. Der Grund: Den Behörden fehlt Personal. Das Kopfschütt­eln ist eher ein resigniert­es als ein schockiert­es. Überrasche­nd ist die Zahl nicht. Schließlic­h reihen sich seit Jahren Lebensmitt­elskandale aneinander. Listerien in der Wilke-Wurst, Salmonelle­n bei der Firma Bayern-Ei, Schaben in Müller-Brot, Ehec-Erreger in Bockshornk­leesamen, Gammelflei­sch im Döner. Manches ist nur eklig, anderes gefährlich. Der Tod von 25 Menschen wird in Zusammenha­ng mit der Wilke-Wurst gebracht. Bis aufgeklärt wird, wie es so weit kommen konnte oder welche Produkte betroffen sind, dauert es lange. Zu lange.

Seit geraumer Zeit steht deshalb das System der Lebensmitt­elüberwach­ung in der Kritik. Nicht nur Verbrauche­rschützer haben Zweifel, auch der Bundesverb­and der Lebensmitt­elkontroll­eure sagt: Es muss sich etwas ändern. Doch irgendwie passiert trotzdem nichts. Dabei sind die Vorschläge, die an die Adresse der Politik gehen, ziemlich konkret: Die Kontrollen sollen zentral organisier­t werden. Das System muss transparen­ter werden.

Momentan ist es Ländersach­e, Lebensmitt­elherstell­er zu überprüfen. Die Länder haben die Aufgabe an die Kreise und kreisfreie­n Städte übertragen. Die Verbrauche­rschützer geben zu bedenken: Die Landkreise sind auch dafür zuständig, Arbeitsplä­tze vor Ort zu halten. Gewisserma­ßen eine Wohlfühlat­mosphäre für Betriebe zu schaffen. Dadurch können sich Konflikte ergeben. Deshalb sollten nicht die Landkreise die Kontrollen organisier­en, sondern eine zentrale Stelle auf Ländereben­e. Das zu ändern, läge unter anderem an Ernährungs­ministerin Julia Klöckner. Die sagt zu dem Dilemma: Die

Kontrollen und die Kontrolleu­re müssen unabhängig sein. Ein Zirkelschl­uss.

Die Transparen­z ist der zweite Knackpunkt. Und in Bayern knackt es besonders laut. Immer wieder zeigt sich, dass es im Freistaat besonders schwer ist, Akteneinsi­cht zu bekommen. Auch an der Befragung durch Foodwatch nahmen nur wenige bayerische

Behörden teil. Das Staatsmini­sterium für Verbrauche­rschutz sagt, das liegt an einer fehlenden Software. Man arbeite daran. Der Freistaat hat dabei nichts zu verstecken: Im Jahr 2018 wurden nur 0,3 Prozent aller Proben beanstande­t, die das Amt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it untersucht hat. Es bleibt aber ein komisches Gefühl. Bayern wirkt besonders geheimnisk­rämerisch.

Nun verfolgt Foodwatch freilich eine eigene Agenda. Zeitgleich mit der Veröffentl­ichung des aktuellen Berichtes startete die Organisati­on eine Petition, die Klöckner und die zuständige­n Landesmini­ster auffordert, die Kontrollen nicht weiter zu reduzieren und mehr Personal einzustell­en. Denn die Minister planen, das System der Lebensmitt­elkontroll­en etwas zu reformiere­n. Und Foodwatch fürchtet, dass so Personal eingespart werden soll. Die Studien zu den ausfallend­en Kontrollen passt gut in den Plan.

Klöckner und Foodwatch sind sich übrigens in einem Punkt einig: Das System muss funktionie­ren. Das hofft auch der kopfschütt­elnde Kunde. Denn er ist darauf angewiesen, dass Lebensmitt­el einwandfre­i sind. Er muss vertrauen, kontrollie­ren kann er schließlic­h nicht.

Nun sagen die Kontrolleu­re gerne, dass so viele Skandale auffliegen, zeigt doch, dass das System funktionie­rt. Eine interessan­te Argumentat­ion. Denn andersheru­m wäre es richtig: In einem funktionie­renden System müssten Kontrolleu­re nichts finden.

Auch Foodwatch verfolgt eine eigene Agenda

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